VwGH 17.03.1999, 98/13/0088
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | 11992E177 EGV Art177; 11997E234 EG Art234 impl; 31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art10; 31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art12 Abs1 lite; 61978CJ0132 Sarl Denkavit VORAB; 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB; 61991CJ0071 Ponente Carni VORAB; 61994CJ0287 Frederiksen VORAB; 61995CJ0188 Fantask A/S VORAB; EStG 1988 §45; KStG 1988 §1 Abs1; KStG 1988 §1 Abs2; KStG 1988 §22 Abs1; KStG 1988 §24 Abs4 idF 1994/680; KStG 1988 §26a idF 1997/I/070; KStG 1988 §4 Abs1; KStG 1988 §4 Abs2; KStG 1988 §7 Abs1; KStG 1988 §7 Abs2; KVG 1934 §8 idF 1994/629 ; VwGG §38a; |
RS 1 | Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Steht Art 10 der RL des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) im Jahr 1996 der Erhebung einer Abgabe gem der Bestimmung des § 24 Abs 4 Körperschaftsteuergesetz 1988 - KStG 1988 - idF des Bundesgesetzes BGBl Nr 1994/680 entgegen? |
Entscheidungstext
Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:
* EU-Register: EU 99/0016
* EuGH-Zahl: C-113/99 Schmid
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 61999CJ0113
* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im
fortgesetzten Verfahren:
2001/13/0030 E VwSlg 7593 F/2001 Besprechung in:
in ecolex 1999, S. 433;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, in der Beschwerdesache der Dr. H in W, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P GmbH i.L. in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IIIA, 1031 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, vom , GZ. GA RV/189-11/02/97, betreffend Körperschaftsteuer 1996, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 10 der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) im Jahr 1996 der Erhebung einer Abgabe gemäß der Bestimmung des § 24 Abs. 4
Körperschaftsteuergesetz 1988 - KStG 1988 - i.d.F. des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt - BGBl. - Nr. 680/1994 entgegen?
Nach dieser Bestimmung haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht unabhängig von ihrem tatsächlichen Einkommen eine Mindeststeuer von 3.750 S zu entrichten. Diese Mindeststeuer ist in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung im Ausmaß einer im Veranlagungszeitraum oder in folgenden Veranlagungszeiträumen entstehenden tatsächlichen Körperschaftsteuerschuld anzurechnen. Diese Anrechnung erfolgt nur insoweit, als die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld die sich für den Veranlagungszeitraum ergebende Mindeststeuer übersteigt.
Begründung
Sachverhalt
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der P Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Liquidation für das Jahr 1996 15.000 S an Körperschaftsteuer vorgeschrieben, obwohl diese Gesellschaft in diesem Jahr kein Einkommen erzielt hatte. Über das Vermögen der Gesellschaft war am der Konkurs eröffnet und mit Bestellungsurkunde vom die beschwerdeführende Rechtsanwältin zum Masseverwalter bestellt worden.
Die Beschwerde vom 21. (22). Jänner 1998 gegen den angefochtenen Bescheid richtete sich zunächst an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluß vom , B 207/98-4, an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. In der ergänzenden Beschwerdeschrift vom wird (wie schon in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof) unter anderem die Ansicht vertreten, die Vorschreibung der Körperschaftsteuer stehe nicht mit Art. 10 der Richtlinie 69/335/EWG im Einklang.
Einschlägige nationale Vorschriften Körperschaftsteuerpflichtig sind nur Körperschaften (§ 1 Abs. 1 KStG 1988).
Unbeschränkt steuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 2 KStG 1988 Körperschaften, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben. Als Körperschaften gelten juristische Personen des privaten Rechts (zu diesen zählen unter anderem die Gesellschaften mit beschränkter Haftung), Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 2) und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen (§ 3). Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte im Sinne des § 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 - EStG 1988.
Gemäß § 4 Abs 1 KStG 1988 sind juristische Personen des privaten Rechts ab jenem Zeitpunkt steuerpflichtig, in dem die Rechtsgrundlage wie Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Stiftungsbrief festgestellt ist und sie erstmalig nach außen in Erscheinung treten.
Körperschaften im Sinne des § 1 Abs 2 KStG 1988 sind gemäß § 4 Abs 2 KStG 1988 bis zu jenem Zeitpunkt steuerpflichtig, in dem die Rechtspersönlichkeit untergeht, jedenfalls bis zu jenem Zeitpunkt, in dem das gesamte Vermögen auf andere übergegangen ist.
Nach § 7 Abs 1 KStG 1988 ist der Körperschaftsteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.
Einkommen ist nach der für den Streitzeitraum geltenden Fassung des § 7 Abs 2 KStG 1988 der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 8 Abs. 4), der Sanierungsgewinne (§ 23 Z. 1) sowie des Freibetrages für begünstigte Zwecke (§ 23 Z 2). Wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem EStG 1988 und dem KStG 1988.
Gemäß § 22 Abs. 1 KStG 1988 beträgt die Körperschaftsteuer 34 % vom Einkommen (§ 7 Abs. 2).
Der mit Erhebung der Steuer überschriebene § 24 KStG 1988 hatte in der im Streitzeitraum anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 694/1993 folgenden Wortlaut:
"§ 24. (1) Die Körperschaftsteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen oder dem Gesamtbetrag der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger im Sinne des § 21 Abs 1 und 3 veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat.
(2) Die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, gilt bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten, außer es ergibt sich aus den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988, daß eine Veranlagung zu erfolgen hat.
(3) Die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 über die Veranlagung und die Entrichtung der Steuer sind entsprechend anzuwenden."
Durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 818/1993 wurde der genannten Bestimmung des § 24 KStG 1988 ein vierter Absatz angefügt, welcher in der (im Streitzeitraum anzuwendenden) Fassung der Novelle BGBl Nr 680/1994 wie folgt lautete:
"(4) Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften - ausgenommen Organgesellschaften im Sinne des § 9 Abs 2 - haben für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer von 3.750 S zu entrichten. Die Mindeststeuer ist in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung im Sinne des § 45 des Einkommensteuergesetzes 1988 im Ausmaß einer im Veranlagungszeitraum oder in den folgenden sieben Veranlagungszeiträumen entstehenden tatsächlichen Körperschaftsteuerschuld insoweit anzurechnen, als die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld die sich nach dem ersten Satz für diesen Veranlagungszeitraum ergebende Mindeststeuer übersteigt."
Dieser vierte Absatz erhielt durch die Novelle BGBl. Nr. 201/1996 eine ab dem Jahr 1996 geänderte Fassung, welche wie folgt lautete:
"(4) Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften - ausgenommen Organgesellschaften im Sinne des § 9 Abs 2 - haben für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer von 12.500 S zu entrichten. Die Mindeststeuer ist in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung im Sinne des § 45 des Einkommensteuergesetzes 1988 im Ausmaß einer im Veranlagungsjahr oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen entstehenden tatsächlichen Körperschaftsteuerschuld insoweit anzurechnen, als die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld den sich nach dem ersten Satz für diesen Veranlagungszeitraum ergebenden Betrag übersteigt."
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 388-391/96-13, wurde § 24 Abs 4 KStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß mit Wirkung vom § 24 Abs 4 KStG 1988 wieder in der Fassung BGBl. Nr. 680/1994 in Kraft tritt.
Im Streitzeitraum 1996 ist somit § 24 Abs 4 KStG 1988 in der Fassung des oben zitierten BGBl 680/1994 anzuwenden. Nach § 26a Abs 5 KStG 1988 in der Fassung BGBL I Nr. 70/1997 entfällt jedoch für in den Jahren 1994 bis 1996 zu entrichtende Mindeststeuerbeträge die nach § 24 Abs 4 KStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 680/1994 vorgesehene Beschränkung auf eine Verrechnungsfrist von sieben Jahren.
Voraussetzung der Vorlage
Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art 177 Abs 3 EG-Vertrag, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Urteil vom , Rs 283/81, C.I.L.F.I.T., Sammlung 1982, 3415, ausgesprochen hat, hat ein Gericht im Sinne des Art. 177 Abs 3 EG-Vertrag, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht stellt, diese dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzulegen, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt". Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften führt zum Fehlen vernünftiger Zweifel aus, das innerstaatliche Gericht dürfe nur dann davon ausgehen, daß ein solcher Fall für das Gericht vorliege, "wenn es überzeugt ist, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde". Eine derartige Gewißheit besteht für den Verwaltungsgerichtshof hier nicht (siehe dazu unten).
Erläuterungen zur Vorlagefrage
§ 24 Abs 4 KStG 1988 normiert eine von einer Einkommenserzielung unabhängige Verpflichtung, eine wie eine Steuervorauszahlung zu behandelnde Mindeststeuer (in der Folge: Mindestkörperschaftsteuer) zu entrichten. Sie ist als Vorauszahlung im Sinne des § 45 EStG 1988 ausgestaltet, die auf die tatsächliche Steuerschuld des Veranlagungszeitraumes und der folgenden Veranlagungszeiträume angerechnet wird (vergleiche Wiesner, Die Mindestkörperschaftsteuer, RdW 1995, 116). Die Entrichtung der vorgeschriebenen Mindestkörperschaftsteuer setzt die Erzielung eines körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens nicht voraus. Für unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaften, denen die Auswirkung der Anrechnungsregelung des § 24 Abs 4 KStG 1988 mangels Entstehens einer tatsächlichen Körperschaftsteuerschuld im Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen nicht zugute kommt, hat § 24 Abs 4 KStG 1988 im Ergebnis einen Steuertatbestand eigener Art geschaffen. Dieser knüpft als Rechtsfolge allein an die Eigenschaft als unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft an (vergleiche das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/13/0101). Die Mindestkörperschaftsteuer trifft die Kapitalgesellschaft auch im Konkurs bis zu ihrer Vollbeendigung. Vollbeendigung liegt - ungeachtet einer allfälligen früheren Löschung im Firmenbuch - vor, wenn kein Abwicklungsbedarf mehr gegeben ist (vergleiche das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0016).
Die Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern betreffend die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG (in der Folge: Richtlinie), will den freien Kapitalverkehr fördern, der als wesentliche Voraussetzung für die Schaffung einer Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt angesehen wird. Die Verfolgung dieses Zieles setzt hinsichtlich der Steuern auf die Ansammlung von Kapital voraus, daß die in den Mitgliedstaaten bisher geltenden indirekten Steuern aufgehoben und durch eine innerhalb des gemeinsamen Marktes nur einmal und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Höhe erhobene Steuer ersetzt werden. Die indirekten Steuern, welche die gleichen Merkmale aufweisen wie eine Gesellschaftsteuer, unterliegen dem Verbot des Artikels 10 der Richtlinie. Es ist die Erhebung von Steuern verboten, die unabhängig von ihrer Form wegen der Gründung einer Kapitalgesellschaft (Buchstabe a) zu entrichten sind oder im Hinblick auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (Buchstabe c), anfallen. Könnten die Mitgliedstaaten eine andere Steuer als die Gesellschaftsteuer einführen, die von den Kapitalgesellschaften bei der Erfüllung einer der für ihre Gründung wesentlichen Formalitäten erhoben würde, und deren Umfang überdies nicht durch das Gemeinschaftsrecht begrenzt wäre, wären die von der Richtlinie verfolgten Ziele gefährdet (siehe beispielsweise das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Rs C-71/91 und C-178/91, Ponente Carni und Cispadana Costruzioni, Sammlung 1993, I - 1915).
Artikel 12 Abs 1 der Richtlinie enthält eine abschließende Liste der Steuern oder Abgaben, die keine Gesellschaftsteuer sind und die in Abweichung von den Artikeln 10 und 11 von Kapitalgesellschaften im Zusammenhang mit den in den Artikeln 10 und 11 genannten Vorgängen erhoben werden können (siehe das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Rs C-188/95, Fantask, Sammlung 1997, I - 6783).
Das Ausgangsverfahren betrifft eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach österreichischem Recht (Gesetz vom über Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Nach den Bestimmungen des österreichischen Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 629/1994 unterliegen Kapitalzuführungen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung der Gesellschaftsteuer in Höhe von 1 %.
Die Bedenken, die gegen die Vereinbarkeit der Mindestkörperschaftsteuer nach § 24 Abs 4 KStG 1988 mit Art. 10 der Richtlinie sprechen, stellen sich wie folgt dar:
Die Mindestkörperschaftsteuer knüpft zwar formell nicht an die Eintragung im Firmenbuch und damit an die Registrierung oder an die Kapitalzuführung als solche an. Sie könnte aber doch als nur die Kapitalgesellschaften tatsächlich während ihres Bestandes treffende einkommensunabhängige Abgabe von den wirtschaftlichen Auswirkungen her als eine wegen der Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, also des Instruments zur Kapitalansammlung, erhobene Abgabe angesehen werden (vergleiche in diesem Sinne die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , RS C-42/96, SIF, Sammlung I-7089, und vom , Rs C-347/96, Solred SA, Sammlung 1998 I-0937). Der Umstand, daß eine Abgabe nicht bei der Eintragung der Gesellschaft erhoben wird, sondern in jedem darauffolgenden Jahr, kann für sich allein nicht dazu führen, daß die Abgabe vom Verbot des Artikels 10 nicht erfaßt wird (siehe nochmals das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Ponente Carni und Cispadana Costruzioni).
Die Mindestkörperschaftsteuer nach § 24 Abs 4 KStG 1988 trägt zwar Merkmale einer direkten Steuer, die wie die Steuer auf das Einkommen der Gesellschaften in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Rs C-287/94, Frederiksen & Co, Sammlung 1996, I-4581). Bei dauernd einkommenslosen Kapitalgesellschaften oder bei einer nachhaltigen Einkommenserzielung unter rund 44.100 S pro Jahr (erst bei diesem Betrag entspricht die Mindestkörperschaftsteuer von 15.000 S pro Jahr der Körperschaftsteuer auf das tatsächliche Einkommen: 34 % von 44.119 S = 15.000 S) wandelt sich die Mindesteinkommensteuer jedoch in eine einkommensunabhängige Abgabe, die trotz ihrer nationalen Zuordnung zu den direkten Steuern im Sinne der Richtlinie als indirekte Steuer im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, als des Instruments der Kapitalansammlung, gesehen werden könnte (vergleiche in diesem Sinne das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Rs C-2/94, Denkavit, Sammlung 1996, I-2827). Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist die Qualifizierung einer Steuer, Abgabe oder Gebühr nach Gemeinschaftsrecht vom Gerichtshof nach den objektiven Merkmalen der Steuer unabhängig von ihrer Qualifikation im nationalen Recht vorzunehmen (Urteil vom , Rs C-4/97, Manifattura Italiana, IStR 1998, 733). Bei der Mindestkörperschaftsteuer handelt es sich auch nicht um eine Steuer auf das Nettovermögen der Kapitalgesellschaft, die nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Rs C-4/97, Manifattura Italiana, als mit der Richtlinie vereinbar angesehen wurde.
Aus Artikel 12 der Richtlinie ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtfertigung der Mindestkörperschaftsteuer. Die im Artikel 12 Abs 1 Buchstabe e genannten "Abgaben mit Gebührencharakter" setzen voraus, daß diese sich nach den Kosten des geleisteten Dienstes richten. Eine Abgabe, deren Höhe keinen Zusammenhang mit den Kosten des besonderen Dienstes aufweist, oder deren Höhe sich nicht nach den Kosten eines Vorganges, für den sie die Gegenleistung darstellt, richtet, hat keinen Gebührencharakter im Sinne des Art. 12 Abs 1 Buchstabe e der Richtlinie (siehe nochmals das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Fantask). Da die Mindestkörperschaftsteuer an keinen dafür geleisteten Dienst anknüpft, weist sie keinen Gebührencharakter auf.
Da die Vorlagefrage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften weder geklärt noch deren Lösung derart offenkundig erscheint, daß für einen Zweifel kein Raum bliebe (siehe dazu auch Fraberger, Die Mindestkörperschaftsteuer auf dem europarechtlichen Prüfstand, ÖStZ 1997, 1 ff, sowie Zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Mindest-KöSt, SWK-Heft 8/1999, S. 207 ff), wird die oben vorgetragene Frage gem. Artikel 177 EG-Vertrag an den Gerichtshof mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.
Wien, am
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Normen | 11992E177 EGV Art177; 11997E234 EG Art234 impl; 31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art10; 31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art12 Abs1 lite; 61978CJ0132 Sarl Denkavit VORAB; 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB; 61991CJ0071 Ponente Carni VORAB; 61994CJ0287 Frederiksen VORAB; 61995CJ0188 Fantask A/S VORAB; EStG 1988 §45; KStG 1988 §1 Abs1; KStG 1988 §1 Abs2; KStG 1988 §22 Abs1; KStG 1988 §24 Abs4 idF 1994/680; KStG 1988 §26a idF 1997/I/070; KStG 1988 §4 Abs1; KStG 1988 §4 Abs2; KStG 1988 §7 Abs1; KStG 1988 §7 Abs2; KVG 1934 §8 idF 1994/629 ; VwGG §38a; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1999:1998130088.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-65812