Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.03.2025, RV/7101079/2015

Berücksichtigung von Versorgungsbeiträgen an eine deutsche Ärzteversorgung als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, vertreten durch Mag. Barbara Cizek, Hochweg 4, 1170 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer beantragte am die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 und machte dabei unter anderem Versorgungsbeiträge an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung in Höhe von 5.428,21 € sowie Zahlungen an die Ärztekammer ***Ort in Ö*** in Höhe von 53.40 € als Werbungskosten geltend.

Mit Vorhalt vom bat das Finanzamt um Vorlage der Belege (Kopien) mit Aufstellung und Erläuterung für sämtliche beantragte Ausgaben sowie Miet- und Dienstvertrag in Kopie.

Mit Schreiben vom übermittelte der Bf. durch seine steuerliche Vertretung diverse Belege und Aufstellungen und korrigierte die Höhe der beantragten Werbungskosten für Arbeitsmittel.

Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2010 und führte aus, dass ab dem abgeschlossene (Er)Lebensversicherungen gem. § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 nur dann absetzbar seien, wenn eine auf die Lebensdauer zahlbare Rente vereinbart wurde (Rentenversicherungsverträge). Ferner stellen die Beiträge an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung keine Werbungskosten dar. Hierbei handle es sich um Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 (vlg. UFSI vom , RV/0930-I/10).

Der Bf. erhob innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010. Die Beiträge an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung würden - vergleichbar mit den Wohlfahrtsfondsbeiträgen inländischer Ärzte - Pflichtbeiträge darstellen, die als Werbungskosten bzw. Betriebsausgabe absetzbar seien. Er ersuche daher um Berücksichtigung der Pflichtbeiträge in Höhe von 5.428,21 € als Werbungskosten. Weitere Beschwerdepunkte wurden nicht angeführt.

Mit Vorhalt des Finanzamtes vom wurde der Bf. aufgefordert, Unterlagen zur Berechnung der Versorgungbeiträge vorzulegen und die Zahlung des Gesamtbetrages für 2010 monatsweise aufzugliedern, weil er ab Juni 2010 in Österreich tätig gewesen sei. Verwiesen wurde auf die Internetseite der ***Ort in D*** Ärzteversorgung und die Ausführungen zur Verlegung des Aufenthaltsortes und zur freiwilligen Weiterführung der Mitgliedschaft.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, mit der Begründung, dass die abverlangten Unterlagen (Ersuchen um Ergänzung vom ) nicht vorgelegt wurden und das Beschwerdebegehren nicht geprüft werden konnte.

Mit Schreiben vom stellte der Bf. den Vorlageantrag und begründete, dass die ausstehenden Unterlagen zeitgleich mit der Beschwerdevorentscheidung zugegangen seien. Der Bf. übermittle eine Bestätigung der ***Ort in D*** Ärzteversorgung mit enthaltender Aufgliederung zwischen Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen. Somit habe der Bf. in Höhe von 4.662,06 € Pflichtbeiträge einbezahlt und ersuche daher um entsprechende Berücksichtigung beim Einkommensteuerbescheid.

Die Beschwerdevorlage erfolgte am . Das Finanzamt führte aus, dass es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen um Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 handle. Der Bf. gebe zwar in der Beschwerde an, dass es sich um Pflichtbeiträge handle, auf der Internetseite der ***Ort in D*** Ärzteversorgung stehe jedoch eindeutig, dass die Mitgliedschaft mit der Verlegung des Aufenthaltsortes außerhalb Deutschlands ende und dass jedoch die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterführung der Mitgliedschaft bestehe. Auch mit dem Vorlageantrag sei dazu nicht Stellung genommen worden.

Schreiben des Bf. vom

Mit Schreiben vom führte der Bf. aus, dass aus der vorgelegten Bestätigung eindeutig die Einteilung in Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge hervorgehe und diese persönliche Bestätigung mehr Aussagekraft als ein Homepage-Eintrag (der- siehe Impressum- ohne Gewähr erfolge) habe. Der Bf. habe seine Wohnung in Deutschland nie aufgegeben.

Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständlichen Beschwerde mit Stichtag der Gerichtsabteilung 1004 zur Erledigung zugewiesen.

Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Bf. aufgefordert, Fragen zu Einkünften in Deutschland im Jahr 2010, zur Wohnsitzbegründung in Österreich sowie zu den Versorgungsbeiträgen zu beantworten sowie weitere Unterlagen vorzulegen.

Schreiben des Bf. vom

Mit Schreiben des Bf. vom wurden die Fragen zur Tätigkeit in Deutschland und zum Wohnsitz in Österreich beantwortet. Der Bf. übermittelte die Satzung der ***Ort in D*** Ärzteversorgung zum Stand sowie einen Bescheid des Wohlfahrtsfonds der ***Ort in Ö*** Ärzte zur Befreiung von den Fondsbeiträgen ab .

Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurden die Parteien des Verfahrens aufgefordert zur Schätzung nach § 184 BAO der Werbungskosten und Sonderausgaben hinsichtlich der im Jahr 2010 an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung gezahlten Beiträge für das Veranlagungsjahr 2010 Stellung zu nehmen. Von den an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung geleisteten Versorgungsbeiträgen seien im Schätzungswege 766,15 € der ärztlichen Tätigkeit in Österreich zuzuordnen. 4.662,06 € der geleisteten Beiträge seien der ärztlichen Tätigkeit in Deutschland zuzuordnen, welche vor Begründung eines Wohnsitzes in Österreich bzw. vor Aufnahme der unselbständigen Tätigkeit in Österreich geleistet wurden.

Das Finanzamt äußerste keine Bedenken gegen die Schätzung.

Schreiben des Bf. vom

Mit Schreiben vom übermittelte der Bf. eine monatsweise Aufteilung der 2010 bezahlten Beiträge und den Hinweis auf die Befreiungsbestimmung des § 10 Abs. 9 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für ***Ort in Ö***. Eine Befreiung dürfe nur erfolgen, wenn eine als gleichwertig zu bewertende Verpflichtung bei einem anderen Versorgungswerk bestehe. Dies mache die in Deutschland bezahlten Beiträge zu Pflichtbeiträgen in Österreich. Daher ersuche der Bf. um Berücksichtigung von 5.486,91 € als Pflichtversicherungsbeiträge im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit in Österreich.

Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das Schreiben des Bf. vom an die belangte Behörde weitergeleitet. Es wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund des nun vorliegenden Kontoauszuges des Mitgliedskontos des Beschwerdeführers bei der ***Ort in D*** Ärzteversorgung eine Schätzung nach § 184 BAO nicht mehr erforderlich sei.

Die belangte Behörde wurde ferner darauf hingewiesen, dass im Zuge des Antrags auf Arbeitnehmerveranlagung weitere Werbungskosten in Höhe von 53,40 € (Zahlungen an die Ärztekammer für ***Ort in Ö***) beantragt, jedoch im Einkommensteuerbescheid nicht als solche berücksichtigt worden seien.

Stellungnahme des Finanzamtes vom

Anhand der vorgelegten Aufgliederung der Beitragszahlungen seien aus Sicht der Abgabenbehörde von den insgesamt geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von 5.486,91 € daher 4.720,76 € (= 7 x 925,36 + 93,98) dem vormaligen deutschen Dienstverhältnis zuzurechnen und daher in Deutschland als Werbungskosten zu berücksichtigen während 766,15 € (= 7 x 109,45) dem österreichischen Dienstverhältnis zuzurechnen und in Österreich als Werbungskosten abzugsfähig wären.

Hinsichtlich der Geltendmachung zusätzlicher Werbungskosten in Höhe von 53,40 € für Zahlungen an die Ärztekammer für ***Ort in Ö*** bestehen seitens der Abgabenbehörde keine Bedenken diese Kosten als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom

Die Stellungnahme des Finanzamtes wurde dem Bf. weitergeleitet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf.) war Anfang 2010 in ***Ort in D***, Deutschland, als angestellter Assistenzarzt bei ***d AG*** tätig. In dieser Zeit verfügte der Bf. über keine Wohnung in Österreich, hielt sich nicht ständig in Österreich auf und er erzielte in Österreich auch keine Einkünfte. Der deutsche Arbeitgeber überwies im Zeitraum bis (Belegdatum) für die Monate Jänner bis Mai 2010 je 925,36 €, insgesamt 4.626,80 €, an Versorgungsbeiträgen an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung, Einrichtung der Ärztekammer ***Ort in D***, Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine Steuererklärung für 2010 reichte der Bf. in Deutschland nicht ein und machte die Beiträge damit auch nicht als Sonderausgaben nach deutschem Recht geltend. Am überwies der deutsche Arbeitgeber noch 93,96 € für Juni 2010.

Im Mai 2010 übersiedelte der Bf. nach ***Ort in Ö***, Österreich. Unterkunftgeberin war die Ehegattin des Bf., ***Name***, die bereits ab Jänner 2010 in ***Ort in Ö*** wohnte. Eine Wohnung in ***Ort in D*** behielt der Bf. bei. Mit meldete der Bf. seinen Hauptwohnsitz an der Adresse ***Adr*** an. Der Bf. kehrte mit wieder nach Deutschland zurück und gab seinen Wohnsitz in Österreich auf.

Der Bf. begann mit als unselbständig beschäftigter Arzt an der ***ö AG*** zu arbeiten. Der Arbeitgeber entrichtete laut Lohnzettel Sozialversicherungsbeiträge für laufende Bezüge in Höhe von 5.135,48 €.

Der Bf. überwies an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung am Beiträge für die Monate Juni, Juli, August, September und Oktober 2010 in Höhe von je 109,45 €, weitere Zahlungen erfolgten am für November 2010 und für Dezember 2010 in Höhe von je 109,45 €. Insgesamt erfolgten Zahlungen in Höhe von 766,15 €. Die Zahlungen erfolgten auf Basis einer freiwilligen Mitgliedschaft, der Bf. leistete den Mindestbeitrag.

Am beantragte der Bf. eine Befreiung von den Fondsbeiträgen zum Wohlfahrtsfonds der ***Ort in Ö*** Ärzte. Der Bf. wurde von den Fondsbeiträgen zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für ***Ort in Ö*** rückwirkend ab zur Gänze befreit.

Für die Ersteintragung in die Ärzteliste zahlte der Bf. an die Ärztekammer für ***Ort in Ö*** eine Anmeldegebühr in Höhe von 27 € und Bundesabgaben in Höhe von je 13,20 € (Vergebührung Anmeldeblatt und Ärzteausweis).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, den vom Bf. vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen der Parteien.

Strittig ist die steuerliche Berücksichtigung von Zahlungen an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung in Höhe von insgesamt 5.486,91 €.

Die Angaben zur Tätigkeit des Bf. in Deutschland sowie zur Überweisung der Versorgungsbeiträge durch den Dienstgeber des Bf. ergeben sich aus dem Vorbringen des Bf., aus den Bescheinigungen der ***Ort in D*** Ärzteversorgung sowie aus dem vorgelegten Kontoauszug des Mitgliedskontos des Bf. bei der ***Ort in D*** Ärzteversorgung.

Im Laufe des Verfahrens wurden mehrere Bescheinigungen der ***Ort in D*** Ärzteversorgung vorgelegt. In der Bescheinigung vom wurden Versorgungsbeiträge für das Jahr 2010 in Höhe von 5.428,21 € ausgewiesen. In einer zweiten Bescheinigung vom wurden ebenfalls Versorgungsbeiträge in Höhe von 5.428,21 € ausgewiesen, davon freiwillige Zahlungen in Höhe von 766,15 €. Vermerkt ist in beiden Fällen, dass die Versorgungsbeiträge Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr 2a dEStG iVm § 10 Abs 3 dEStG darstellen. Zuletzt wurde von der ***Ort in D*** Ärzteversorgung der Kontoauszug des Mitgliedskontos aus dem Jahr 2010 vorgelegt. Auf diesem Konto sind 13 Zahlungen (insgesamt 5.486,91 €) ausgewiesen mit Angaben zur Tätigkeit, Zahlweise, Belegdatum und allenfalls Arbeitgeber. Da der Kontoauszug die einzelnen Zahlungen an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung samt Zusatzinformationen enthält, werden die darin aufgelisteten Beträge dem Sachverhalt zugrunde gelegt.

Die Angaben zur Übersiedlung nach ***Ort in Ö***, Österreich, bzw. Rückübersiedlung nach Deutschland, zur Wohnsituation in Österreich sowie zur Wohnung in ***Ort in D*** wurden vom Bf. gemacht und ungeprüft der Entscheidung zugrunde gelegt. Das Meldedatum ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Auch der Rückzug nach Deutschland ist im ZMR vermerkt.

Die Angaben zur Tätigkeit ab in Österreich ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt aufliegenden Lohnzettel.

Die Beitragszahlung durch den Bf. an die ***Ort in D*** Ärtzeversorgung ergibt sich aus dem vorgelegten Kontoauszug des Mitgliedskontos des Bf. bei der ***Ort in D*** Ärzteversorgung. Die Feststellung, dass es sich um Zahlungen auf Basis einer freiwilligen Mitgliedschaft handelt, ergibt sich aus der vorgelegten Satzung, auf welche in der rechtlichen Beurteilung näher eingegangen wird, sowie aus der Bescheinigung vom .

Die Angaben zur Befreiung von den Fondsbeiträgen zum Wohlfahrtsfonds der ***Ort in Ö*** Ärzte ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen.

Die Zahlungen in Höhe von insgesamt 53,40 € an die Ärztekammer für ***Ort in Ö*** sind nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Im vorliegenden Fall sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass der Bf. im Jahr 2010 nicht durchgehend einen Wohnsitz bzw. den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hatte. Andererseits ist zu bedenken, dass für den Bf. zunächst Versorgungsbeiträge an die Ärzteversorgung ***Ort in D*** für seine Tätigkeit in Deutschland entrichtet wurden und der Bf. später eine Zahlung als freiwilliges Mitglied leistete. Der Bf. begehrt die Berücksichtigung des Gesamtbetrages von zunächst 5.428,21 €, zuletzt 5.486,91 € als Werbungskosten nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 (Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen). Das Finanzamt anerkannte den Gesamtbetrag zunächst als Sonderausgaben nach § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 (Beiträge und Versicherungsprämien zu einer freiwilligen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung), zuletzt sprach sich das Finanzamt für die Berücksichtigung der an die Versorgungseinrichtung geleisteten Zahlungen als Werbungskosten in Höhe von 766,15 € aus.

Zur Berücksichtigung von Pflichtversicherungsbeiträgen

Nach Artikel 4 Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (in weiterer Folge DBA Deutschland) ist "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig und verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Nach der Judikatur des VwGH ist für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist ( mit weiteren Hinweisen).

Der Bf. übersiedelte im Mai 2010 nach Österreich zu seiner Ehefrau und verfügte sodann über Wohnmöglichkeiten in Österreich und Deutschland, davor wohnte er nur in Deutschland. Der Bf. geht davon aus, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen bereits ab Mai 2010 in Österreich lag. Für den Bf. wurden bis Ende Mai 2010 bzw. anteilig auch noch für Juni 2010 Versorgungsbeiträge vom deutschen Arbeitgeber bezahlt. Die Ehefrau übersiedelte schon früher nach Österreich. Selbst wenn man annimmt, dass der Wohnsitz schon vorher begründet wurde, so liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen jedenfalls erst ab Juni 2010 in Österreich, weil der Bf. ab dann in Österreich auch erwerbstätig war und er ab diesem Zeitpunkt sowohl engere persönliche als auch engere wirtschaftliche Beziehungen zu Österreich hatte. Der Bf. gilt ab diesem Zeitpunkt als nur in Österreich ansässig im Sinne des DBA.

Nach Artikel 15 DBA Deutschland dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

Der Bf. bezog ab in Österreich Einkünfte aus unselbständiger Arbeit für die Österreich das Besteuerungsrecht zukommt.

Für die in Deutschland erzielten Einkünfte aus unselbständiger Arbeit steht Deutschland das Besteuerungsrecht zu.

Zur steuerlichen Berücksichtigung von Pflichtversicherungsbeiträgen (steuermindernde Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse) sprach der VwGH in der Entscheidung aus:

"Wenn das nationale Einkommensteuerrecht eines Mitgliedstaates in Bezug auf die im Mitgliedstaat gebietsansässigen Personen die steuermindernde Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse vorsieht, so darf der Mitgliedstaat, soweit eine Deckung in dem ihm zukommenden Steueranspruch besteht, diese Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse unionsrechtlich nicht deshalb zurücknehmen, weil die Person ihre wirtschaftliche Betätigung auch in einem anderen Mitgliedstaat ausübt oder ausgeübt hat (vgl. Ra 2020/15/0077)."

Aufgrund der begrenzten Ansässigkeit des Bf. in Österreich im Zeitraum von Juni 2010 bis Ende 2014 finden die im Zeitraum bis erfolgten Zahlungen in Höhe von 4.626,80 € keine Deckung im österreichischen Steueranspruch. Die Zahlungen bis werden weder als Sonderausgaben nach § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 noch als Werbungskosten nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 berücksichtigt.

Gegen die Berücksichtigung der bis erfolgten Zahlungen spricht auch, dass die unselbständige Tätigkeit in Österreich erst mit begonnen wurde und frühestens ab diesem Zeitpunkt eine Anknüpfung an eine österreichische Einkunftsquelle und Bezug zu einem österreichischen Dienstverhältnis besteht. Die Zahlungen bis zum erfolgten in Deutschland für eine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit.

Auch die Zahlung, welche vom deutschen Arbeitgeber nachträglich am für Juni 2010 geleistet wurde, wird nicht als Werbungskosten oder Sonderausgaben anerkannt, weil sie nicht mit dem österreichischen Dienstverhältnis in Zusammenhang steht. Die Überweisung erfolgte überdies erst 2011, also außerhalb des beschwerdegegenständlichen Zeitraums.

Dass der Bf. die Zahlungen des deutschen Arbeitgebers nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr 2a dEStG iVm § 10 Abs 3 dEStG geltend gemacht hat, weil er keine Veranlagung für 2010 in Deutschland durchführte, ist für die steuerliche Beurteilung in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht relevant. Laut Vermerk auf der Bescheinigung der ***Ort in D*** Ärzteversorgung zur Höhe der eingegangenen Versorgungsbeiträge wären solche Beiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2a dEStG iVm § 10 Abs. 3 dEStG als Sonderausgaben abzugsfähig gewesen.

Zur Höhe der Pflichtversicherungsbeiträge

Art. 15 Abs. 7 DBA Deutschland lautet:

"(7) Beiträge, die für eine in einem Vertragsstaat unselbständig tätige Person an eine in dem anderen Vertragsstaat errichtete und dort steuerlich anerkannte Einrichtung der Krankheits- und Altersvorsorge geleistet werden, sind in dem erstgenannten Staat bei der Ermittlung des von der Person zu versteuernden Einkommens in der gleichen Weise, unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen zu behandeln wie Beiträge an in diesem erstgenannten Staat steuerlich anerkannte Einrichtungen der Krankheits- und Altersvorsorge, sofern
a) die Person unmittelbar vor Aufnahme ihrer Tätigkeit nicht in diesem Staat ansässig war und bereits Beiträge an die Einrichtungen der Krankheits- und Altersvorsorge entrichtete, und
b) die zuständige Behörde dieses Vertragsstaats festgestellt hat, dass die Einrichtung der Krankheits- und Altersvorsorge allgemein denjenigen Einrichtungen entspricht, die in diesem Staat als solche für steuerliche Zwecke anerkannt sind.

Für die Zwecke dieses Absatzes
a) bedeutet ,Einrichtung der Krankheitsvorsorge' jede Einrichtung, bei der die unselbständig tätige Person und ihre Angehörigen im Fall einer krankheitsbedingten vorübergehenden Unterbrechung ihrer unselbständigen Arbeit zum Empfang von Leistungen berechtigt sind;
b) bedeutet ,Einrichtung der Altersvorsorge' eine Einrichtung, an der die Person teilnimmt, um sich im Hinblick auf die in diesem Absatz erwähnte unselbständige Arbeit Ruhestandseinkünfte zu sichern;
c) ist eine ,Einrichtung der Krankheits- und Altersvorsorge' in einem Staat für steuerliche Zwecke anerkannt, wenn hinsichtlich der an diese Einrichtungen geleisteten Beiträge Steuerentlastungen zu gewähren sind."

Daraus ergibt sich, dass die in Deutschland geleisteten Beiträge bei der Ermittlung des von der Person zu versteuernden Einkommens in Österreich in der gleichen Weise, unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen zu behandeln sind, wie Beiträge an in Österreich steuerlich anerkannte Einrichtungen der Krankheits- und Altersvorsorge.

Der VwGH setzte sich in der Entscheidung mit der steuerlichen Berücksichtigung von Zahlungen an das Versorgungswerk einer deutschen Ärztekammer auseinander. Dabei bestätigte der VwGH dem Grunde nach die Berücksichtigung von Beiträgen als Werbungskosten nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988, führte jedoch aus, dass es sich um Pflichtbeiträge handeln müsse und verwies auf die konkrete Satzung des betroffenen Versorgungswerkes sowie die darin enthaltenen Ausführungen zur Beitragsberechnung.

Wie auch im der Entscheidung des VwGH zugrundeliegenden Fall (siehe , fortgesetztes Verfahren ) ließ sich der Bf. von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds der (hier:) ***Ort in Ö*** Ärztekammer befreien und setzte die Mitgliedschaft im deutschen Versorgungswerk auf freiwilliger Basis fort.

§ 10 Abs. 9 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für ***Ort in Ö*** lautet:

"Der Verwaltungsausschuss hat Fondsmitglieder, die den Nachweis darüber, dass ihnen und ihren Hinterbliebenen ein zumindest annähernd gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)Genuss aufgrund der Zugehörigkeit zu einem berufsständischen Versorgungswerk im Gebiet einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, über Antrag, für die Dauer dieser Zugehörigkeit, von den Fondsbeiträgen zur Gänze zu befreien."

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für ***Ort in Ö*** vom wurde der Bf. ab auf Basis der zitierten Rechtsgrundlage von den Fondsbeiträgen befreit.

Die Satzung der ***Ort in D*** Ärzteversorgung (Stand ) sieht folgende relevante Bestimmungen vor:

§ 6 Abs. 4 der Satzung lautet auszugsweise:

"Aus der Versorgungseinrichtung scheiden aus:
a) Mitglieder, die der Ärztekammer
***Ort in D*** nicht mehr angehören mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Kammermitgliedschaft, […]"

§ 7 Abs. 1 der Satzung lautet:

"Wer Mitglied der Versorgungseinrichtung war und auf Grund der Bestimmungen des § 6 Abs. 4 Buchstabe a aus der Versorgungseinrichtung ausscheidet, kann die Mitgliedschaft freiwillig solange forstsetzen, bis eine Pflichtmitgliedschaft mit Beitragspflicht in einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung im Bundesgebiet eintritt."

§ 27 Abs. 4 der Satzung lautet:

"Freiwillige Mitglieder, die sich im Ausland aufhalten, haben monatlich mindestens die 0,1-fache Versorgungsabgabe gemäß § 30 Abs. 1 zu entrichten."

§ 30 Abs. 1 der Satzung lautet:

"Die jährliche (1,0-fache) Versorgungsabgabe entspricht der Summe der höchsten monatlichen Pflichtbeiträge gemäß §§ 157 bis 159 SGB VI im selben Jahr."

Die Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2010 betrug monatlich 5.500 € (§ 3 Abs 1 Z 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2010 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010) vom , dBGBl Teil I S. 3846, ausgegeben am ), der Beitragssatz zur Rentenversicherung 19,9 %. Damit betrug der monatliche Pflichtbetrag gemäß §§ 157 bis 159 SGB VI (der 1,0-fache Wert) 1.094,5 €, der 0,1-fache Wert daher 109,45 €.

Der Bf. leistete daher den Mindestbeitrag, der jedenfalls einem Pflichtversicherungsbeitrag im Sinne des entspricht.

Die vom Bf. geleisteten Beiträge an die ***Ort in D*** Ärzteversorgung in Höhe von 766,15 € für Juni bis Dezember 2010 stellen daher Werbungskosten nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 dar.

Im Ergebnis sind die vom Finanzamt den Sonderausgaben zugeordneten Versorgungsbeiträge in der ursprünglich beantragten Höhe von 5.428,21 € aus der Bemessungsgrundlage für Sonderausgaben nach § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 iVm § 18 Abs 3 Z 2 EStG 1988 zu streichen und in Höhe von 766,15 € den Werbungskosten nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 zuzuordnen.

Weitere Werbungskosten

Vom Finanzamt wurde ferner eine Zahlung in Höhe von insgesamt 53,40 € an die Ärztekammer für ***Ort in Ö*** bisher nicht als Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988 berücksichtigt, sondern (gemeinsam mit den ursprünglich beantragten Versorgungsbeiträgen in Höhe von 5.428,21 €) den Sonderausgaben nach § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zugeordnet. Es handelt sich unstrittig um Werbungskosten, welche ebenfalls bei der Steuerbemessung Berücksichtigung finden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an den relevanten Bestimmungen des DBA Deutschland und an der höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 15 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7101079.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
KAAAF-66158