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VwGH 21.09.2000, 99/06/0043

VwGH 21.09.2000, 99/06/0043

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs4;
ROG Tir 1997 §119 idF 1997/028;
ROG Tir 1997 §15 idF 1997/028;
ROG Tir 1997 §16 idF 1997/028;
VwRallg;
RS 1
Mit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ist die Zuständigkeit der Berufungsbehörde fixiert (Hinweis E , 95/18/0120, und E , 82/11/0358). In Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich nicht nur der Instanzenzug bei gleich bleibender Zuständigkeit der Behörde erster Instanz, sondern der Vollzugsbereich, in dem die Angelegenheit zu vollziehen ist, geändert hat, wurde mit der Entscheidung der Behörde erster Instanz nach der alten Rechtslage die Zuständigkeit der Berufungsbehörde fixiert. Diese Berufungsbehörde hat, nachdem sich die Rechtslage hinsichtlich des Vollzugsbereiches geändert hat, den bei ihr bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben (hier: es liegt somit die Zuständigkeit zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters im übertragenen Wirkungsbereich, die nach dem Tir ROG 1994 ergangen sind, nicht beim Gemeindevorstand, der nach der nunmehr geltenden Rechtslage bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Bürgermeisters im eigenen Wirkungsbereich zuständig wäre, sondern bei der Landesregierung, als jener Behörde, welche in dem Vollzugsbereich, in dem die erstinstanzliche Entscheidung ergangen ist, als Berufungsbehörde vorgesehen ist; mit ausführlicher Begründung).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 98/06/0166 E RS 1 (hier: Die Behörde hätte daher die Unzuständigkeit des auf Grund des Devolutionsantrages in zweiter Instanz entscheidenden Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde durch die Aufhebung des Berufungsbescheides wahrzunehmen gehabt)
Normen
ROG Tir 1984 §16a;
ROG Tir 1997 §16 Abs1;
RS 2
Zu dem zweiten Kriterium (in § 16 Abs 1 Tir ROG 1997) des sich auf Grund der Baubewilligung ergebenden Verwendungszweckes als Freizeitwohnsitz wird auf das E , 96/06/0018, verwiesen, in dem zu diesem Kriterium (nach dem in diesem Beschwerdefall anzuwendenden § 15 Abs 1 lit a Tir ROG 1994 in der Stammfassung) ausgesprochen wurde, dass es nicht erforderlich ist, dass die Verwendung als Freizeitwohnsitz in der Baubewilligung ausdrücklich angeführt ist. Es genügt vielmehr, dass die Baubewilligung die Verwendung als Freizeitwohnsitz mitumfasst. Die Baubewilligung muss im Zusammenhalt mit den im Zeitpunkt der Erlassung der Baubewilligung geltenden raumordnungsrechtlichen Bestimmungen ausgelegt werden. Nach dem bereits im Jahr der Erlassung des Baubewilligungsbescheides 1977 geltenden § 16a Tir ROG 1972 in der Fassung der Novelle LGBl Nr 1973/70 war lediglich die Errichtung von mehr als drei Wohnungen, die als Aufenthalt während der Ferien, des Urlaubes oder nur zeitweilig als Zweitwohnung benützt werden sollten, wenn keine entsprechende Widmung vorlag, in einem Gebäude verboten. Aus dieser raumordnungsrechtlichen Regelung kann aber kein Verbot einer Freizeitwohnsitznutzung für jeweils drei (von mehreren) Wohnungen in einem Gebäude in einer Baubewilligung, mit der ein Wohnhaus mit (mehr als drei) Wohnungen im Jahr 1977 bewilligt wurde, abgeleitet werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 98/06/0135 E RS 3 (hier: Im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung im Jahre 1986 stand § 16a Tir ROG 1984 in Geltung)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-554-116/1-4, betreffend Feststellung über die weitere Verwendung einer Wohnung als Freizeitwohnsitz gemäß § 16 Abs. 3 Tir. Raumordnungsgesetz 1997 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Kitzbühel, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben des Beschwerdeführers vom (eingelangt beim Stadtamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde am ) meldete der Beschwerdeführer die Wohnung Top 2 in einem insgesamt aus 3 Wohnungen bestehenden Gebäude an der näher angeführten Adresse gemäß § 16 Abs. 1 Tir. Raumordnungsgesetz 1994 an. Sein Sohn E. habe zwar in dieser Wohnung seinen ordentlichen Wohnsitz, von der übrigen Familie des Beschwerdeführers werde diese Wohnung aber seit ihrer Kollaudierung als Freizeitwohnsitz genutzt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde festgestellt, dass der angeführte Wohnsitz vom Beschwerdeführer nicht weiter als Freizeitwohnsitz verwendet werden dürfe. Das vorliegende Wohnhaus mit drei Wohnungen sei mit Bescheid vom baurechtlich bewilligt worden. Die Wohnung Top 2 im Erdgeschoß befinde sich im Eigentum des Beschwerdeführers. Aus der Baubewilligung ergebe sich der Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz nicht. Nach der Meldebestätigung des Meldeamtes hätten sowohl der Beschwerdeführer als auch B.F. und E.F. diese Wohnung am als Hauptwohnsitz bewohnt.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers vom November 1996 wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom unter Verweis auf die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle (LGBl. Nr. 28/1997) zum Tir. Raumordnungsgesetz 1997, an die Gemeindebehörden verwiesen. Nach Art. II Abs. 2 dieser Novelle seien anhängige Verfahren nach § 15 Abs. 3 und § 16 Abs. 3 Tir. Raumordnungsgesetz 1997 im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden fortzusetzen. Auf Grund eines Devolutionsantrages des Beschwerdeführers an den Gemeinderat ging die Zuständigkeit zur Entscheidung vom Stadtrat auf den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde über, der die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet abwies.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass, da sich aus der Baubewilligung für das gegenständliche Gebäude unstrittig der Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz nicht ergebe, für das weitere Verfahren entscheidungswesentlich sei, ob der Wohnsitz am als Freizeitwohnsitz verwendet worden sei oder nicht. Die Freizeitwohnsitzeigenschaft sei ausschließlich von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen abhängig. Es reiche daher das Vorliegen einer Anmeldung eines ordentlichen Wohnsitzes nicht aus, um eine Freizeitwohnsitzeigenschaft von vornherein auszuschließen. Aus dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom ergebe sich jedoch eindeutig, dass die vorliegende Wohnung zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes des Sohnes des Beschwerdeführers diene. Dies habe der Beschwerdeführer auch in seiner Vorstellung bestätigt. Gemäß der Definition des Freizeitwohnsitzes gemäß § 15 Abs. 1 Tir. Raumordnungsgesetz sei es nicht möglich, dass dieselbe Wohnung gleichzeitig als ordentlicher Wohnsitz bzw. als Freizeitwohnsitz im Sinne dieser Bestimmung verwendet werde.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der Bürgermeister in erster Instanz gemäß dem Tir. Raumordnungsgesetz 1994 im übertragenen Wirkungsbereich entschieden hat (siehe § 16 i.V.m. § 118 leg. cit.), lag die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung bei der Landesregierung als jener Behörde, die in dem Vollzugsbereich, in dem die erstinstanzliche Entscheidung ergangen ist, als Berufungsbehörde vorgesehen ist. Daran ändert nichts, dass gemäß § 16 i.V.m. § 119 Tir. Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 10 i.d.F. LGBl. Nr. 28/1997, die Vollziehung der Feststellung der weiteren Verwendung u.a. einer Wohnung als Freizeitwohnsitz nunmehr in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt. Auch der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Art. II Abs. 2 der Novelle des Tir. Raumordnungsgesetzes 1997, LGBl. Nr. 28, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle anhängiges Verfahren nach § 15 Abs. 3 und § 16 Abs. 3 Tir. Raumordnungsgesetz 1997 handelt, das nach dieser gesetzlichen Anordnung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fortzusetzen ist. Diese Übergangsbestimmung bezieht sich gerade nicht auf Verfahren, die bereits vor dem Inkrafttreten des Tir. Raumordnungsgesetzes 1997 gemäß dem Tir. Raumordnungsgesetz 1994 anhängig waren. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass von dieser Bestimmung auch die gemäß Tir. Raumordnungsgesetz 1994 diesbezüglich anhängigen Verfahren erfasst wären, gebietet eine verfassungskonforme Auslegung im Lichte der Regelungen des Art. 119 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 118 Abs. 4 B-VG, wonach es im Bereich des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde nach dem in erster Instanz zuständigen Bürgermeister einen Instanzzug an die Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde gibt, dass die Anordnung des Art. II Abs. 2 der angeführten Novelle nur für Fälle gilt, in denen der Bürgermeister in erster Instanz noch nicht entschieden hat. Die belangte Behörde hätte daher die Unzuständigkeit des auf Grund des angeführten Devolutionsantrages in zweiter Instanz entscheidenden Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde durch die Aufhebung des Berufungsbescheides wahrzunehmen gehabt. Zur näheren Begründung der aufgezeigten Rechtswidrigkeit kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0166, verwiesen werden.

In Bezug auf das fortgesetzte Verfahren wird auf die hg. Judikatur verwiesen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/06/0135, und vom selben Tag, Zl. 98/06/0232), nach der es im Hinblick auf das Kriterium des sich auf Grund der Baubewilligung ergebenden Verwendungszweckes als Freizeitwohnsitz genügt, dass in dem bewilligten Verwendungszweck die Verwendung als Freizeitwohnsitz mitumfasst ist. Auch im Zeitpunkt der Erteilung der vorliegenden Baubewilligung im Jahre 1986 stand eine raumordnungsrechtliche Regelung (§ 16a Tir. Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. Nr. 4/1984) in Geltung, die lediglich die Errichtung von mehr als drei Wohnungen in einem Gebäude, die als Aufenthalt während der Ferien, des Urlaubes oder nur zeitweilig als Zweitwohnung benützt werden sollten, verbot, wenn keine entsprechende Widmung vorlag. Auch aus der vorliegenden Baubewilligung aus dem Jahre 1986 ist im Lichte dieser raumordnungsrechtlichen Regelung für die drei Wohnungen in dem verfahrensgegenständlichen Gebäude (u.a. die verfahrensgegenständliche Top 2) zu schließen, dass in dem bewilligten Verwendungszweck als Wohnung auch die Verwendung als Freizeitwohnsitz mitenthalten ist. Es wird somit im fortgesetzten Verfahren davon auszugehen sein, dass sich im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. a Tir. Raumordnungsgesetz 1997 i.d.F. der angeführten Novelle der Verwendungszweck der verfahrensgegenständlichen Wohnung als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung ergibt.

Da die belangte Behörde die aufgezeigte Unzuständigkeit der Berufungsbehörde nicht aufgegriffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

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Normen
AVG §1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs4;
ROG Tir 1984 §16a;
ROG Tir 1997 §119 idF 1997/028;
ROG Tir 1997 §15 idF 1997/028;
ROG Tir 1997 §16 Abs1;
ROG Tir 1997 §16 idF 1997/028;
VwRallg;
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2
Änderung der Zuständigkeit
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2000:1999060043.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-65888