VwGH 12.01.1993, 92/14/0190
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | VwGG §36 Abs2; VwGG §46 Abs1; |
RS 1 | Ausführungen betreffend den Antrag einer Finanzlandesdirektion auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages nach § 36 Abs 2 VwGG. Die Finanzlandesdirektion - erlaßmäßig verpflichtet, jeglichen Schriftverkehr mit den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts über den Bundesminister für Finanzen abzuwickeln - hat einen Antrag gemäß § 36 Abs 2 VwGG im Wege über den Bundesminister für Finanzen an den VwGH gestellt, der neun Tage vor Ablauf einer bereits vom VwGH gesetzten Frist beim Bundesminister für Finanzen einlangte; dieser Antrag wurde jedoch vom Bundesminister für Finanzen nicht fristgerecht an den VwGH weitergeleitet. In dieser Fristversäumung liegt ein aus der Sicht der Finanzlandesdirektion unvorhergesehenes und auch unabwendbares Ereignis vor, wobei ihr ein Verschulden an der Versäumung nicht zur Last zu legen ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über den Antrag der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat, um Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG in Ansehung der hg anhängigen Verfahren zu 92/14/0102 bis 0120 und 92/14/0122, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird stattgegeben.
Begründung
Am langten beim Verwaltungsgerichtshof insgesamt 20, von Dr. R erhobene, auf Art 132 B-VG und § 27 VwGG gestützte Beschwerden ein, in denen die Verletzung der Entscheidungspflicht der Antragstellerin betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1984 sowie betreffend die dementsprechenden Sachbescheide behauptet wird. Diese Beschwerden wurden hg unter 92/14/0102 bis 0120 und 92/14/0122 protokolliert.
Mit Verfügungen vom , der Antragstellerin am
10. und zugestellt, leitete der Verwaltungsgerichtshof Vorverfahren ein, wobei er die Antragstellerin aufforderte, innerhalb von drei Monaten die versäumten Bescheide zu erlassen und eine Abschrift derselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und dazu gemäß § 36 Abs 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Erst am langte im Weg des Bundesministers für Finanzen die von der Antragstellerin erlassene, nachgeholte Berufungsentscheidung vom , dem Dr. R am zugestellt, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1984 sowie betreffend die dementsprechenden Sachbescheide, beim Verwaltungsgerichtshof ein. In dem dieser Berufungsentscheidung beigeschlossenen Schreiben führte die Antragstellerin folgendes aus:
"Mit Schriftsatz vom , GZ 15/52 bis 68 - 3/92, 15/70 - 3/92 sowie 15/74 u. 75 - 3/92, hat die belangte Behörde den Verwaltungsgerichtshof ersucht, die bezeichnete Frist um zwei Monate zu verlängern."
Mit Verfügung vom , der Antragstellerin zugestellt am , gab der Verwaltungsgerichtshof dieser bekannt, der Schriftsatz vom sei im Verwaltungsgerichtshof nicht eingelangt, weswegen die Antragstellerin ersucht werde, geeignete Beweismittel vorzulegen, auf Grund derer das Einlangen des Fristverlängerungsansuchens beim Verwaltungsgerichtshof glaubhaft gemacht werde.
Mit am zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu den hg anhängigen Verfahren 92/14/0102 bis 0120 und 92/14/0122 führt die Antragstellerin zunächst aus, sie könne, da der Antrag nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG im Weg des Bundesministers für Finanzen abgefertigt worden sei, keinen Nachweis für dessen Einlangen beim Verwaltungsgerichtshof erbringen. Sie habe diesen Antrag in Entsprechung eines Erlasses, nach dem jeglicher Schriftverkehr mit den beiden Höchstgerichten über den Bundesminister für Finanzen abzuwickeln sei, am an diesen abgefertigt und sei dieser Antrag am dort eingelangt. Der Antrag sei laut einer fernmündlichen Auskunft eines Organwalters des Bundesministers für Finanzen an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet worden.
Zum Nachweis ihrer Behauptungen legte die Antragstellerin Schriftstücke aus ihrer Kanzlei sowie einen Aktenvermerk über ein Ferngespräch mit einem Organwalter des Bundesministers für Finanzen vor.
Unter Hinweis, daß ihr die Tatsache des Nichteinlangens des Antrages nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG erst durch die ihr am zugestellte Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom bekannt geworden, somit die Frist des § 46 Abs 3 VwGG hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch nicht abgelaufen sei, führt die Antragstellerin weiter aus, die Nichtweiterleitung des Antrages an den Verwaltungsgerichtshof durch den Bundesminister für Finanzen innerhalb der noch für geraume Zeit offen gestandenen Frist stelle für sie ein unvorhergesehenes Ereignis nach § 46 Abs 1 VwGG dar. Sie sei - wie bereits erwähnt - erlaßmäßig verpflichtet, jeglichen Schriftverkehr mit den beiden Höchstgerichten über den Bundesminister für Finanzen abzuwickeln, wodurch im Sinn des § 36 Abs 3 VwGG eine Kontrolle der Finanzlandesdirektionen durch den Bundesminister für Finanzen sichergestellt werden sollte. Daß das zum Zweck des störungsfreien Verfahrensablaufes errichtete Kontrollsystem im vorliegenden Fall gerade zur Störung desselben geführt habe, habe sie nicht vorhersehen können. Es treffe sie daher an der Versäumung kein Verschulden, weil diese ausschließlich auf Umstände zurückzuführen sei, die außerhalb ihres Bereiches als belangter Behörde gelegen seien.
Unter einem holte die Antragstellerin die versäumte Handlung nach, wobei sie unter Hinweis auf § 36 Abs 2 VwGG den Antrag stellte, die vom Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom gesetzte Frist um zwei Monate, somit bis zum zu verlängern. Zur Begründung wurde ausgeführt, die nachzuholende Entscheidung sei gemäß § 16 Volksgruppengesetz, BGBl Nr 396/76, auch in slowenischer Sprache auszufertigen, wobei wegen des außergewöhnlichen Umfanges derselben deren Übersetzung einen entsprechenden Zeitaufwand bedinge. Überdies befinde sich Dr. Siegfried R bis zum auf Urlaub, weswegen auch aus dieser Sicht eine Erlassung der nachzuholenden Entscheidung innerhalb der gesetzten Frist (Fristablauf am ) letztlich nicht möglich sei.
Gemäß § 21 Abs 1 VwGG ist die Antragstellerin als belangte Behörde Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, weswegen ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist (vgl den hg Beschluß vom , 1406, 1407/73, Slg Nr 8468/A). Da die Antragstellerin erst durch die ihr am zugestellte hg Verfügung vom Kenntnis vom Nichteinlangen ihres nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG gestellten Antrages beim Verwaltungsgerichtshof erlangte, somit erst zu diesem Zeitpunkt das Hindernis aufgehört hat, zu bestehen, ist der am zur Post gegebene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinn des § 46 Abs 3 VwGG fristgerecht erhoben.
Im gegenständlichen Fall ist auf Grund des Vorbringens der Antragstellerin - an dessen Richtigkeit im Hinblick auf die vorgelegten Bescheinigungsmittel sowie den dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Aktenlauf zwischen den Finanzlandesdirektionen und dem Verwaltungsgerichtshof kein Zweifel besteht - zu prüfen, ob die Nichtweiterleitung des Antrages nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG durch den Bundesminister für Finanzen aus der Sicht der Antragstellerin ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 46 Abs 1 VwGG darstellt.
Die Antragstellerin ist erlaßmäßig verpflichtet, sämtlichen Schriftverkehr mit dem Verwaltungsgerichtshof über den Bundesminister für Finanzen abzuwickeln. Eine Mißachtung dieser Dienstanweisung könnte für den jeweiligen Organwalter der Antragstellerin zu dienstrechtlichen Konsequenzen führen, weswegen die Vorlage des Antrages nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG an den Verwaltungsgerichtshof im Weg des Bundesministers für Finanzen für sie geboten war. Dafür spricht auch die Einschaltung des Bundesministers für Finanzen in das verwaltungsgerichtliche Verfahren gemäß § 29, § 36 Abs 3 und § 44 VwGG.
Die Antragstellerin hat den Antrag nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG am an den Bundesminister für Finanzen abgefertigt, bei dem dieser am eingelangt ist. Der Antragstellerin kann somit im Hinblick darauf, daß dieser Antrag mindestens neun Tage vor Ablauf der mit hg Verfügung vom gesetzten Frist beim Bundesminister für Finanzen eingelangt ist, nicht vorgeworfen werden, diesem wäre kein ausreichender Zeitraum für die Übermittlung des Antrages an den Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung gestanden. Die Antragstellerin konnte auch nicht damit rechnen, der Bundesminister für Finanzen werde ein Terminstück nicht fristgerecht weiterleiten. Sie hatte nach erfolgter Absendung des Antrages nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG an den Bundesminister für Finanzen auch keinen Einfluß mehr auf dessen Weiterleitung an den Verwaltungsgerichtshof.
Es liegt somit in der Fristversäumnis ein aus der Sicht der Antragstellerin unvorhergesehenes und auch unabwendbares Ereignis vor, wobei der Antragstellerin ein Verschulden an der Versäumung nicht zur Last zu legen ist.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages nach § 36 Abs 2 zweiter Satz VwGG war daher stattzugeben.
Zusatzinformationen
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Normen | VwGG §36 Abs2; VwGG §46 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1993:1992140190.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-64927