VwGH 29.03.1993, 92/15/0153
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Eine allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung beinhaltet auch die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken iSd § 9 ZustG bzw früher des § 26 Abs 1 AVG (Hinweis auf E , 85/15/0149). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 90/10/0035 E VwSlg 13221 A/1990 RS 1 |
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RS 2 | Wird ein Zustellungsmangel, der in der tatsächlichen Zustellung der Berufungsentscheidung an den Beschwerdeführer anstatt an zumindest einen seiner Zustellungsbevollmächtigten liegt, erst nach erhobener Säumnisbeschwerde saniert, liegt ein Fall der Nachholung des bis dahin versäumten Bescheides vor. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Karger als Richter im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, in der Beschwerdesache des HC, vertreten durch Dr. Wolfgang Grobmann und Dr. Helmut Paul, Rechtsanwälte in Krems/Donau, Obere Landstraße 14, gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 6.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem beim zuständigen Finanzamt am eingelangten Schriftsatz vom 19.-August 1991 hat der Beschwerdeführer gegen zwei Bescheide (Jahresausgleichsbescheid für das Jahr 1990 und Freibetragsbescheid für das Jahr 1992) Berufung erhoben. Diese Berufung wurde durch einen beim Finanzamt am eingelangten, von den nunmehrigen Beschwerdevertretern vorgelegten Schriftsatz vom näher ausgeführt; auf Seite 1 dieses Schriftsatzes heißt es sinngemäß, daß der Beschwerdeführer .in beiden Steuersachen durch die einschreitenden Rechtsanwälte vertreten wird. Beigefügt wurde der Vermerk "Vollmacht gemäß § 8 RAO erteilt".
Mit Berufungsentscheidung vom entschied die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers, soweit sie den Jahresausgleich für das Jahr 1990 betrifft Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am unter einer Nachsendeadresse nachweislich zugestellt.
Nach der Aktenlage wurde über die Berufung des Beschwerdeführers, soweit sie den Freibetragsbescheid für das Jahr 1992 betrifft, mittels Berufungsvorentscheidung vom entschieden. Laut Auskunft der Beschwerdevertreter langte dieser Bescheid am in deren Kanzlei ein.
Die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in beiden angeführten Angelegenheiten langte am beim Verwaltungsgerichtshof ein.
Mit Beschluß vom leitete der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde das Vorverfahren gemäß § 35 Abs. 3 VwGG ein.
Hiezu teilte die belangte Behörde unter Vorlage der Verwaltungsakten sodann mit, daß sie ihre Berufungsentscheidung vom noch vor Erhebung der Säumnisbeschwerde erlassen habe; dementsprechend könne dieser Bescheid nunmehr nicht nachgeholt werden.
In seiner Äußerung hiezu räumte der Beschwerdeführer ein, daß ihm die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom am zugestellt worden sei. Diese Zustellung sei aber nicht rechtsgültig erfolgt, weil der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen sei. Da der Beschwerdeführer die von ihm übernommene Berufungsentscheidung seinem Rechtsvertreter erst am zugemittelt habe, sei die schon vorher erhobene Säumnisbeschwerde zulässig gewesen. Er beantrage deshalb den Zuspruch der ihm entstandenen Verfahrenskosten.
Der Beschwerdeführer hat sich, wie dargestellt, im Laufe des Berufungsverfahrens anwaltlich vertreten lassen. Der von seinen Vertretern eingebrachte ergänzende Berufungsschriftsatz enthält keinerlei Hinweis auf eine Einschränkung der Vollmacht und ermächtigt daher als sogenannte "allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung" nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch zur Empfangnahme von Schriftstücken im Sinne des § 9 Zustellgesetz (vgl. z.B. die zum AVG ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Z1. 90/10/0035, und vom , Zl. 88/18/0012, sowie die dort zitierte Rechtsprechung). Ein Tatbestand gemäß § 103 Abs. 2 BAO, dessentwegen die Zustellungsbevollmächtigung unwirksam wäre, liegt offenkundig nicht vor. Des Nachweises der Vollmacht bedurfte es im Hinblick auf den letzten Satz des § 8 Abs. 1 Rechtsanwaltsordnung in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 474/1990 nicht, weil nach dieser Bestimmung die Berufung auf die Bevollmächtigung vor allen Gerichten und Behörden deren urkundlichen Nachweis ersetzt.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung im dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Da im Beschwerdefall der in der tatsächlichen Zustellung der Berufungsentscheidung vom an den Beschwerdeführer anstatt an zumindest einen seiner Zustellungsbevollmächtigten gelegene Zustellungsmangel erst am saniert worden ist, die Säumnisbeschwerde aber schon am erhoben worden war, liegt ein Fall der Nachholung des bis dahin versäumten Bescheides vor. Die den Freibetragsbescheid für das Jahr 1992, betreffende Berufungsvorentscheidung stammt überhaupt erst vom , wurde also ebenfalls nicht vor Erhebung der Säumnisbeschwerde erlassen.
Durch die genannten Bescheide wurde der Beschwerdeführer klaglos gestellt, doch ist in einem solchen Fall das. Verfahren nicht nach § 36 Abs. 2, sondern nach § 33 Abs. 1-VwGG einzustellen (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom , Slg. Nr. 3815/F).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, $ 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991 (vgl. u.a. den Beschluß eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 5111/F).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Säumnisbeschwerde Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1993:1992150153.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-64935