VwGH 26.06.2003, 99/18/0247
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1951, vertreten durch Dr. Franz Havlicek, Rechtsanwalt in 2020 Hollabrunn, Amtsgasse 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1018/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer sei am vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung, der Körperverletzung und der Sachbeschädigung (§§ 107 Abs. 1, 83 Abs. 1 und 125 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe in der Zeit von Jänner 1995 bis April 1996 seine ehemalige Lebensgefährtin wiederholt mit den Worten "Ich bringe dich und die ganze Familie um" bedroht, wobei er ihr auch Schläge und Fußtritte versetzt und einmal sogar ein Messer gegen sie gerichtet habe. Ungeachtet dieser Verurteilung sei er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen des Verbrechens des Raubes, des Vergehens der versuchten Nötigung, der gefährlichen Drohung, der Körperverletzung, des Diebstahles, der Sachbeschädigung und der Urkundenunterdrückung (§§ 142, 105, 107, 83, 127, 125 und 229 StGB) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Gleichzeitig sei die bedingte Strafnachsicht zum Urteil vom widerrufen worden. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers habe die seit 1980 bestehende Lebensgemeinschaft im Jänner 1995 aufgelöst. Der Beschwerdeführer, der sich damit nicht habe abfinden können, habe von ihr Geld im Zusammenhang mit einem gemeinsam in Jugoslawien erworbenen Haus gefordert. Ungeachtet seiner Verurteilung im Jahr 1996 habe er sie mit dem Umbringen bedroht. Sein Verhalten sei dahin eskaliert, dass er seine ehemalige Lebensgefährtin beraubt und verletzt habe.
Der Beschwerdeführer, der seine Verurteilungen dahin bagatellisiere, dass sich die Straftaten lediglich auf "familiäre Zwistigkeiten" bezögen und die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht betroffen seien, halte sich seit Juli 1974 in Österreich auf und sei hier einer regelmäßigen Beschäftigung nachgegangen. Er habe bis Ende Jänner 1990 über Sichtvermerke verfügt.
Während seines Aufenthaltes von 1974 bis 1990 sei er ebenfalls mit österreichischen Rechtsvorschriften in Konflikt gekommen, indem er viermal wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden sei. 1984 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Betruges zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden. Am habe ein beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängiges Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen der §§ 133 f StGB gemäß § 412 StPO abgebrochen werden müssen. Am sei der Beschwerdeführer amtlich abgemeldet worden. Über seinen weiteren Aufenthalt sei zunächst bis zur Anzeigenerstattung, die zu seiner (ersten) Verurteilung geführt habe, nichts bekannt gewesen. Er selbst habe anlässlich seiner Einvernahme am angegeben, zuletzt Ende 1992/Anfang 1993 wieder nach Österreich eingereist zu sein. Seither habe sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.
Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei in zweifacher Hinsicht erfüllt. Im Hinblick auf die Tatwiederholung sei eine positive Zukunftsprognose nicht möglich. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bringe eine krasse Geringschätzung der körperlichen Integrität anderer Menschen zum Ausdruck. Die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei in höchstem Maß gefährdet, weshalb sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - auch im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er habe in Österreich weder familiäre noch berufliche Bindungen und sei hier auch nicht aufrecht gemeldet gewesen. Er sei nicht im Besitz von Unterhaltsmitteln. Selbst wenn man wegen des Aufenthalts im Bundesgebiet von 1974 bis 1990 von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgehe, sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme gemäß § 37 leg. cit. zu bejahen. Die vorliegende Verurteilung mache die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Einer allfälligen Integration auf Grund seines früheren rechtmäßigen Aufenthaltes komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten entsprechend gemindert werde. Diesen geminderten privaten Interessen stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen, insbesondere jene am Schutz der körperlichen Integrität anderer Menschen, gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der in seiner Heimat ein Haus besitze, wögen keinesfalls schwerer als die gegenteiligen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch gemäß § 37 Abs. 2 FrG zulässig.
Vor diesem Hintergrund könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
Der Beschwerdeführer habe gegen mehrere Rechtsgüter verstoßen und sein strafbares Verhalten über längere Zeit hingezogen. Das Aufenthaltsverbot habe unbefristet verhängt werden müssen, weil nicht abzusehen sei, ab welchem Zeitpunkt sich der Beschwerdeführer zur Beachtung der Rechtsordnung durchringen könne.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer durch die besagten rechtskräftigen Verurteilungen den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Auf Grund der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Ansicht kein Einwand. Ebenso wenig kann der behördlichen Beurteilung, das den Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten rechtfertige die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG, entgegengetreten werden, liegen doch dem Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen zwei massive Bedrohungen seiner früheren Lebensgefährtin sowie das Verbrechen des Raubes und Körperverletzung zur Last, also Verhalten, aus denen sich Aggressivität und die Bereitschaft des Beschwerdeführers, auf Konfliktsituationen mit Gewalt zu reagieren, erkennen lässt.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten hätten sich nur gegen eine einzige Person, nämlich gegen seine frühere Lebensgefährtin gerichtet. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit läge deshalb sicherlich nicht vor. Er habe nach seiner Bestrafung eingesehen, "dass der von ihm eingeleitete Lösungsvorgang des Problemes falsch ist". Es bestehe daher in Zukunft keine Gefahr, dass er mit den österreichischen Rechtsvorschriften in Konflikt komme.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde - neben dem langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers von 1974 bis 1990 - auf den nach einer Unterbrechung Anfang 1993 wieder aufgenommenen (unrechtmäßigen) Aufenthalt des Beschwerdeführers und den Umstand Bedacht genommen, dass er weder über familiäre noch über berufliche Bindungen im Bundesgebiet verfügt. Die aus der Dauer des Aufenthaltes ableitbaren privaten Interessen des Beschwerdeführers werden in ihrem Gewicht durch die Unrechtmäßigkeit desselben seit dem Jahr 1993 erheblich gemindert. Darüber hinaus ist die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten deutlich beeinträchtigt. Die belangte Behörde hat daher - entgegen der Beschwerde - zutreffend die Auffassung vertreten, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, liegt doch dem Beschwerdeführer ein im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und der Gewaltkriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt.
Gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 2 FrG, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, bestehen ebenfalls keine Bedenken.
2.3. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend sein Heimatland ist entgegenzuhalten, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird und mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/18/0052).
3. Eine positive Ermessensübung (vgl. etwa den dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0078, zu Grunde liegenden Fall) kam hier nicht in Betracht. Ein Absehen von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die Behörde im Rahmen des ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens steht bei einem Fremden, der wegen eines strafbaren Verhaltens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden ist, nicht mit dem Sinn des Gesetzes in Einklang (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0432, mwN).
4. Auch gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehen keine Bedenken. Nach ständiger hg. Judikatur ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/18/0182). Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der wiederholten massiven Straftaten des Beschwerdeführers die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalles des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung von maßgeblichen öffentlichen Interessen, nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erließ.
5. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | FrG 1997 §36 Abs1; FrG 1997 §36 Abs2 Z1; FrG 1997 §37 Abs1; FrG 1997 §37 Abs2; FrG 1997 §39 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2003:1999180247.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-65981