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VwGH 19.11.1997, 97/09/0318

VwGH 19.11.1997, 97/09/0318

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VwGG §61 Abs1
VwGG §62 Abs1
ZPO §68 Abs4
ZPO §73 Abs2
RS 1
Bei der Bestimmung des § 65 Abs 1 zweiter Satz ZPO handelt es

sich um eine verfahrensrechtliche Norm, auf die sich die im

§ 61 Abs 1 erster Satz VwGG angeordnete sinngemäße Geltung der

Vorschriften über das zivilrechtliche Verfahren nicht

erstreckt. Nach der letztgenannten Bestimmung gelten die

Vorschriften über das zivilrechtliche Verfahren sinngemäß nur

für die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der

Verfahrenshilfe, während für das Verfahren vor dem VwGH gem

§ 62 Abs 1 VwGG sinngemäß das AVG gilt (Hinweis B ,

86/08/0008 bis 0010), dem eine den § 65 Abs 1 zweiter Satz ZPO

entsprechende Bestimmung fremd ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH B 1990/04/02 90/19/0203 2 (hier: § 68 ZPO und § 73 Abs 2 ZPO sind verfahrensrechtliche Normen und demnach vom VwGH auch nicht sinngemäß anzuwenden).
Normen
AVG §74 Abs1
VwGG §62 Abs1
RS 2
Die Gewährung von Verfahrenshilfe ist im AVG nicht vorgesehen.
Normen
VwGG §61
ZPO §68
RS 3
Da die Entziehung der Verfahrenshilfe ex tunc wirkt, wird der

Antrag auf Entziehung durch die Beendigung des Rechtsstreites

nicht gegenstandslos.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH B 1993/08/11 92/14/0144 2
Normen
VwGG §61
ZPO §68
RS 4
Die Entziehung der Verfahrenshilfe bewirkt die rückwirkende

Beseitigung der Begünstigung (ex tunc ab der Bewilligung) und

führt zur Nachzahlungspflicht für alle gestundeten Beträge und

das Honorar des Verfahrenshilfeanwalts. Entziehungsgrund ist

das Fehlen der Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe schon im

Zeitpunkt ihrer Bewilligung (Hinweis Fasching, Lehrbuch, 02te

Auflage, Randzahl 502).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH B 1993/08/11 92/14/0144 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden

Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und

Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers

Mag. Loibl, in der Beschwerdesache des Y in W,

vertreten durch Dr. Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien I,

Grillparzerstraße 7, gegen den Bescheid der

Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom

, Zl. LGSW/Abt. 10/13117/1997, betreffend

Feststellung nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei, den

Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am einen

Verfahrenshilfeantrag (hg. Zl. VH 97/09/0018) zur Erhebung

einer Beschwerde gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle

des Arbeitsmarktservice Wien vom

(Zl. LGSW/Abt. 10/13117/1997). Der Beschluß des

Verwaltungsgerichtshofes vom über die

Bewilligung der Verfahrenshilfe und der Bestellungsbescheid des

Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom

wurden am an den Verfahrenshelfer abgefertigt. Der

Verfahrenshelfer nahm am (in den

Verfahrenshilfeakt VH 97/09/0018) Akteneinsicht.

Anstelle einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid vom

brachte der Verfahrenshelfer - unter Bezugnahme

auf die am ihm zugestellte Bewilligung der

Verfahrenshilfe - einen am eingelangten Antrag

auf Entziehung der bewilligten Verfahrenshilfe beim

Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser Antrag wurde mit Beschluß

vom 19. August, Zl. VH 97/09/0018-6, vom Verwaltungsgerichtshof

abgewiesen.

In der am zur Post gegebenen Beschwerde

gegen den genannten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des

Arbeitsmarktservice Wien vom wird zur

Rechtzeitigkeit dieser Beschwerdeerhebung vorgebracht, dem

Verfahrenshelfer sei der Beschluß über die Abweisung des (von

ihm gestellten) Entziehungsantrages "innerhalb der letzten

6 Wochen" zugestellt worden. Die Beschwerde werde "(siehe

AnwBl 81/391, SZ 51/59) in offener Frist" erhoben.

Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 28

Abs. 1 Z. 7 VwGG die Angaben zu enthalten, die erforderlich

sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig

eingebracht ist. Im vorliegenden Fall ist diesen Angaben zur

Rechtzeitigkeit zu entnehmen, daß die Beschwerde - ausgehend

von einer unzutreffenden Rechtsansicht - verspätet erhoben

wurde.

Die in der Beschwerde angenommene Rechtzeitigkeit beruht

(nach den zitierten Fundstellen) auf der Rechtsansicht, die

Frist zur Beschwerdeerhebung sei durch den Antrag des

Verfahrenshelfers auf Entziehung der bewilligten

Verfahrenshilfe unterbrochen worden und habe erst mit

Zustellung der Entscheidung über diesen Antrag (neu) zu laufen

begonnen. Die dafür in der Beschwerde ins Treffen geführte

Rechtsprechung (des Obersten Gerichtshofes) ist jedoch aufgrund

einer anderen, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof

nicht anzuwendenden Rechtslage ergangen. Abgesehen davon, daß

ein (zur Verfahrenshilfe) bestellter Rechtsanwalt auch zufolge

§ 68 Abs. 4 erster Satz ZPO bis zum Eintritt der Rechtskraft

des Beschlusses über die Entziehung der Verfahrenshilfe

verpflichtet bleibt, für die Partei zu handeln, soweit dies

nötig ist, um sie vor Rechtsnachteilen zu schützen, sind vom

Verwaltungsgerichtshof gemäß § 61 Abs. 1 VwGG nur die für die

Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der

Verfahrenshilfe geltenden Vorschriften, nicht aber

verfahrensrechtliche Normen des zivilgerichtlichen Verfahrens

sinngemäß anzuwenden (vgl. auch den hg. Beschluß vom

, Zl. 90/19/0203). Die Bestimmungen der §§ 68

Abs. 4 und 73 Abs. 2 ZPO sind aber verfahrensrechtliche Normen

und demnach vom Verwaltungsgerichtshof nicht (auch nicht

sinngemäß) anzuwenden.

Die Beschwerdefrist für die Erhebung einer Beschwerde an

den Verwaltungsgerichtshof wird im § 26 VwGG geregelt. Soweit

dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, gilt zufolge § 62

Abs. 1 VwGG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das AVG

(und nicht die ZPO). Auch dieser Verweis auf das AVG vermag der

angenommenen Rechtsansicht der beschwerdeführenden Partei

(hinsichtlich einer Unterbrechungswirkung) nicht zum Erfolg zu

verhelfen, da die Gewährung von Verfahrenshilfe im AVG nicht

vorgesehen ist (vgl. auch Walter/Mayer,

Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage, Rz 673).

Der von der beschwerdeführenden Partei vertretenen

Rechtsansicht, die Beschwerdefrist beginne mit Zustellung der

Entscheidung über den vom Verfahrenshelfer gestellten Antrag

auf Entziehung der bewilligten Verfahrenshilfe, fehlt es somit

an einer gesetzlichen Grundlage. Nach der vom

Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Rechtslage hat ein solcher

Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe auf Beginn und Lauf

der Beschwerdefrist keine Auswirkungen. Eine Hemmung oder

Unterbrechung der Beschwerdefrist aus diesem Grunde ist sowohl

dem VwGG als dem AVG fremd. In diesem Zusammenhang ist darauf

hinzuweisen, daß ein Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe

durch die Beendigung des Rechtsstreites bzw.

Beschwerdeverfahrens nicht gegenstandslos wird und demnach

selbst nach erfolgter (und zufolge der gegebenen Rechtslage für

den beigegebenen Verfahrenshilfevertreter auch gebotener)

Beschwerdeerhebung meritorisch zu behandeln ist, weil die

Entziehung der Verfahrenshilfe - würde sie bewilligt werden -

die rückwirkende Beseitigung der Begünstigung (ex tunc ab

Bewilligung) bewirkt und solcherart zur Nachzahlungspflicht für

alle gestundeten Beträge und das Honorar des

Verfahrenshilfeanwalts führen würde (vgl. hierzu den

hg. Beschluß vom , Zl. 92/14/0144).

Die vorliegende Beschwerde wurde unbestrittenermaßen

aufgrund der unzutreffenden Rechtsansicht des beigegebenen

Verfahrenshelfers nicht innerhalb der im Beschwerdefall

maßgebenden Frist gemäß § 26 Abs. 3 VwGG erhoben. Daß diese

Frist gewahrt sei, wird auch in der Beschwerde in

sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht behauptet.

Die demnach verspätet erhobene Beschwerde war daher gemäß

§ 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne

weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §74 Abs1
VwGG §61
VwGG §61 Abs1
VwGG §62 Abs1
ZPO §68
ZPO §68 Abs4
ZPO §73 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1997:1997090318.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-65633