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VwGH 03.07.2003, 99/20/0588

VwGH 03.07.2003, 99/20/0588

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
StVG §85;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
RS 1
Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. im Erkenntnis vom , Zl. 94/09/0112, ausgeführt hat, bedeutet die rückwirkende Gestaltungswirkung eines Erkenntnisses nicht nur, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des aufgehobenen Bescheides und seiner Aufhebung so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre, sondern auch, dass allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde. Solche Rechtsakte gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit dem aufgehobenen Bescheid in einem unlösbaren Zusammenhang stehen. Bei dem im vorliegenden Fall angefochtenen, die Berufung des Beschwerdeführers (nicht mangels Vorliegens des bekämpften Bescheides) als unzulässig zurückweisenden Berufungsbescheid handelt es sich um einen solchen, in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem mit "Berufung" angefochtenen Bescheid stehenden Rechtsakt. Dieser baut auf dem mit Berufung bekämpften Bescheid insofern auf, als er nur ergehen kann, wenn es einen solchen überhaupt gibt. Er tritt daher - anders als eine meritorische Berufungsentscheidung - nicht an dessen Stelle, sondern neben den bekämpften Bescheid. Sofern der zurückweisende Berufungsbescheid nicht mangels Vorliegens eines mit Berufung angefochtenen Bescheides erging, spielt der mit Berufung bekämpfte Bescheid eine tragende Rolle für die Beurteilung der Zurückweisung (vgl. Stöger, Verwaltungsgerichtliche Kassation und "aufbauende Bescheide" 56 f).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom , Zl. 434.316/5- V.6/1998, betreffend eine Angelegenheit des Strafvollzuges, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis zum in der Justizanstalt Wien-Josefstadt verbüßte.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Vollzugsoberbehörde vom wurde der "Berufung" des Beschwerdeführers dagegen, dass ihm mit Erledigung des Leiters der Justizanstalt Wien-Josefstadt vom die von ihm beantragte Gewährung des Zuspruches durch einen Seelsorger der Zeugen Jehovas verwehrt wurde, keine Folge gegeben. Die Vollzugsoberbehörde begründete ihre Entscheidung damit, dass die Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 und Abs. 3 StVG nicht vorlägen, weil der Beschwerdeführer - nach eigenen Angaben - kein Mitglied der Zeugen Jehovas und auch nicht getauft sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer sowohl eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch eine mit datierte "Berufung" an den Bundesminister für Justiz (die belangte Behörde).

Diese "Berufung" wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom als unzulässig zurückgewiesen, weil § 121 Abs. 2 StVG für den vorliegenden Fall keinen Rechtszug an den Bundesminister für Justiz vorsehe. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Am entschied der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis B 15/99, dass der Beschwerdeführer durch den eingangs erwähnten Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt worden sei, und hob den bei ihm angefochtenen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes auf. Der Verfassungsgerichtshof begründete dieses Erkenntnis damit, dass der Präsident des zuständigen Landesgerichtes als Vollzugsoberbehörde insofern der Bestimmung des § 85 StVG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe, als er es als unabdingbare Voraussetzung der Gewährung des Zuspruches durch einen Seelsorger angesehen habe, dass der Beschwerdeführer der Bekenntnisgemeinschaft Zeugen Jehovas "offiziell" angehöre; darauf komme es jedoch nicht an, weil unabhängig von den formellen Kriterien der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft das "eigene Bekenntnis" die nach außen in Erscheinung tretende Deklaration innerer (Glaubens-) Einstellungen und Werte sei.

Hingegen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen die zurückweisende Berufungsentscheidung des Bundesministers für Justiz (belangte Behörde) vom erhobene Beschwerde mit Beschluss vom , B 775/99, ab und trat diese Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Nach Abtretung der Beschwerde gegen den Bescheid vom ergänzte der Beschwerdeführer diese Beschwerde mit Schriftsatz vom auftragsgemäß dahingehend, dass er sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie in seinem Recht auf eine Sachentscheidung durch die oberste Vollzugsbehörde verletzt fühle.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen jenen Bescheid, mit dem die belangte Behörde die "Berufung" (richtig: Beschwerde) gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom als unzulässig zurückgewiesen hat. Mit der zurückgewiesenen "Berufung" bekämpfte der Beschwerdeführer jenen Bescheid, der vom Verfassungsgerichtshof in der Folge mit seinem oben erwähnten Erkenntnis vom , B 15/99, aufgehoben wurde.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes wirkt eine Bescheidaufhebung im Bescheidbeschwerdeverfahren durch den Verfassungsgerichtshof - ebenso wie durch den Verwaltungsgerichtshof - ex tunc; aufhebende Erkenntnisse haben die Wirkung, dass sie die Rechtssache in den Stand versetzen, in dem sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheids befunden hat (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 15.669, und vom , VfSlg. 15.945; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3, 896; Stöger,  Verwaltungsgerichtliche Kassation und "aufbauende Bescheide" (2002) 237 ff, 241; vgl. auch § 42 Abs. 3 VwGG sowie dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4084/A).

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. im Erkenntnis vom , Zl. 94/09/0112, ausgeführt hat, bedeutet die rückwirkende Gestaltungswirkung eines Erkenntnisses nicht nur, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des aufgehobenen Bescheides und seiner Aufhebung so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre, sondern auch, dass allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde. Solche Rechtsakte gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit dem aufgehobenen Bescheid in einem unlösbaren Zusammenhang stehen.

Bei dem im vorliegenden Fall angefochtenen, die Berufung des Beschwerdeführers (nicht mangels Vorliegens des bekämpften Bescheides) als unzulässig zurückweisenden Berufungsbescheid handelt es sich um einen solchen, in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem mit "Berufung" angefochtenen Bescheid stehenden Rechtsakt. Dieser baut auf dem mit Berufung bekämpften Bescheid insofern auf, als er nur ergehen kann, wenn es einen solchen überhaupt gibt. Er tritt daher - anders als eine meritorische Berufungsentscheidung - nicht an dessen Stelle, sondern neben den bekämpften Bescheid. Sofern der zurückweisende Berufungsbescheid nicht mangels Vorliegens eines mit Berufung angefochtenen Bescheides erging, spielt der mit Berufung bekämpfte Bescheid eine tragende Rolle für die Beurteilung der Zurückweisung (vgl.  Stöger, Verwaltungsgerichtliche Kassation und "aufbauende Bescheide" 56 f).

In diesem Fall bewirkte somit das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom nicht nur das Außerkrafttreten des Bescheides des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , sondern auch die Beseitigung des auf diesem aufbauenden angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom .

Aus diesem Grund war die Beschwerde mangels eines tauglichen Anfechtungsobjektes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
StVG §85;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2003:1999200588.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-65990