VwGH 12.09.2002, 99/15/0056
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | LAO Wr 1962 §128 Abs2; VergnügungssteuerG Wr 1987 §14 Abs2; VergnügungssteuerG Wr 1987 §6 Abs7; VergnügungssteuerG Wr 1987 §6 Abs8; |
RS 1 | Bei der Frage, wann ein Spielapparat für Dritte spiel- und betriebsbereit gehalten worden ist, handelt es sich um eine Tatfrage, die von der Abgabenbehörde in einem Akt der Beweiswürdigung zu lösen ist (Hinweis E , 99/15/0005). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1. der H GmbH und 2. der W GmbH, beide in W, beide vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl MD-VfR-R 1/99, betreffend Vergnügungssteuer nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz samt Säumniszuschlag sowie Verspätungszuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer so genannten "Anonymbegehung" durch das Abgabenüberwachungsorgan S des Magistrates der Stadt Wien am wurde in dessen Bericht festgehalten, dass neben dem zum Steuerausweis (in der Folge: StA) 9220497001 aufrecht gemeldeten Pfeilwurfgerät "New Sport Darts" ein Spielapparat der Type "Magic Card" im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin in W, W-Gasse 19, funktions- und spielbereit für Dritte gehalten werde.
Im Bericht vom über eine weitere Begehung hielt das Abgabenüberwachungsorgan H fest, dass am genannten Standort neben dem zum StA 9220497001 aufrecht gemeldeten Pfeilwurfgerät "New Sport Darts" ein Spielapparat der Type "Magic Card/Fruit Bonus" in einem Gehäuse "Casino Master" funktions- und spielbereit für Dritte gehalten werde. Die StA 6030797023 sei deutlich sichtbar aufgeklebt. Laut Auskunft der Kellnerin NK, deren Unterschrift sich auf dem Bericht befindet, sei der Spielapparat am aufgestellt und am darauf folgenden Tag eingeschaltet worden. Im Bericht ist weiters vermerkt, auf Grund der StA habe festgestellt werden können, dass der gegenständliche Apparat mit von einem anderen, näher bezeichneten Standort von der Zweitbeschwerdeführerin (Aufstellerin) abgemeldet worden sei.
Am langte bei der Behörde erster Instanz "zu Nr. 6220497002" eine mit datierte (und laut Poststempel am selben Tag zur Post gegebene) Vergnügungssteuererklärung ein, welche von beiden Beschwerdeführerinnen unterfertigt war. Diese Erklärung betraf das Halten eines Spielapparates der Type "Magic Card + Fruit Star Bonus" im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin in W, W-Gasse 19, ab . Am Formular war sowohl "Gerätetausch" als auch "Standortwechsel" angekreuzt. Dieses Formular wurde mit der StA 6241297001 versehen.
Am erging an die Beschwerdeführerinnen vom Magistrat der Stadt Wien folgende Aufforderung:
"Sie haben unter Steuerausweisnummer 6241297001 am einen Münzgewinnspielapparat Magic Card und Fruit Star Bonus ab zur Vergnügungssteuer angemeldet. Da Sie diesen Apparat jedoch schon wesentlich früher gehalten haben, werden Sie hiemit aufgefordert, den Apparat innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens ab dem tatsächlichen Aufstellungszeitpunkt zur Vergnügungssteuer anzumelden."
Seitens der Erstbeschwerdeführerin wurde darauf hin durch eine Frau H mitgeteilt, dass sie - da sie auf Grund ihres Babys nur einmal in der Woche im Betrieb sein könne - nicht genau wisse, an welchem Tag im Dezember die Aufstellung erfolgt sei, dass ihr die Zweitbeschwerdeführerin jedoch telefonisch die Aufstellung und Anmeldung mitgeteilt habe.
Seitens der Zweitbeschwerdeführerin wurde vorgebracht, dass mit der StA 6241297001 am 16. Dezember ein Spielapparat "Magic Card und Fruit Star Bonus" ab rechtzeitig zur Vergnügungssteuer angemeldet worden sei. Der (namentlich genannte) Mitarbeiter, "der diese Aktion durchgeführt" habe, sei mittlerweile aus dem Betrieb ausgeschieden und derzeit nicht erreichbar. Er habe auch keine Aufzeichnungen (Lieferscheine etc.) hinterlassen. Man könne sich aber nicht vorstellen, dass bereits vor der Anmeldung im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin ein betriebsbereiter Apparat der Zweitbeschwerdeführerin gehalten worden sei.
Die Zeugin NK, welche einer Ladung durch die Behörde mit der Begründung, dass dies einen Verdienstentgang bedeuten würde, nicht Folge leistete, bestätigte am auf telefonischem Wege, dass der gegenständliche Apparat am geliefert und am in Betrieb genommen worden sei.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde den Beschwerdeführerinnen als Gesamtschuldner gemäß § 6 Abs. 4 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes 1987 (im Folgenden: VGSG) für das Halten eines Spielapparates der Type "Magic Card" im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin für den Monat Dezember 1997 Vergnügungssteuer im Betrag von S 18.000,-- (zuzüglich Verspätungszuschlag von S 1.800,-- und Säumniszuschlag von S 360,--) vorgeschrieben. Dies wurde damit begründet, dass der genannte Spielapparat bereits am im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin gehalten, aber erst am als Gerätetausch und Standortwechsel angemeldet worden sei. Die Steuerbegünstigung gemäß § 6 Abs. 8 VGSG könne nicht zur Anwendung kommen, weil die am bereits durchgeführte Aufstellung erst mit , somit verspätet, gemeldet worden sei. Die Beschwerdeführerinnen hätten den vorliegenden Sachverhalt in Frage gestellt, aber nicht bestritten. Auch hätten keine Unterlagen (Lieferscheine etc.) vorgelegt werden können, sodass die Vergnügungssteuer für den Apparat mit der StA 6241297001 für den Monat Dezember 1997 gemäß § 149 Abs. 2 WAO bescheidmäßig vorgeschrieben werde.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung und brachten vor, dass von ihnen niemals ein Spielapparat der Type "Magic Card" betrieben worden sei. Tatsächlich sei der Spielapparat der Type "Magic Card und Fruit Star Bonus" am angegebenen Standort betrieben und ordnungsgemäß am angezeigt worden. Eine Typenbezeichnung "Magic Card" sei unrichtig und unpräzise, da diese auch auf eine Vielzahl anderer Apparate wie beispielsweise "Magic Card Bingo Star" oder "Magic Card Star Bonus" zutreffen könne. Dies stelle keine gesetzlich ausreichende Individualisierung des Tatbestandsmerkmals dar.
In der Berufungsvorentscheidung wurde die Typenbezeichnung auf "Magic Card und Fruit Star Bonus" geändert und im Übrigen die Berufung als unbegründet abgewiesen. Aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides gehe unmissverständlich hervor, dass dieser Bescheid sich auf den von den Beschwerdeführerinnen angemeldeten Apparat beziehe. Eine Bezeichnung der Type wäre nicht erforderlich gewesen.
Die Beschwerdeführerinnen stellten den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachten dabei u. a. vor, dass nach den Verfahrensgrundsätzen des AVG, welche auch im gegenständlichen Verfahren anzuwenden seien, die erstinstanzliche Behörde angehalten gewesen wäre, die Erforschung der materiellen Wahrheit festzustellen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte in ihrer Begründung aus, dass auf Grund eines Berichtes eines Abgabenüberwachungsorgans feststünde, dass der gegenständliche Münzgewinnspielapparat am im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin funktions- und spielbereit für Dritte gehalten worden sei. Die Abgabenberufungskommission hege keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben, zumal diese von den Berufungswerbern auch durch keinerlei konkretes Vorbringen bestritten worden seien. Auf Grund des Akteninhaltes stehe fest, dass der gegenständliche Spielapparat am bei der Abgabenbehörde erster Instanz angemeldet worden sei. Dieses Anmeldedatum sei auch von den Beschwerdeführerinnen in der Berufung ausdrücklich bestätigt worden. Die Anmeldung sei somit erst 12 Tage nach Aufstellung des Apparates erfolgt, sodass die begünstigende Vorschrift des § 6 Abs. 8 VGSG nicht zur Anwendung habe gelangen können.
Gänzlich verfehlt seien die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen im Vorlageantrag, da im gegenständlichen Verfahren nicht das AVG, sondern die Wiener Abgabenordnung zur Anwendung gelange. Doch selbst wenn man unterstellte, dass der Grundsatz der amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit auch im Abgabenverfahren uneingeschränkt gelten würde, könnten die Ausführungen im Vorlageantrag keine anders lautende Entscheidung herbeiführen. Abgesehen davon, dass der Spielapparat im konkreten Fall durch Angabe der StA ohnedies ausreichend individualisiert gewesen sei, habe "es auf die bestehende Abgabenschuld keinen Einfluss, wenn der abgabenrechtlich relevante Sachverhalt durch Parteienvorbringen präzisiert" werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des VGSG lauten:
"§ 6. ...
...
(7) Wird ein angemeldeter Apparat innerhalb eines Kalendermonates gegen einen gleich oder niedriger besteuerten Apparat getauscht, so entsteht die Steuerpflicht für den neuen Apparat erst ab dem folgenden Kalendermonat, wenn die Anmeldung des neuen Apparates rechtzeitig (§ 14 Abs. 2) und spätestens gleichzeitig auch die Abmeldung des alten Apparates erfolgt.
(8) Wird ein angemeldeter Apparat innerhalb eines Kalendermonates auf einen anderen Aufstellungsort verbracht, so entsteht die Steuerpflicht am neuen Aufstellungsort erst ab dem folgenden Kalendermonat, wenn die Anmeldung am neuen Aufstellungsort rechtzeitig (§ 14 Abs. 2) und spätestens gleichzeitig auch die Abmeldung vom alten Aufstellungsort erfolgt.
...
§ 14. ...
(2) Das Halten von Apparaten ist spätestens einen Tag vor deren Aufstellung beim Magistrat anzumelden. Die Anmeldung haben alle Mitunternehmer (§ 13 Abs. 1) gemeinsam vorzunehmen und dabei auch den Mitunternehmer festzulegen, der die Zahlungen zu leisten hat.
..."
Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, der Spielapparat "Magic Card und Fruit Star Bonus" mit der StA 6241297001 sei bereits vor der Anzeige am , nämlich am , im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin funktions- und spielbereit für Dritte gehalten worden.
Hiezu ist festzustellen, dass es sich bei der Frage, ob der gegenständliche Apparat bereits am für Dritte spiel- und betriebsbereit gehalten worden ist, um eine Tatfrage handelt, die von der Abgabenbehörde in einem Akt der Beweiswürdigung zu lösen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/15/0005, m.w.N.).
Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet und nicht § 38 Abs. 2 VwGG anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen.
Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass vom Abgabenüberprüfungsorgan H anlässlich der Überprüfung am die Zeugin NK, Kellnerin im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin, befragt wurde und diese angegeben hat, dass der anlässlich der Begehung vorgefundene Spielapparat am aufgestellt und am 18. Dezember in Betrieb genommen worden sei. Diese Aussage der Zeugin findet ihre Deckung in den Angaben der Vergnügungssteuererklärung.
Die belangte Behörde hätte sich mit den Angaben "Gerätetausch" bzw. "Standortwechsel" in der Vergnügungssteuererklärung der beiden Beschwerdeführerinnen insofern auseinander setzen müssen, als es sich hier um widersprüchliche Angaben handelt. Überdies gehen die Beschwerdeführerinnen in ihrer Vergnügungssteuererklärung von einem Standortwechsel und Gerätetausch "zu Nr. 6220497002" aus. Nach der Aktenlage wies der am vorgefundene Spielapparat der Type "Magic Card und Fruit Star Bonus" die StA 6030797023 auf und ist bereits mit vom Standort Wien 3, Landstraßer Gürtel 19, abgemeldet worden.
Aus dieser Darstellung ergibt sich nicht, von welchem bestimmten Sachverhalt die belangte Behörde in Bezug auf die Nichtanwendung des § 6 Abs. 8 VGSG ausgegangen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Die Umrechnung der Stempelgebühr beruht auf § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | LAO Wr 1962 §128 Abs2; VergnügungssteuerG Wr 1987 §14 Abs2; VergnügungssteuerG Wr 1987 §6 Abs7; VergnügungssteuerG Wr 1987 §6 Abs8; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2002:1999150056.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-65965