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VwGH 01.07.1991, 90/10/0183

VwGH 01.07.1991, 90/10/0183

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52 Abs2;
NatSchG OÖ 1982 §11a Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §32 Abs1 Z2;
NatSchG OÖ 1982 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
RS 1
Bringt die Behörde das von ihr eingeholte Gutachten nicht dem ausgewiesenen Vertreter des Bf zur Kenntnis, wird dem Bf nicht in gehöriger Weise Parteiengehör gewährt und ihm solcherart die Möglichkeit genommen, diesem Gutachten allenfalls durch Beibringung eines Privatgutachtens entgegenzutreten. Diese Verletzung von Verfahrensvorschriften ist deshalb wesentlich, weil gemäß § 11a Abs 1 OÖ NatSchG 1982 vor Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 5 Abs 1 leg cit jedenfalls das Gutachten eines Landesbeauftragten für Naturschutz und Landschaftsschutz (§ 32 Abs 1 Z 2) einzuholen ist und die belBeh den angefochtenen Bescheid auch tatsächlich auf das erstattete Gutachten des Amtssachverständigen gestützt hat. Angesichts des besonderen Gewichtes dieses Gutachtens für die zu fällende Entscheidung muß der Partei jedenfalls Gelegenheit gegeben werden, dem Gutachten in geeigneter Weise, dh auf gleichem fachlichen Niveau, entgegenzutreten; bloß laienhafte Ausführungen genügen dazu nicht. Es liegt auf der Hand, daß die Partei einem Sachverständigengutachten im Regelfall nur nach Beiziehung sachkundiger Personen in geeigneter Weise entgegenzutreten vermag.
Norm
AVG §45 Abs3;
RS 2
Das Parteiengehör, ist nicht ordnungsgemäß gewährt, wenn ein namhaft gemachter Parteienvertreter von der Behörde übergangen wird.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2091/55 E VS VwSlg 4557 A/1958 RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Dr. Edeltraud C in L, vertreten durch Dr. M Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. N-100904/2-I/Wie-1990, betreffend Feststellung nach dem O.ö. NSchG 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren hinsichtlich Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin begehrte mit Antrag vom die nachträgliche bescheidmäßige Feststellung, daß durch das am Ufer des Irrsees auf dem Grundstück Nr. n/1, KG Hof, errichtete Gebäude solche öffentlichen Interessen, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.

Der Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom gemäß § 5 Abs. 1

O.ö. NSchG 1982 abgewiesen. Die Behörde legte dieser Entscheidung das Gutachten des von ihr beigezogenen Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz vom , ergänzt durch die Stellungnahme vom , zugrunde. Aus den von ihr als schlüssig bezeichneten Ausführungen dieses Sachverständigen folgerte die Behörde, daß das gegenständliche Gebäude einen maßgeblichen Eingriff in das Landschaftsbild darstelle. Die Beweiskraft dieses Gutachtens könne durch das von der Beschwerdeführerin beigebrachte Privatgutachten des Dipl.Ing. Eberhard N, welches die Frage der Störung des Landschaftsbildes nur sehr allgemein behandle, nicht erfolgreich bekämpft werden. Im Rahmen der Interessenabwägung gelangte die Behörde zu der Auffassung, daß aufgrund der maßgeblichen Störwirkung des Gebäudes auf das Landschaftsbild das öffentliche Interesse an seiner Erhaltung alle anderen Interessen überwiege. Daher sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In ihrer Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, das Gutachten des Amtssachverständigen sei mangelhaft, enthalte unrichtige Feststellungen und gehe zum Teil von falschen Prämissen aus. Insbesondere auch wegen dieses mangelhaften Gutachtens sei die Behörde zu der nach Meinung der Beschwerdeführerin nicht dem Gesetz entsprechenden Entscheidung gelangt.

Im Berufungsverfahren holte die Oberösterreichische Landesregierung ein weiteres Gutachten eines Amtssachverständigen ein. Der beigezogene Landesbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz kam in seinem aufgrund eines Lokalaugenscheines am erstellten Gutachten vom zu dem Ergebnis, daß das gegenständliche Objekt einen maßgeblichen Eingriff in das Landschaftsbild des Irrsees darstelle und eine positive Beurteilung des Antrages der Beschwerdeführerin ausgeschlossen sei. Dieses Gutachten wurde der Beschwerdeführerin, nicht jedoch ihrem ausgewiesenen Rechtsvertreter, mit der Einladung zugestellt, dazu innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom wurde die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 5 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 72/1988 bestätigt. Nach wörtlicher Wiedergabe des Gutachtens vom wies die Behörde darauf hin, daß eine Stellungnahme von der Beschwerdeführerin nicht eingelangt sei, und legte sodann ausgehend von den von ihr als schlüssig erachteten Ausführungen des Amtssachverständigen dar, weshalb auch sie das gegenständliche Objekt als einen Eingriff im Sinne des § 5 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 ansehe, durch den öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes im betroffenen Bereich des Irrsees, die höher als alle anderen Interessen zu werten seien, verletzt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß das dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Gutachten nur ihr persönlich, nicht jedoch dem von ihr namhaft gemachten, bevollmächtigten Vertreter (dem nunmehrigen Beschwerdevertreter) zugestellt worden sei. In der Annahme, daß auch dieser vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt worden sei und wie bisher dazu Stellung nehmen werde, habe sie das Gutachten nicht an den Vertreter weitergeleitet. Durch die geschilderte Vorgangsweise sei sie im Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Andernfalls hätte sie Gelegenheit gehabt, durch ihren Vertreter zum Gutachten des Amtssachverständigen allenfalls auch durch ein ergänzendes Privatgutachten Stellung zu nehmen.

Das Beschwerdevorbringen ist berechtigt. Gemäß § 37 AVG besteht der Zweck des Ermittlungsverfahrens unter anderem darin, den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach Abs. 3 des mit "Allgemeine Grundsätze über den Beweis" überschriebenen § 45 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Das Parteiengehör ist nicht ordnungsgemäß gewährt, wenn ein namhaft gemachter Parteienvertreter von der Behörde übergangen wird (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 4557/A, und vom , Zl. 3517/80).

Die belangte Behörde hat durch den von ihr gar nicht in Abrede gestellten Umstand, daß sie das von ihr eingeholte Gutachten nicht dem ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht hat, der Beschwerdeführerin nicht in gehöriger Weise Parteiengehör gewährt und ihr solcherart die Möglichkeit genommen, diesem Gutachten allenfalls durch Beibringung eines Privatgutachtens entgegenzutreten. Diese Verletzung von Verfahrensvorschriften ist deshalb wesentlich, weil gemäß § 11a Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 vor Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. jedenfalls das Gutachten eines Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz (§ 32 Abs. 1 Z. 2) einzuholen ist und die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch tatsächlich auf das erstattete Gutachten des Amtssachverständigen gestützt hat. Angesichts des besonderen Gewichtes dieses Gutachtens für die zu fällende Entscheidung muß der Partei jedenfalls Gelegenheit gegeben werden, dem Gutachten in geeigneter Weise, d.h. auf gleichem fachlichen Niveau, entgegenzutreten; bloß laienhafte Ausführungen genügen dazu nicht. Es liegt auf der Hand, daß die Partei einem Sachverständigengutachten im Regelfall nur nach Beiziehung sachkundiger Personen in geeigneter Weise entgegenzutreten vermag. All dies läßt die belangte Behörde außer acht, wenn sie in ihrer Gegenschrift die Wesentlichkeit des ihr unterlaufenen Verfahrensmangels verneint. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 hier anzuwenden ist. Die Abweisung des Mehrbegehrens für Stempelgebühren beruht darauf, daß die Vorlage EINER Ausfertigung des angefochtenen Bescheides genügte und daher insoweit auch nur die darauf entfallende Stempelgebühr zu ersetzen ist.

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52 Abs2;
NatSchG OÖ 1982 §11a Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §32 Abs1 Z2;
NatSchG OÖ 1982 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Schlagworte
Parteiengehör Allgemein
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel
Sachverständigenbeweis
Parteiengehör Sachverständigengutachten
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1991:1990100183.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-64612