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VwGH 10.10.1997, 96/02/0144

VwGH 10.10.1997, 96/02/0144

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AVG §13 Abs2;
AVG §63 Abs4;
BAO §256 Abs1 impl;
RS 1
Die Zurücknahme einer Berufung (eines Vorlageantrages) ist eine (unwiderrufliche) einseitige prozessuale Erklärung (Hinweis E , 847/71, E , 1502/72), die mit dem Einlangen der Zurücknahmeerklärung bei der Behörde rechtsverbindlich und damit wirksam wird, und zwar ohne daß es hier einer formellen Annahmeerklärung der Behörde bedürfte (Hinweis Stoll, BAO-Handbuch, 632).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/03/08 90/17/0328 2 (hier: telefonische Zurückziehung einer Schubhaftbeschwerde, bei der Zurückziehung eines Rechtsmittels handelt es ich nicht um die Wahrung einer Frist, Schriftlichkeit ist daher nicht geboten)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, in der Beschwerdesache des J in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über eine Beschwerde betreffend Schubhaft, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte mit Schriftsatz vom eine Beschwerde nach den §§ 51 ff FrG bei der belangten Behörde ein, welche bei dieser am einlangte. Er wurde hierbei durch R.H. vertreten.

In der Folge findet sich im Verwaltungsakt ein Aktenvermerk

vom mit folgendem Wortlaut:

"AV vom

Herr H. teilte über Anfrage telefonisch mit, daß der Antrag betr. Beschwerde nach § 51 vom zurückgezogen wird."

(Es folgt die Unterschrift des Organwalters des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland.)

Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nunmehr vertreten durch Dr. R., eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Nach Einleitung des Vorverfahrens beantragte die belangte Behörde in der Gegenschrift unter Hinweis auf die Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde die kostenpflichtige Zurückweisung der Säumnisbeschwerde, da die behauptete Säumnis mangels aufrechten Antrages nicht vorliege.

Mit Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof vom bestritt der Beschwerdeführer die Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde durch R.H. am , dies unter gleichzeitiger Vorlage eines Faxes von R.H. an den nunmehrigen Beschwerdevertreter Dr. R., ebenfalls vom , welches bestätigt, daß tatsächlich ein Telefongespräch zwischen R.H. und dem zuständigen Mitglied der belangten Behörde am stattgefunden hat.

Wie sich jedoch - so der wesentliche Inhalt des Faxes - nach Durchsicht seiner (R. H"s) Unterlagen ergebe, sei seitens des R.H. lediglich die Zusage getätigt worden, eine allfällige Beschwerdezurückziehung werde in schriftlicher Form erfolgen, worüber er aber erst mit seinem Mandanten Rücksprache halten müsse.

Vorauszuschicken ist, daß das AVG für die Zurückziehung eines Rechtsmittels keine besonderen Formerfordernisse vorsieht. Sie muß nur ausdrücklich ausgesprochen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 89/07/0077). Die Zurücknahme eines Rechtsmittels ist eine (unwiderrufliche) einseitige prozessuale Erklärung, die mit dem Einlangen der Zurücknahmeerklärung bei der Behörde rechtsverbindlich und damit wirksam wird, und zwar ohne daß es hier einer formellen Annahmeerklärung der Behörde bedürfte (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 90/17/0328).

Unter diesen Gesichtspunkten begegnet die Rechtswirksamkeit einer telefonischen Zurückziehung einer Schubhaftbeschwerde keinen Bedenken. Dem steht auch § 13 Abs. 2 AVG (wonach Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, schriftlich einzubringen sind) nicht entgegen, geht es doch bei der Zurückziehung eines Rechtsmittels oder eines solchen Anbringens nicht um die Wahrung einer Frist.

Im gegenständlichen Fall ist die Rechtsmacht des R.H. zur Abgabe dieser prozessualen Erklärung unstrittig. Strittig ist jedoch der Inhalt des Telefongespräches vom , sohin die Frage, ob es tatsächlich zur Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde gekommen ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Aktenvermerk eine öffentliche Urkunde, die über ihren Inhalt vollen Beweis macht, wenngleich der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig ist, ebenso der Beweis der Unvollständigkeit (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 87/17/0260).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, welches sich in der Behauptung erschöpft, die Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde sei lediglich in Aussicht gestellt worden, dies verbunden mit der Vorlage des oben erwähnten Faxes des R.H. vom , in welchem sich dieser auf die Durchsicht "seiner Unterlagen" beruft, ohne daß diese etwa vorgelegt worden wären, ist jedoch nicht geeignet, einen Gegenbeweis zum Aktenvermerk vom zu erbringen, zumal auch aus diesem Fax immerhin ersichtlich ist, daß von einer Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde die Rede war. Die Aufnahme weiterer Beweise wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers, eine "formlose" Einstellung des Schubhaftverfahrens entspreche nicht dem Gesetz, geht ins Leere, weil die belangte Behörde mit der Zurückziehung der Schubhaftbeschwerde keine Entscheidungspflicht mehr traf.

Da der vorliegenden Beschwerde nach dem Gesagten mangels Säumnis der belangten Behörde die Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegenstand, war die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §13 Abs2;
AVG §63 Abs4;
BAO §256 Abs1 impl;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1997:1996020144.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-65401