VwGH 20.04.1993, 91/07/0148
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gem Art 132 B-VG kann erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Diese Berechtigung kommt aber einer Partei, die im Verwaltungsverfahren weder Antragsteller noch Rechtsmittelwerber ist, nicht zu; die Rechtsstellung jener Partei, gegen welche sich ein Antrag richtet, bleibt nämlich so lange unberührt, wie ein dem Begehren des Antragstellers stattgebender und die Einwendungen des Antragsgegners verwerfender behördlicher Abspruch noch nicht ergangen ist (Hinweis E , 92/07/0152). |
Normen | MRK Art6 Abs1; VwGG §27; VwGG §34 Abs1; WRG 1959 §117; WRG 1959 §63; |
RS 2 | Im Enteignungsverfahren und Entschädigungsverfahren nach dem WRG wird die Rechtsstellung des Eigentümers einer vom Enteignungsbegehren betroffenen Sache vor einem die Enteignung verfügenden behördlichen Abspruch - und somit insofern auch Art 6 MRK - nicht berührt. |
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RS 3 | Das Inkrafttreten der WRGNov 1990, BGBl 252, am bewirkte - mit der Aufhebung der Bestimmungen der § 114 ff WRG und der Änderung des § 100 Abs 2 WRG - den gesetzlichen Übergang der Zuständigkeit für das zur Verwirklichung bevorzugter Wasserbauten erforderliche Enteignungsverfahren und Entschädigungsverfahren vom Landeshauptmann an den BMLF. Ein im Jahre 1991 gestellter Devolutionsantrag geht damit ins Leere, weil die angestrebte Kompetenzverlagerungwirkung schon zuvor kraft Gesetzes eingetreten ist. |
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RS 4 | Indem durch eine Gesetzesänderung diejenige Behörde zuständig geworden ist, die im Devolutionsweg angerufen hätte werden können, ist auch der verfahrensrechtliche Anspruch auf Zurückweisung des - aus anderen Gründen unzulässigen - Devolutionsantrages konsumiert. Eine dennoch erfolgte Zurückweisung entfaltet keine Wirkung iSd § 36 Abs 2 VwGG, weil zur Zurückweisung des durch Erfüllung ex lege obsolet gewordenen Devolutionsbegehrens kein Anlaß mehr bestand. |
Normen | VwGG §27; VwGG §34 Abs1; |
RS 5 | Erweist sich eine Beschwerde als unzulässig, so ist eine in derselben Sache anhängige Beschwerde nicht wegen Gerichtshängigkeit der Sache, sondern aus demselben Grunde wie die erste Beschwerde zurückzuweisen (Hinweis: Oberndorfer, Verwaltungsgerichtsbarkeit 84). |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
92/07/0218
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Aumayr, in den Beschwerdesachen des H in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Wasserrechtssache, den Beschluß gefaßt:
gefaßt:
Spruch
Beide Beschwerden werden zurückgewiesen.
Begründung
Aus den Beschwerdeschriften und der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vorgelegten Ausfertigung seines Bescheides vom , Zl. 14.550/20-I4/90, ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Ö. AG stellte am beim Landeshauptmann von Niederösterreich einen Antrag auf Durchführung eines wasserrechtlichen Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens hinsichtlich einer Laderampe, welche zu einem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Lagerhaus gehört. Mit Bescheid vom gestattete die belangte Behörde die sofortige Inangriffnahme der im Rahmen des zum bevorzugten Wasserbau erklärten Bauvorhabens D. notwendigen Arbeiten an der Laderampe des Lagerhauses, sowie die dabei notwendigen Eingriffe in fremde Rechte schon vor Abschluß des wasserrechtlichen Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens.
Da eine Entscheidung in diesem Verfahren nicht erging, stellte der Beschwerdeführer am einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde. Mit der am zur Post gegebenen, zur hg. Zl. 91/07/0148 protokollierten Beschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht mit dem Vorbringen geltend, daß eine Entscheidung in der Sache ungeachtet des bereits vor rund neun Jahren anhängigen Verfahrens noch immer nicht vorliege, er aber gemäß Art. 6 MRK einen Anspruch auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist habe. Im Zuge dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag vom mit Bescheid vom zurück und begründete diese Entscheidung damit, daß mit dem Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung der anhängigen Sache ex lege gegeben sei; der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers sei der belangten Behörde zudem erst mit Schreiben vom übermittelt worden.
Mit der am zur Post gegebenen, zur hg. Zl. 92/07/0218 protokollierten Beschwerde wiederholte der Beschwerdeführer sein Begehren mit der Behauptung, eine Entscheidung der belangten Behörde stünde unverändert aus.
Beiden Beschwerden stehen Umstände entgegen, die gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ihre Zurückweisung zur Folge haben:
Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann gemäß Art. 132 B-VG erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Diese Berechtigung kommt aber einer Partei, die im Verwaltungsverfahren weder Antragsteller noch Rechtsmittelwerber ist, nicht zu; die Rechtsstellung jener Partei, gegen welche sich ein Antrag richtet, bleibt nämlich so lange unberührt, als ein dem Begehren des Antragstellers stattgebender und die Einwendungen des Antragsgegners verwerfender behördlicher Abspruch noch nicht ergangen ist (vgl. den hg. Beschluß vom , 1846, 1887/69, Slg. N.F. Nr. 7712/A, die hg. Erkenntnisse vom , 1717/68, Slg. N.F. Nr. 7479/A, und vom , 92/07/0152, ferner ebenso schon den hg. Beschluß vom , 574/58, Slg. N.F. Nr. 4640/A).
Zu einer davon abweichenden Beurteilung bietet auch das auf ein Enteignungs- und Entschädigungsverfahren Bezug habende Beschwerdevorbringen keinen Anlaß. Auch in einem solchen Fall wird die Rechtsstellung des Eigentümers der vom Enteignungsbegehren betroffenen Sache vor einem die Enteignung verfügenden behördlichen Abspruch - und somit insofern die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung des Art. 6 MRK - nicht berührt.
Der Beschwerdeführer ist im anhängigen Verwaltungsverfahren somit zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht berechtigt. Wie die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom rechtlich zutreffend erkannt hat, bewirkte das Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, am mit der Aufhebung der Bestimmungen der §§ 114 ff WRG und der Änderung des § 100 Abs. 2 WRG 1959 den gesetzlichen Übergang der Zuständigkeit für das zur Verwirklichung bevorzugter Wasserbauten erforderliche Enteignungs- und Entschädigungsverfahren vom Landeshauptmann an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Der vom Beschwerdeführer am gestellte Devolutionsantrag ging damit ins Leere; die mit diesem Antrag angestrebte Kompetenzverlagerungswirkung war schon zuvor kraft Gesetzes eingetreten, weshalb auch die Frage bedeutungslos geworden war, ob dem Devolutionsantrag seiner gegebenenfalls verfehlten Einbringung bei der Unterbehörde wegen (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, ENr. 55f. zu § 73 AVG wiedergegebene hg. Judikatur) Wirksamkeit nicht zukommen hätte können.
Bei dieser Verfahrenslage konnte sich die zu 91/07/0148 protokollierte Säumnisbeschwerde nur mehr auf die Entscheidung in der Sache selbst erstrecken, weil der verfahrensrechtliche Anspruch des Beschwerdeführers auf einen seinen Devolutionsantrag zurückweisenden Bescheid durch die vorangegangene Gesetzesänderung konsumiert war. Der Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom hätte dem Beschwerdeführer gegenüber, wäre er zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht im Verwaltungsverfahren berufen gewesen, demgemäß Wirksamkeit im Sinne des § 36 Abs. 2 VwGG auch nicht entfalten können, weil zur Zurückweisung des durch Erfüllung ex lege obsolet gewordenen Devolutionsbegehrens des Beschwerdeführers kein Anlaß mehr bestand.
Da der Beschwerdeführer aber, wie oben dargestellt, zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht im Verwaltungsverfahren tatsächlich nicht berechtigt ist, war seine zu 91/07/0148 protokollierte Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG unter Bedachtnahme auf § 12 Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Die zu 92/07/0218 protokollierte Säumnisbeschwerde richtet sich, wie aus dem Vorgesagten deutlich wird, gegen die Untätigkeit der belangten Behörde in derselben Sache. Sie wäre demnach im Falle der Zulässigkeit der ersten Beschwerde aus dem Grunde der Gerichtshängigkeit der Sache zurückzuweisen gewesen; da sich aber schon die erste Beschwerde aus dem Grunde fehlender Berechtigung des Beschwerdeführers zu ihrer Erhebung als unzulässig erwies, war auch die zu 92/07/0218 protokollierte Beschwerde aus demselben Grunde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG unter Bedachtnahme auf § 12 Abs. 3 VwGG zurückzuweisen (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 84).
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §73 Abs2; B-VG Art132; MRK Art6 Abs1; VwGG §27; VwGG §34 Abs1; VwGG §36 Abs2; WRG 1959 §100 Abs2 idF 1990/252; WRG 1959 §100 Abs2; WRG 1959 §114; WRG 1959 §117; WRG 1959 §63; |
Schlagworte | Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Besondere Rechtsgebiete Wasserrecht Einwendung der entschiedenen Sache Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1993:1991070148.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-64732