VwGH 29.11.1994, 94/05/0246
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Enthält ein als "Bescheid" (hier:"Ladungsbescheid") bezeichneter erstinstanzlicher Verwaltungsakt eine Fertigungsklausel, welche neben einem Abdruck des Amtssiegels der Gemeinde die Worte "Der Bürgermeister" sowie eine unleserliche Unterschrift aufweist, welche keinen Namen erkennen läßt und daher nicht als leserliche Beifügung des Namens des die Erledigung Genehmigenden iSd § 18 Abs 4 AVG angesehen werden kann, so fehlt diesem erstinstanzlichen Verwaltungsakt der Charakter eines Bescheides iSd Art 131 Abs 1 B-VG, woran auch der Umstand nichts ändern kann, daß für den Adressaten dieses Verwaltungsaktes allenfalls die Möglichkeit bestanden hätte, mit Hilfe der in der Erledigung erwähnten Funktionsbezeichnung den Namen desjenigen zu ermitteln, der diese Erledigung genehmigt hat (Hinweis E , 87/18/0095). |
Norm | |
RS 2 | Die im § 19 Abs 3 AVG 1950 vorgesehenen Zwangsmittel (Verhängung von Zwangsstrafen oder Vorführung) sind nur dann zulässig, wenn die Behörde dem Geladenen nicht die Entsendung eines Vertreters freigestellt hat. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 82/04/0003 E VwSlg 10819 A/1982 RS 1 |
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RS 3 | Stellt die Behörde der zu ladenden Person ausdrücklich die Entsendung eines Vertreters frei, ist es rechtswidrig, ihr die zwangsweise Vorführung für den Fall anzudrohen, daß sie der Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht Folge leisten sollte. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der I in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den u.a. in einer Bauangelegenheit ergangenen "Ladungsbescheid" des Bürgermeisters der Gemeinde K vom , vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in O, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Gemeinde K Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin wurde am der mit datierte "Ladungsbescheid" des Bürgermeisters der Gemeinde K zugestellt, demzufolge die Beschwerdeführerin u.a. im Zusammenhang mit der Angelegenheit "Bauführung O-Gasse 100 ohne Baugenehmigung" am Freitag, dem um
13.30 Uhr im Gemeindeamt der genannten Gemeinde zu erscheinen habe, wobei in dem Vordruck jene Passage angekreuzt worden ist, derzufolge die Beschwerdeführerin "hiezu selbst in unser Amt kommen oder einen Vertreter entsenden" könne. Sollte die Beschwerdeführerin "diese Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, z.B. Krankheit, nicht befolgen", müsse sie "damit rechnen", daß ihre "zwangsweise Vorführung veranlaßt wird". Dieser Verwaltungsakt trägt die Fertigungsklausel "Der Bürgermeister:", wobei das Amtsiegel der Gemeinde K und eine unleserliche Unterschrift beigefügt worden sind.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstücks übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Diese Vorschrift gilt zufolge Art. II Abs. 2 Z. 30 EGVG auch für das behördliche Verfahren des in Rede stehenden Gemeindeorganes.
Wie schon ausgeführt worden ist, weist der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte "Ladungsbescheid" eine Fertigungsklausel auf, welche lediglich aus der Bezeichnung "Der Bürgermeister", einem Amtssiegel der Gemeinde und einer unleserlichen Unterschrift besteht. Eine leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden fehlt also. Dem bekämpften Verwaltungsakt fehlt daher der Charakter eines Bescheides im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, daß für die Beschwerdeführerin allenfalls die Möglichkeit bestanden hätte, mit Hilfe der in dem Verwaltungsakt erwähnten Funktionsbezeichnung den Namen desjenigen zu ermitteln, der diese Erledigung genehmigt hat (vgl. dazu das bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., auf S. 197 unter Z. 22 zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/18/0095).
Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.
Ungeachtet dessen soll nicht unerwähnt bleiben, daß die im § 19 Abs. 3 AVG im Zusammenhang mit einem Ladungsbescheid vorgesehenen Zwangsmittel (Verhängung von Zwangsstrafen oder Vorführung) nur dann zulässig sind, wenn die Behörde nicht die Entsendung eines Vertreters freigestellt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10.819/A). Da die Behörde der Beschwerdeführerin in dem "Ladungsbescheid" ausdrücklich die Entsendung eines Vertreters freigestellt hat, war es sohin rechtswidrig, ihr die zwangsweise Vorführung für den Fall anzudrohen, daß sie der Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht Folge leisten sollte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz einschließlich der Abweisung des Mehrbegehrens gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen jenen Teil des bekämpften Verwaltungsaktes richtet, welcher sich auf die Ladung der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der "Feststellung der Verpflichtung zur Abfuhr der Kommunalsteuer-Betriebsverlegung" bezieht, wird darüber der nach der hg. Geschäftsverteilung zuständige Senat gesondert entscheiden.
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Behördenbezeichnung Amtssiegel Fertigungsklausel Unterschrift des Genehmigenden Unterschrift Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1994:1994050246.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-65130