Suchen Hilfe
VwGH 19.02.1998, 97/16/0318

VwGH 19.02.1998, 97/16/0318

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
RS 1
Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfaßt jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodaß nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (Hinweis E , 85/16/0032; E , 86/10/0169 bis 0171). Von einem minderen Grad des Versehens kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Wiedereinsetzungswerber die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt (Hinweis E , 91/16/0046).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1994/02/17 93/16/0020 1
Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
RS 2
Ganz abgesehen davon, daß keine allgemeine Verpflichtung besteht, einen Vorlageantrag als bescheinigte Sendung aufzugeben, und die im § 31 PostG normierte Haftung der Post für den Verlust einer bescheinigten Sendung diesen noch nicht auszuschließen vermag, ist ein Ereignis unabwendbar, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindert konnte (objektives Kriterium), auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht

einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (subjektiver Maßstab).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/10/31 90/16/0148 6 (hier nur letzter Satz)

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

97/16/0319

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über den Antrag 1) der Dr. L, 2) des Dr. A, 3) der Mag. E und 4) der S GmbH, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. Hans Peter Sauerzopf, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 15, A) auf Wiederaufnahme des mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 97/16/0072-6, abgeschlossenen Verfahrens und B) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Unterlassung der mit hg. Verfügung vom , Zl. 97/16/0072-3, aufgetragenen Verbesserung der Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , Zlen. Jv 8170-33a/96, Jv 8169-33a/96, Jv 8168-33a/96, Jv 6264-33a/96, betreffend Gerichtsgebühren, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 45 und § 46 VwGG wird den Anträgen nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B 412/97-4, wurde die Behandlung der von den Antragstellern gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , Jv 8170-33a/96, Jv 8196-33a/96, Jv 8168-33a/96, Jv 6264-33a/96, betreffend Gerichtsgebühren erhobenen Beschwerde abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Mit hg. Verfügung vom , Zl. 97/16/0072-3, wurden die Antragsteller gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, die Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel wie folgt zu ergänzen:

"Es ist das Recht, in dem die beschwerdeführende Partei verletzt zu sein behauptet, bestimmt zu bezeichnen (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG).

Es sind die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, anzuführen (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG).

Es ist ein der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGG entsprechendes bestimmtes Begehren zu stellen (§ 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG).

Zur Behebung dieser Mängel wird eine Frist von DREI Wochen, vom Tage der Zustellung dieser Zuschrift an gerechnet, bestimmt.

Soweit sich der Ergänzungsauftrag nicht in der Anforderung weiterer Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde samt Abschriften der Beilagen erschöpft, ist der ERGÄNZENDE Schriftsatz in DREIfacher Ausfertigung vorzulegen."

Der hierauf zur Verbesserung der Beschwerde von den Antragstellern am eingebrachte Schriftsatz wurde in zweifacher Ausfertigung vorgelegt. Mit hg. Beschluß vom , Zl. 97/16/0072-5, wurde das Verfahren wegen unvollständiger Mängelbehebung eingestellt.

Mit Schriftsatz vom wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Hinsichtlich der beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens wurde vorgebracht, die Einbringung des ergänzenden Schriftsatzes in dreifacher Ausfertigung sei vom Mängelbehebungsauftrag nicht umfaßt gewesen; doch selbst unter der Annahme, der Verbesserungsauftrag hätte auch die Vorlegung in dreifacher Ausfertigung umfaßt, hätten die Antragsteller dem Auftrag zur Gänze fristgerecht entsprochen, da in der Verfügung lediglich zur Behebung dieser, somit der drei im Verbesserungsauftrag vorbezeichneten Mängel eine Frist von drei Wochen bestimmt worden sei. Die Vorlage einer dritten Ausfertigung sei nach der Formulierung des Mängelbehebungsauftrages gar nicht Gegenstand der Mängelbehebung gewesen, sodaß eine Fristversäumung durch den Verwaltungsgerichtshof irrig angenommen worden sei.

Dieses Vorbringen ist unbegründet: Nach dem eindeutigen, einer weiteren Auslegung nicht mehr zugänglichen Wortlaut der Verfügung Zl. 97/16/0072-3 wurden die Antragsteller aufgefordert, den die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen, wobei diese Aufforderung durch Großdruck noch hervorgehoben wurde. Dabei übersehen die Antragsteller auch, daß der zufolge § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln der Urbeschwerde eingebrachte Ergänzungsschriftsatz als Teil der Beschwerde anzusehen ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 524 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung). Erst nach Vorlage dieses Ergänzungsschriftsatzes ist der Gerichtshof in die Lage versetzt, die Beschwerde in Behandlung zu nehmen. Daraus folgt aber, daß dem Verwaltungsgerichtshof tatsächlich nur zwei Ausfertigungen der im Sinne der §§ 24 und 29 VwGG in dreifacher Ausfertigung einzubringenden Beschwerde vorlagen. Dem von den Antragstellern hervorgehobenen Umstand, daß die (Ur-)Beschwerde bereits beim Verfassungsgerichtshof in dreifacher Ausfertigung vorgelegt worden ist, kommt schon deswegen keine Bedeutung zu, weil die (Ur-)Beschwerde den Erfordernissen des § 28 Abs. 1 VwGG über den Inhalt der Beschwerde eben nicht entsprochen hat. Damit ist aber entgegen der Meinung der Antragsteller, die der Abfolge der einzelnen Sätze des Mängelbehebungsauftrages eine Bedeutung beilegen wollen, wonach der Auftrag zur Beibringung von drei Ausfertigungen des Ergänzungsschriftsatzes von der Fristsetzung nicht erfaßt sei, klargestellt, daß dem Mängelbehebungsauftrag nur dann voll entsprochen ist, wenn der die Beschwerde vervollständigende Schriftsatz in der sich aus den §§ 24 und 29 VwGG ergebenden Anzahl vorgelegt worden ist. Daraus, daß auf diesen Umstand im Mängelbehebungsauftrag noch gesondert verwiesen ist, sind die von den Antragstellern gezogenen Schlüsse in keiner Weise gerechtfertigt.

Der Wiederaufnahmegrund nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG, der gegeben ist, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumnis einer im Verwaltungsgerichtshofgesetz vorgesehenen Frist beruht, liegt somit im Falle der Antragsteller nicht vor.

Voraussetzung der weiters beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 46 Abs. 1 VwGG die Fristversäumung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis. Als ein solches Ereignis ist jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sich-Irren, anzusehen. Ein solches Ereignis ist dann als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte

(vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0020). Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es durch den Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 90/16/0148).

Im Wiedereinsetzungsantrag wird zum Sachverhalt vorgebracht, es sei für den Vertreter der Antragsteller "nach routinemäßiger Kontrolle" klar gewesen, daß die Mängel vollständig behoben seien und der Schriftsatz auch fristgerecht zur Post befördert worden sei. Erst durch den Einstellungsbeschluß sei aufgefallen, daß ein "Routinefehler" insoferne unterlaufen sei, als der Schriftsatz nicht dreifach ausgefertigt worden sei. Es handle sich dabei um einen Flüchtigkeitsfehler, der auch einem sorgfältigen Parteienvertreter einmal passieren könne.

Dem Vorbringen der Antragsteller ist entgegenzuhalten, daß die diese treffende Verpflichtung zur Überreichung des verbessernden Schriftsatzes in dreifacher Ausfertigung einerseits wie ausgeführt bereits aus dem Gesetz folgt und andererseits dem - entgegen der Auffassung der Antragsteller - klaren Wortlaut der hg. Verfügung vom bei der dem Parteienvertreter zumutbaren Aufmerksamkeit deutlich zu entnehmen gewesen ist. Der dem Parteienverkehr unterlaufene, den Antragstellern zuzurechnende Irrtum konnte daher im Hinblick auf die Gesetzeslage und die Deutlichkeit des Verbesserungsauftrages nicht mehr als Fehler angesehen werden, der dem Bereich des minderen Grades des Versehens zuzuordnen wäre. Es erwies sich somit auch der Antrag um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1998:1997160318.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-65682