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VwGH 26.11.1998, 98/16/0120

VwGH 26.11.1998, 98/16/0120

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
RS 1
Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen (Hinweis E , 2073, 2074/75, VwSlg 9040 A/1976). Wird in der Kanzlei des Rechtsanwaltes die sofortige Überprüfung von Fristen und Terminen eingelangter Schriftstücke von einer - wenn auch verläßlichen und umsichtigen - Kanzleiangestellten vorgenommen, entspricht dies nicht der geschilderten, vom VwGH geforderten Vorgangsweise eines Parteienvertreters, nach der die Festsetzung der Fristen und die Anordnung ihrer Vormerkung allein in die Verantwortung des Rechtsanwaltes fällt. Bei dieser Sachlage kann daher nicht davon gesprochen werden, daß auf Seiten des Rechtsanwaltes nur ein minderer Grad des Versehens, das dem Bf zuzurechnen wäre, vorliegt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1994/06/28 94/05/0111 1 (hier nur erster und zweiter Satz)
Norm
VwGG §46 Abs1;
RS 2
Hat der Verfahrenshelfer den von ihm ausgewählten Substituten nicht mit der Einbringung des die Beschwerde ergänzenden Schriftsatzes, sondern vielmehr damit beauftragt, den von ihm ausgearbeiteten Schriftsatz an ihn (zur Einreichung beim VwGH) zu übermitteln, so folgt daraus, daß der Verfahrenshelfer selbst die zur Wahrung der in Rede stehenden Frist notwendigen Vorkehrungen in der Organisation seines Kanzleibetriebes zu treffen hatte. Hingegen kam es auf die Frage, auf welche Weise für die Einhaltung der Frist seitens des Substituten vorgesorgt worden ist, nicht an, weil dies nur das Innenverhältnis zwischen dem Verfahrenshelfer und seinem Substituten betreffen konnte.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

98/16/0177

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, in der Beschwerdesache des O in B, vertreten durch Dr. Johannes Bruck, Rechtsanwalt in Groß-Enzersdorf, Kaiser Franz-Josef-Straße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. ZRV 1/1-3/1998/H, betreffend Eingangsabgaben, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung der Mängel der Beschwerde wird nicht stattgegeben.

2. Das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

Mit Schriftsatz vom erhob der - zu diesem Zeitpunkt nicht von einem Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführer - Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. ZRV 1/1-3/1998/H, betreffend Feststellung der Entstehung einer Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes. Dem gleichzeitig eingebrachten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde mit hg. Beschluß vom , Zl. 98/16/0120-2, Folge gegeben. Mit dem weiteren hg. Beschluß vom , Zl. 98/16/0120-3, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die dem Beschwerdeschriftsatz anhaftenden Mängel zu beheben.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Niederösterreich vom wurde Dr. Rudolf R., Rechtsanwalt in B., zum Verfahrenshelfer bestellt. Mit Note vom des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich wurde dem Gerichtshof zur Kenntnis gebracht, daß auf Ersuchen des Dr. Rudolf R. an dessen Stelle Dr. Johannes B., Rechtsanwalt in G., bestellt worden sei.

Der Beschwerdeführer brachte sodann durch seinen nunmehr bestellten Verfahrenshelfer am einen Schriftsatz ein, mit dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der im Mängelbehebungsauftrag gesetzten vierwöchigen Frist begehrt wurde. Gleichzeitig wurde unter Bezeichnung "ergänzender Schriftsatz" "Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften" erhoben.

In diesem Antrag um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde ausgeführt, der Beschluß der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich über die Umbestellung des Verfahrenshelfers sei dem nunmehrigen Verfahrenshelfer am zugestellt worden. Der neu bestellte Verfahrenshelfer habe die Ausführung des ergänzenden Schriftsatzes am an Dr. Andreas G., Rechtsanwalt in W., mit dem Ersuchen substituiert, den ausgearbeiteten Schriftsatz zur Einbringung an ihn zu retournieren. Durch ein Versehen in der Kanzlei des Substituten sei die Frist zur Behebung der angeführten Mängel ab Zustellung des Bestellungsbescheides an den nunmehrigen Verfahrenshelfer vom nicht mit vier Wochen, sondern falsch mit sechs Wochen berechnet und das Ende der Frist unrichtig mit eingetragen worden. Dr. Andreas G. habe an die zuständige Kanzleikraft Bettina K. die ausdrückliche Weisung erteilt, eine vierwöchige Frist ab Zustellung des Umbestellungsbescheides vorzumerken. Diese habe aber infolge eines Hörfehlers eine sechswöchige Frist in das Fristenbuch eingetragen. Das Versehen in der Kanzlei Dris. Andreas G. stelle ein für den Beschwerdeführer unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß die Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Trifft den Vertreter einer Partei ein Verschulden an der Versäumung der Frist, so ist dieses der Partei zuzurechnen. Für die richtige Beachtung einer von der Partei zu wahrenden Frist ist in einer Rechtsanwaltskanzlei grundsätzlich immer der Anwalt selbst verantwortlich. Denn er selbst wird die entsprechende Frist festsetzen, ihre Vormerkung anordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht überwachen müssen. Tut der Anwalt das nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, so trifft ihn ein Verschulden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.

Im vorliegenden Fall hat der Verfahrenshelfer den von ihm ausgewählten Substituten nicht mit der Einbringung des die Beschwerde ergänzenden Schriftsatzes, sondern vielmehr damit beauftragt, den von ihm ausgearbeiteten Schriftsatz an ihn (zur Einreichung beim Verwaltungsgerichtshof) zu übermitteln. Daraus folgt aber, daß der Verfahrenshelfer selbst die zur Wahrung der in Rede stehenden Frist notwendigen Vorkehrungen in der Organisation seines Kanzleibetriebes zu treffen hatte. Hingegen kam es auf die Frage, auf welche Weise für die Einhaltung der Frist seitens des Substituten vorgesorgt worden ist, gar nicht an, weil dies nur das Innenverhältnis zwischen dem Verfahrenshelfer und seinem Substituten betreffen konnte. Daß der Verfahrenshelfer aber in seinem Betrieb eine entsprechende Vormerkung der hier maßgeblichen Frist angeordnet und die Vormerkung in geeigneter Weise überwacht hat, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal behauptet. Da somit nicht erkennbar ist, daß der den Beschwerdeführer vertretende Anwalt für die richtige Beachtung der Frist zur Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages gesorgt hätte, war von einem über den minderen Grad des Versehens hinausgehenden Verschulden auszugehen. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor.

Daraus folgt weiters, daß die mit hg. Verfügung vom , Zl. 98/16/0120-3, gesetzte Frist zur Behebung der Mängel der Beschwerde versäumt wurde. Das Verfahren über die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1998:1998160120.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-65827