VwGH 29.10.1993, AW 93/10/0031
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | LSchV Allg Slbg 1980 §4; LSchV Siezenheimer Au 1981 §2; VwGG §30 Abs2; |
RS 1 | Stattgebung - naturschutzbehördliche Bewilligung - Ein bei der Interessenabwägung ins Gewicht fallendes Interesse am Aufschub der Ausübung der mit dem angefochtenen Bescheid erlangten Berechtigung zur Erweiterung eines Golfplatzes ist unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes zu bejahen, wenn die Verwirklichung des Projektes als Maßnahme anzusehen wäre, durch die die besondere landschaftliche Schönheit, der Charakter der Landschaft, der Naturhaushalt oder die Bedeutung der Landschaft für die Erholung oder für den Fremdenverkehr als charakteristische Naturlandschaft oder als naturnahe Kulturlandschaft in abträglicher Weise beeinflußt würde (Hinweis § 4 Abs 1 der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung idF LGBl Nr 6/1993 - ALV, hier: Umwandlung einer bäuerlichen Kulturlandschaft in eine Sportfläche). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Salzburger Landesumweltanwaltschaft in Salzburg, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, der gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 16/02-8216/69-1993, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erteilte die Salzburger Landesregierung auf Ansuchen des Mitbeteiligten gemäß den §§ 46 Abs. 1, 23 Abs. 1 lit. b und Abs. 5 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1993, LGBl. Nr. 1/1993, § 2 Abs. 1 der Siezenheimer Au-Landschaftsschutzverordnung 1981, LGBl. Nr. 73/1981, § 2 Z. 2 und 5 der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung idF LGBl. Nr. 6/1993 in Verbindung mit den §§ 17 Abs. 2, 3 Abs. 3 sowie 48 Abs. 2 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1993 die naturschutzbehördliche Bewilligung zur Erweiterung des bestehenden Golfplatzes auf bestimmten Grundstücken nach Maßgabe der dem Ansuchen angeschlossenen Projektunterlagen unter bestimmten Auflagen, Bedingungen, Befristungen und Vorschreibungen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde der Salzburger Landesumweltanwaltschaft. Mit der Beschwerde ist ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Diese sei unbedingt erforderlich, da andernfalls die derzeit bestehende bäuerliche Kulturlandschaft unwiderbringlich zerstört werden würde. Gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sprächen keine zwingenden öffentlichen Interessen; vielmehr bestehe ein hohes öffentliches Interesse seitens der dort lebenden Bevölkerung, das Landschaftsschutzgebiet in unversehrtem Zustand zu erhalten.
Der Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Darin wird die Auffassung vertreten, es träfe nicht zu, daß durch das Vorhaben die derzeit bestehende bäuerliche Kulturlandschaft zerstört werde. Das Projekt nähme keine bodennutzungsrelevante Veränderung vor, mit Ausnahme einer ökologisch wertvollen Bachregulierung und des Baues eines Teiches. Darüber hinaus könnten im Bedarfsfall allein durch Ackerung und Neuansaat die Golfflächen wiederum in eine landwirtschaftliche Nutzung als Acker- bzw. Grünland rückgeführt werden. Es bestehe auch keine rechtliche Beschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung; es könnten daher auch ohne weiteres kurzfristig großflächige Mais- oder Kartoffelschläge entstehen. Die beschwerdeführende Landesumweltanwaltschaft habe in einem Schreiben selbst erklärt, daß mit Arten- und Biotopenschutz kaum mehr argumentiert werden könne; das Gebiet sei zum überwiegenden Teil landwirtschaftlich intensiv genutzt und in der Artengarnitur stark verarmt. Es sei daher nicht nachvollziehbar, worin der unwiederbringliche naturschützerische Wert des gegenständlichen Bereiches bestehen solle. Es bestehe daher kein zwingendes öffentliches Interesse, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Das Gebiet liege in der Einflugschneise des Salzburger Flughafens; auf Grund der damit verbundenen Lärmbelastung sei es auch als Naherholungsgebiet nicht geeignet. Mit der Golfplatzerweiterung würde der strittige Landschaftsteil für die Bevölkerung im größeren Umfang zugänglich sein als bisher. Für die mitbeteiligte Partei würde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen, weil diese einen Bestandzins für die in das Projekt einbezogenen Flächen von ca. S 620.000,-- jährlich ungeachtet dessen entrichten müsse, ob die Anlage auch tatsächlich errichtet werden könne. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe weiters einen jährlichen Einnahmenentgang für die Mitbeteiligte von mindestens S 1 Mio zur Folge. Weiters sei mit einer jährlichen Baukostensteigerung von S 378.000,-- zu rechnen.
In einer Äußerung brachte die beschwerdeführende Landesumweltanwaltschaft vor, durch das vorliegende Projekt werde bäuerliche Kulturlandschaft großflächig in ein konstruiertes, artifiziell aufgebautes Parkgelände verwandelt. Der durch die vielfältige und kleinstrukturierte Agrarlandschaft geprägte Landschaftscharakter, dessen Erhaltung das konkrete Ziel der Landschaftsschutzverordnung sei, würde durch die zur Projektausführung zu setzenden baulichen Maßnahmen zerstört werden. Der Ansicht des Mitbeteiligten, daß im Bedarfsfall allein durch Ackerung und Neuansaat die Golfflächen wieder in landwirtschaftliche Acker- bzw. Grünlandflächen zurückgeführt werden könnten, sei zu entgegnen, daß die Wiesenflächen im Projektgebiet derzeit ca. 40 bis 50 Pflanzenarten aufwiesen; nach der Umwandlung in golftechnische Einrichtungen sei mit Artenzahlen zwischen drei und zehn zu rechnen. Eine "Rückverwandlung" in Bestände mit 40 bis 50 Pflanzenarten sei derzeit überhaupt nicht bzw. allenfalls im Laufe von mehreren Jahrzehnten möglich. Ebensowenig sei mit einer Wiedereinwanderung der aus dem strittigen Gebiet verdrängten Tierarten nach Durchführung des Projektes zu rechnen. Dem Gebiet sei trotz der festgestellten Beeinträchtigungen durch Fluglärm die Funktion und Qualität als Naherholungsgebiet nicht abzusprechen. In einem 1979 erstellten Gutachten zum Landschaftsschutzgebiet Siezenheimer Au werde folgendes ausgeführt:
"Das durch seine vielen Elemente landschaftlich so reizvolle Schutzgebiet Siezenheimer Au ist nicht nur als Naherholungsraum von großer Bedeutung, sondern es ist auch ein Anziehungspunkt für Gäste aus dem In- und Ausland. Die Touristen interessieren sich vor allem für das Schloß und seinen Park, während die Entspannung und Erholung suchenden Salzburger nach Dienstschluß und an Wochenenden die harmonische Landschaft genießen wollen. Die Siezenheimer Au ist auch ein beliebtes Ziel für Radfahrer aus der näheren und weiteren Umgebung. Weder Wanderer noch Radfahrer werden in diesem Landschaftsschutzgebiet vom Autoverkehr belästigt."
Bezüglich der Bedeutung dieses Raumes für die Erholung werde auch auf die Stellungnahme des Bürgermeisters und die massiven Proteste der Bevölkerung gegen das Golfplatzprojekt verwiesen. Mit seinem Einwand, es würde das Gebiet in einem größeren Umfang als bisher für die Bevölkerung zugänglich, verkenne der Mitbeteiligte, daß bei der Verwirklichung des Projektes der bei der Bevölkerung besonders beliebte Treppelweg entlang des Mühlbaches der Benützung durch die Allgemeinheit entzogen werde. Durch die Tatsache, daß die Allgemeinheit von der Benützung eines großen Teiles des Landschaftsschutzgebietes gänzlich ausgeschlossen werde, werde der Erholungswert nicht nur beeinträchtigt, sondern es werde die Teilhabe der Allgemeinheit am Erlebnis der unter Schutz gestellten Landschaft ausgeschlossen.
Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt den Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Im Beschwerdefall ist nicht zu erkennen, daß zwingende öffentliche Interessen dem beantragten Aufschub der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung entgegenstünden. Es ist daher in die in § 30 Abs. 2 VwGG normierte Interessenabwägung einzutreten.
Unter dem "für den Beschwerdeführer verbundenen Nachteil" ist im vorliegenden Zusammenhang ein Nachteil für die von der Amtspartei wahrzunehmenden öffentlichen Interessen - im Beschwerdefall jene des Landschaftsschutzes - zu verstehen (vgl. hiezu den Beschluß vom , Zl. AW 92/10/0271).
Im Beschwerdefall wäre ein bei der Interessenabwägung ins Gewicht fallendes Interesse am Aufschub der Ausübung der mit dem angefochtenen Bescheid erlangten Berechtigung unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes zu bejahen, wenn die Verwirklichung des Projektes als Maßnahme anzusehen wäre, durch die die besondere landschaftliche Schönheit, der Charakter der Landschaft, der Naturhaushalt oder die Bedeutung der Landschaft für die Erholung oder für den Fremdenverkehr als charakteristische Naturlandschaft oder als naturnahe Kulturlandschaft in abträglicher Weise beeinflußt würde (vgl. § 4 Abs. 1 der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung idF LGBl. Nr. 6/1993 - ALV). Ob dies der Fall ist, ist im vorliegenden Provisorialverfahren anhand der durch das Vorbringen der Parteien nicht von vornherein als widerlegt anzusehenden Annahmen des angefochtenen Bescheides zu beurteilen. Dieser geht auf Grund des ermittelten Sachverhaltes davon aus, daß mit der Realisierung des Projektes eine wesentliche Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft (Umwandlung einer bäuerlichen Kulturlandschaft in eine Sportfläche) verbunden wäre (vgl. insbesondere Seiten 59 bis 74 des angefochtenen Bescheides). Ebenso ist für die Zwecke des vorliegenden Provisorialverfahrens schon auf der Grundlage der Siezenheimer Au-Landschaftsschutzverordnung, LGBl. Nr. 73/1981, davon auszugehen, daß das in Rede stehende Gebiet entweder eine besondere landschaftliche Schönheit aufweist oder für die Erholung der Bevölkerung oder den Fremdenverkehr als charakteristische Naturlandschaft oder als naturnahe Kulturlandschaft bedeutend ist (vgl. die Verordnungsermächtigung in § 12 des zur Zeit der Erlassung der erwähnten Verordnung geltenden Salzburger Naturschutzgesetzes 1977, LGBl. Nr. 86/1977 in der Stammfassung).
Auch die Behauptung des Mitbeteiligten, im Bedarfsfall könnten allein durch Ackerung und Neuansaat die Golfflächen wiederum einer landwirtschaftlichen Nutzung als Acker bzw. Grünland zugeführt werden, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend, weil damit nicht bescheinigt wird, daß (im Falle einer späteren Versagung der Bewilligung) sämtliche abträglichen Wirkungen der Ausführung des Projektes auf die in § 17 Abs. 2 NSchG 1993 (§ 4 Abs. 1 ALV) genannten Schutzgüter leicht und kurzfristig beseitigt werden könnten.
Für die vorliegende Interessenabwägung ist somit unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Landschaftsschutzes vom Bestehen eines gewichtigen Interesses daran auszugehen, daß der beabsichtigte, nicht leicht und vollständig wieder rückgängig zu machende Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unterbleibe.
Demgegenüber fallen die vom Mitbeteiligten geltend gemachten, in - seiner Darlegung nach - (vorübergehend) vergeblichen Aufwendungen, entgangenem Gewinn und Kostensteigerungen bestehenden Nachteile, die nicht über jene Nachteile hinausgehen, die ein Projektwerber im allgemeinen während der Dauer eines Bewilligungsverfahrens in Kauf nehmen muß, bei der Interessenabwägung nicht entscheidend ins Gewicht.
Diese führt somit zum Ergebnis, daß mit der Ausübung der Berechtigung für das von der Beschwerdeführerin wahrzunehmende öffentliche Interesse am Schutz der Landschaft ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre; der Beschwerde war daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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Normen | LSchV Allg Slbg 1980 §4; LSchV Siezenheimer Au 1981 §2; VwGG §30 Abs2; |
Schlagworte | Interessenabwägung Unverhältnismäßiger Nachteil |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1993:AW1993100031.A00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-66091