VwGH 25.03.1992, 91/13/0051
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Das Übersehen der Angabe des unrichtigen Datums der Zustellung des angefochtenen Bescheides stellt ein Verschulden iSd § 45 Abs 1 Z 2 VwGG dar. Anders als nach § 46 Abs 1 VwGG idF 1985/564 schließt ein minderer Grad des Versehens ein Verschulden iSd § 45 Abs 1 Z 2 VwGG nicht aus (Hinweis B , 86/14/0039, 0040), wobei das Verschulden des Parteienvertreters dem der Partei gleichkommt. Eine aus Gründen des Gleichheitsgebotes zur Schließung durch Analogie zwingende Gesetzeslücke liegt nicht vor. Die Verursachung der irrigen Annahme der Versäumnis einer im VwGG vorgesehenen Frist beim VwGH durch die Partei ist der Versäumung einer solchen Frist durch diese nicht im Sinne einer Gleichwertigkeit ähnlich. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH B 1991/12/10 91/14/0235 1 |
Normen | |
RS 2 | Wenn ein Rechtsanwalt eine Beschwerde mit einer unrichtigen Angabe über den Zustelltag des angefochtenen Bescheides abgesendet oder ihre Absendung veranlaßt hat, dann hat er die besondere Sorgfaltspflicht verletzt, die ihm kraft seines Berufes obliegt und für deren Versäumung er nach § 1297 und § 1299 ABGB einzustehen hat. Daß er im konkreten Fall ohne sein Verschulden zur Anwendung der besonderen ihm als Rechtsanwalt obliegenden Sorgfalt außerstande gewesen sei, hat er gemäß § 1298 ABGB zu beweisen (vgl Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 638). |
Normen | AVG §71 Abs1 impl; VwGG §46 Abs1; |
RS 3 | Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist begrifflich nur möglich, wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2363/52 B RS 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
91/13/0052
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Anträge der S-GmbH in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, 1) auf Wiederaufnahme des mit Beschluß vom , Zl. 90/13/0284, abgeschlossenen Verfahrens, 2) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom , GZ. GA 7-1173/90, betreffend Haftung gemäß § 14 BAO, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Den Anträgen wird zu 1) gemäß § 45 VwGG, zu 2) gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben.
Begründung
Die Antragstellerin erhob mit einem am zur Post gegebenen Schriftsatz Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 7-1173/90, betreffend Haftung gemäß § 14 BAO. Nach den Ausführungen der Antragstellerin war der angefochtene Bescheid am zugestellt worden. Mit Beschluß vom , 90/13/0284, wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Begründet wurde der Beschluß damit, daß - ausgehend vom Zustelldatum - die mit sechs Wochen bemessene Frist zur Erhebung der Beschwerde bereits am geendet hatte.
Mit Schriftsatz vom wurde die Wiederaufnahme des mit dem bezeichneten Beschluß abgeschlossenen Verfahrens sowie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde ausgeführt, daß in der am zur Post gegebenen Beschwerdeschrift das Zustelldatum irrtümlich mit angegeben worden sei. Auf dem Original des Zustellkuverts befinde sich der Vermerk "angekündigt für , hinterlegt am ". Die Zustellung sei "frühestmöglich" mit dem bewirkt worden, weil dies der erste Tag sei, an dem die Sendung am Abgabepostamt 1218 Wien zur Abholung bereitgehalten worden sei. Zugekommen sei die Sendung dem Empfänger am , dem Tag der Abholung.
Mit Schriftsatz vom wurde vom zuständigen Abgabepostamt 1210 Wien die Auskunft erteilt, daß die Hinterlegung der in Rede stehenden Sendung am erfolgt sei und die Abholfrist am begonnen habe.
Daraus ergibt sich in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß der in Beschwerde gezogene Bescheid am zugestellt worden ist (vgl. § 17 Abs. 3 Zustellgesetz).
Damit ist aber für die Antragstellerin nichts gewonnen:
Nach der bei der Sachlage (allein) in Betracht kommenden Vorschrift des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumnis einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht. Das Übersehen der Angabe des unrichtigen Datums stellt jedoch ein Verschulden im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG dar. Anders als nach § 46 Abs. 1 VwGG schließt ein minderer Grad des Versehens ein Verschulden im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG nicht aus, wobei das Verschulden des Parteienvertreters dem der Partei gleichkommt (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0235, 0236, und die dort zitierte weitere Rechtsprechung).
Wenn wie im Antragsfall ein Rechtsanwalt die Beschwerde mit einer unrichtigen Angabe über den Zustelltag des angefochtenen Bescheides abgesendet oder ihre Absendung veranlaßt hat, dann hat er die besondere Sorgfaltspflicht verletzt, die ihm kraft seines Berufes obliegt und für deren Versäumung er nach den §§ 1297 und 1299 ABGB einzustehen hat. Daß er in dem vorliegenden Fall ohne sein Verschulden zur Anwendung der besonderen ihm als Rechtsanwalt obliegenden Sorgfalt außerstande gewesen sei, hätte er gemäß § 1298 ABGB zu beweisen gehabt (vgl. Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 638, und die dort zitierte Rechtsprechung).
Da im gegenständlichen, hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens in keiner Weise begründeten Antrag nicht dargetan wurde, daß den anwaltlichen Vertreter ein Verschulden an der unrichtigen Bezeichnung des Zustelltages nicht getroffen hat, konnte dem Antrag nicht entsprochen werden.
Voraussetzung der weiters von der Antragstellerin begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es gemäß § 46 Abs. 1 VwGG, daß eine Frist versäumt worden ist. Es kommt dabei auf eine TATSÄCHLICHE Fristversäumnis an (vgl. neuerlich den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0235, 0236). Wie sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt, ist eine Frist gar nicht versäumt worden, sodaß kein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt.
Zusatzinformationen
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Normen | ABGB §1297; ABGB §1298; ABGB §1299; AVG §71 Abs1 impl; B-VG Art7 Abs1; StGG Art2; VwGG §45 Abs1 Z2; VwGG §46 Abs1; VwRallg; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1992:1991130051.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-64762