VwGH 29.04.2002, 99/03/0070
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | AlVG 1977 §12 Abs3 liti; |
RS 1 | Voraussetzung für die Anwendung von § 12 Abs. 3 lit. i AlVG ist, dass eine "neue" Beschäftigung beim selben Dienstgeber aufgenommen wird. Die "Aufnahme einer Beschäftigung" hat aber zumindest eine Änderung des Dienstverhältnisses zur Voraussetzung. |
Normen | |
RS 2 | Der in § 12 Abs. 3 lit. i AlVG enthaltene Verweis auf § 5 Abs. 2 ASVG zeigt, dass es nicht nur auf die Höhe des erzielten Einkommens ankommt, sondern dass insbesondere auch maßgeblich ist, für welchen Zeitraum die Beschäftigung "vereinbart" wurde (Hinweis E , 89/08/0142). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des JD in Wien, vertreten durch Dr. Markus Heidinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1998-393, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wurde das dem Beschwerdeführer gewährte Arbeitslosengeld von der belangten Behörde gemäß dem § 12 Abs. 3 lit. a und lit. i und § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 609/1977, (AlVG), für den Zeitraum vom bis zum widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 22.418,-- verpflichtet.
Begründend führte die belangte Behörde aus, laut Auskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sei der Beschwerdeführer vom bis einschließlich in einem der Vollversicherungspflicht unterliegenden Dienstverhältnis zur S GmbH gestanden, vom 1. September bis einschließlich sei der Beschwerdeführer bei diesem Dienstgeber geringfügig beschäftigt gewesen. Laut Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse sei von der S GmbH bei der Anmeldung des Dienstverhältnisses für die Zeit vom bis einschließlich ein Bruttolohn von S 756,-- gemeldet worden. Dieser Betrag scheine ungerundet auch in der vom Beschwerdeführer vorgelegten Lohnbescheinigung vom auf. Geteilt durch sechs Arbeitstage entspreche dies einem Tageslohn von S 126,--. Auf Grund der Tatsache, dass dieser Bruttolohn über einem Dreißigstel der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze aus 1997 von S 3.740,--, also täglich S 124,67, liege, sei von der Wiener Gebietskrankenkasse festgestellt worden, dass die Beschäftigung des Beschwerdeführers in der Zeit vom bis einschließlich der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG unterliege. Ab dem sei der Beschwerdeführer unbestritten bei der S GmbH geringfügig beschäftigt gewesen.
Das für die Zeit vom bis einschließlich zuerkannte Arbeitslosengeld sei demnach gemäß § 12 Abs. 3 lit. a und § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen. Der Widerruf der für die Zeit vom bis einschließlich zuerkannten Leistung gründe sich auf die §§ 12 Abs. 3 lit. i in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG. Eine (rechtzeitige) Meldung des Dienstverhältnisses bei der Firma S sei nicht erfolgt. Das Dienstverhältnis ab dem sei dem Arbeitsmarktservice durch eine Mitteilung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger vom bekannt geworden. Im Leistungsantrag vom 26. August, den der Beschwerdeführer am beim zuständigen Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste eingebracht habe, sei von ihm eine laufende Beschäftigung verneint worden. Das für die Zeit vom bis einschließlich überwiesene Arbeitslosengeld sei somit gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückzufordern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 12 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a und lit. i sowie Abs. 6 lit. a AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des BGBl. I Nr. 47/1997 lauten:
"§ 12. ...
(1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
...
...
(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
a) wer in einem Dienstverhältnis steht;
...
i) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.
...
(6) Als arbeitslos gilt jedoch,
a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt,
..."
§ 24 Abs. 2 AlVG lautet:
"§ 24. (2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen."
§ 25 Abs. 1 AlVG lautet:
"§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. ..."
Die maßgeblichen Bestimmungen aus § 5 Abs. 2 ASVG idF BGBl. I Nr. 47/1997 lauten:
"§ 5. (2) Eine Beschäftigung gilt als geringfügig im Sinne des Abs. 1 Z 2,
a) wenn sie für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist und dem Dienstnehmer für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 173 S gebührt, .....
b) wenn sie für mindestens eine Woche oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und dem Dienstnehmer ohne Rücksicht auf die Zahl der Arbeitstage als wöchentliches Entgelt höchstens 520 S oder als monatliches Entgelt höchstens 2 261 S gebührt,
c) ...
Als geringfügig gilt ferner nicht eine auf unbestimmte Zeit vereinbarte Beschäftigung, wenn das daraus gebührende Entgelt nur deshalb mehr als 2 261 S in einem Monat oder 520 S in einer Woche beträgt, weil die Beschäftigung im Laufe des betreffenden Monates oder der betreffenden Woche begonnen hat, geendet hat oder unterbrochen wurde. An die Stelle dieser Beträge treten ab Beginn eines jeden Beitragsjahres (§ 242 Abs. 6) die unter Bedachtnahme auf § 108 Abs. 9 mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§ 108a Abs. 1) vervielfachten Beträge.
Zum Betrag 173 S:
...
Kalenderjahr 1997: 287 S (Kdm. BGBl. Nr. 732/1996)
...
Zum Betrag 520 S:
...
Kalenderjahr 1997: 859 S (Kdm. BGBl. Nr. 732/1996)
Zum Betrag 2 261 S:
...
Kalenderjahr 1997: 3 740 S (Kdm. BGBl. Nr. 732/1996)"
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe bereits am bei der S GmbH eine geringfügige Beschäftigung als Gebäudereiniger aufgenommen. Als Bruttostundenlohn sei ein Betrag von S 75,55 vereinbart worden, als wöchentliche Arbeitszeit 10 Stunden. Die belangte Behörde habe nur auf Grund der Meldung der Sozialversicherungsträger angenommen, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum mit der S GmbH in zwei getrennten Dienstverhältnissen gestanden wäre. In Wahrheit sei seiner Beschäftigung während dieser Zeit nur der oben dargestellte einheitliche Dienstvertrag zu Grunde gelegen, der auf Grund der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden und des vereinbarten Stundenlohns von S 75,55 als geringfügige Beschäftigung zu qualifizieren sei. In seinem Fall sei eine auf unbestimmte Zeit vereinbarte Beschäftigung gemäß § 5 Abs. 2 lit. b ASVG vorgelegen, wobei bei einer Arbeitszeit von 10 Wochenstunden und einem Stundenlohn von S 75,55 weder die in dieser Bestimmung genannte Wochengrenze von S 859,-- noch die Monatsgrenze von S 3.740,-- erreicht worden sei. Es liege daher ein Entgelt vor, das im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des ASVG angeführten Beträge nicht übersteige, weshalb er nach dieser Bestimmung des AlVG während des gesamten Zeitraumes arbeitslos gewesen sei und daher zu Recht Arbeitslosengeld bezogen habe. Die von der belangten Behörde gepflogene Vorgangsweise sei rechtswidrig, den vom Beschwerdeführer für die Zeit vom bis bezogenen Lohn durch die Anzahl der Tage zu teilen und mit dem Dreißigstel der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze zu vergleichen; dies sei auch auf der Grundlage des vorletzten Satzes des § 5 Abs. 2 ASVG nicht zulässig, denn in seinem Fall hätte (abgesehen vom Vorgesagten) auch dann der ihm im Monat August 1997 bzw. der Woche vom bis zum gebührende Lohn die genannten Grenzen nicht erreicht, wenn er den ganzen Monat August bzw. die ganze genannte Woche bei der S GmbH beschäftigt gewesen wäre. Bloß weil er in den sechs Tagen seiner Beschäftigung bei der S GmbH, die in dem Monat August fielen, insgesamt 10 Stunden gearbeitet und daher S 755,50 verdient habe, sei es nicht rechtens, diesen Zeitraum vom weiteren Beschäftigungsverhältnis abzutrennen und eine nicht geringfügige Beschäftigung anzunehmen. Er sei daher während der gesamten in Rede stehenden Zeit geringfügig beschäftigt gewesen und habe gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG zu Recht Arbeitslosengeld bezogen.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.
Für die Frage, ob die vom Beschwerdeführer im hier in Rede stehenden Zeitraum vom 26. August bis bezogenen Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu Recht widerrufen wurden, ist zunächst maßgebend, in welchem Umfang in diesem Zeitraum eine Beschäftigung des Beschwerdeführers vorlag. Für diese Beurteilung reichen die von der belangten Behörde auf Grund einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung getroffenen Feststellungen nicht aus.
Die belangte Behörde "teilte" das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers bei der Firma S in einen Abschnitt vom 26. August bis und in einen weiteren vom an (hier bis ) und nahm allein aus dem Grund, dass das Entgelt, das der Beschwerdeführer für seine Arbeit im ersten Zeitraum erhalten hatte, geteilt durch die sechs Tage, höher gewesen sei, als der dreißigste Teil der monatlichen Höchstgrenze für ein geringfügiges Einkommen im Jahr 1997 an, der Beschwerdeführer sei in dieser Zeit nicht geringfügig beschäftigt gewesen.
Die belangte Behörde ging ferner von der Anwendbarkeit des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG aus, wonach im Sinne der Abs 1 und 2 nicht als arbeitslos gelte, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.
Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass eine "neue" Beschäftigung beim selben Dienstgeber aufgenommen wird. Die "Aufnahme einer Beschäftigung" hat aber zumindest eine Änderung des Dienstverhältnisses zur Voraussetzung. Der angefochtene Bescheid enthält jedoch keinerlei konkrete und nachvollziehbare Feststellungen, wann und in welcher Art und Weise, in welchem Umfang und in welcher Dauer das Dienstverhältnis mit dem Beschwerdeführer eingegangen wurde und insbesondere darüber, dass sich am Dienstverhältnis des Beschwerdeführers ab dem etwas geändert hätte. Wie der von der belangten Behörde selbst erwähnte Verweis auf § 5 Abs 2 ASVG zeigt, kommt es nicht nur auf die Höhe des vom Beschwerdeführer erzielten Einkommens an, sondern es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0142) insbesondere auch maßgeblich, für welchen Zeitraum die Beschäftigung "vereinbart" wurde. Daher kommt es auch im vorliegenden Fall darauf an, welchen Inhalt die Vereinbarungen hatten, die zur Beschäftigung des Beschwerdeführers führten. Das hat die belangte Behörde verkannt und diesbezüglich rechtserhebliche Feststellungen zu treffen unterlassen. Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2002:1999030070.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-65868