VwGH 22.01.1992, 91/13/0241
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | BAO §293; VwGG §26 Abs1; |
RS 1 | Dem Ablauf der Beschwerdefrist steht nicht entgegen, daß der Bescheid der Berufungsbehörde mit einem weiteren Bescheid gemäß § 293 BAO berichtigt worden ist. Bereits durch den ursprünglichen Bescheid ist es zu einem Eingriff in die Rechte des Bf gekommen, während der Berichtigungsbescheid nicht in seine Rechte eingegriffen hat, sondern vielmehr zu seinen Gunsten - nämlich durch Verminderung des Leistungsgebotes - ergangen ist. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde ist somit der Umstand, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 293 BAO berichtigt worden ist, nicht von Bedeutung. |
Norm | VwGG §46 Abs1; |
RS 2 | Unter einem (eine Fristeinhaltung hindernden Ereignis) iSd § 46 Abs 1 VwGG ist jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sichirren usw zu verstehen. Ein die Fristeinhaltung hinderndes Ereignis liegt demnach auch dann vor, wenn die Verfahrenshandlung aufgrund eines Irrtums über das Fristende erst nach objektiven Ablauf der Frist vorgenommen wird. Eine Partei (ihr Bevollmächtigter) ist also auch dann gehindert, die Frist einzuhalten, wenn sie (er) irrtümlich ein - gegenüber dem objektiven - späteres Fristende annimmt (Hinweis E , 83/11/0143, VwSlg 11439 A/1985). |
Norm | VwGG §46 Abs1; |
RS 3 | Solange ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsgemäßen Kanzleibetrieb nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt ist, darf er sich dabei darauf verlassen, daß sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch tatsächlich befolgt. Wenn daher eine Fristversäumung auf einem weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten des anwaltlichen Vertreters beruht und dieser nach dem vorgelegten Beweismittel ansonsten der ihm obliegenden Überwachungspflicht nachgekommen ist, kann ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Vertreters des Antragstellers - das dem Verschulden der Partei gleichzusetzen wäre - nicht angenommen werden (Hinweis E , 85/16/0032). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über den Antrag des A in Y, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, Berufungssenat VII, vom , GZ 6/4-4230/90-05, betreffend Einkommensteuer 1987 und 1988, zu bewilligen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird Folge gegeben.
Begründung
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag gemäß § 46 Abs. 1 VwGG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Im vorliegenden Fall wurde der im Spruch bezeichnete Bescheid dem Vertreter des Antragstellers nach dessen Ausführungen am zugestellt, sodaß die Beschwerdefrist im Sinne des § 26 Abs. 1 VwGG am abgelaufen ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht dem nicht entgegen, daß der Bescheid der belangten Behörde mit einem weiteren Bescheid vom gemäß § 293 BAO berichtigt worden ist. Bereits durch den ursprünglichen Bescheid vom ist es nämlich zu einem Eingriff in seine Rechte gekommen, während der Berichtigungsbescheid zu seinen Gunsten - nämlich durch Verminderung des Leistungsgebotes - ergangen ist. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde ist somit der Umstand, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 293 BAO berichtigt worden ist, nicht von Bedeutung.
Unter einem (eine Fristeinhaltung hindernden) Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG ist jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sichirren usw. zu verstehen. Ein die Fristeinhaltung hinderndes Ereignis liegt demnach auch dann vor, wenn die Verfahrenshandlung auf Grund eines Irrtums über das Fristende erst nach objektivem Ablauf der Frist vorgenommen wird. Eine Partei (ihr Bevollmächtigter) ist also auch dann gehindert, die Frist einzuhalten, wenn sie (er) irrtümlich ein - gegenüber dem objektiven - späteres Fristende annimmt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 11.439/A, und die dort zitierte weitere Rechtsprechung).
Im Antragsfall hat der Antragsteller vorgebracht und durch Vorlage einer schriftlichen Äußerung der Kanzleiangestellten seines Vertreters bewiesen, daß dieser verfügt hat, die sechswöchige Beschwerdefrist mit Ablauf des in das Vormerkbuch einzutragen und den Handakt etwa fünf Tage zuvor wieder vorzulegen, daß aber die Kanzleiangestellte gegen diese Verfügung verstieß und damit die Fristversäumnis verursachte.
Solange ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsgemäßen Kanzleibetrieb nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt ist, darf er sich dabei darauf verlassen, daß sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch tatsächlich befolgt. Da die in Rede stehende Fristversäumung somit auf einem weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten des anwaltlichen Vertreters beruhte und dieser nach dem vorgelegten Beweismittel ansonsten der ihm obliegenden Überwachungspflicht nachgekommen ist, kann ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Vertreters des Antragstellers - das dem Verschulden der Partei gleichzusetzen wäre - nicht angenommen werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/16/0032).
Der Antrag erweist sich damit als begründet, sodaß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen war.
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1992:1991130241.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-64771