VwGH 19.09.1989, 89/14/0100
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Beibehaltung eines Wohnsitzes in unüblicher Entfernung vom Ort der Berufstätigkeit ist allenfalls steuerlich zu berücksichtigen, wenn der Ehegatte am Ort des Wohnsitzes einkommensteuerrechtlich relevante Einkünfte erzielt (Hinweis E , 81/13/0163). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/14/0065 E RS 4 |
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RS 2 | Der Mehraufwand, der sich aus der Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes bei einem, wenngleich unfreiwillig eingetretenen Wechsel des Arbeitsortes ergibt, ist nur dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn die Verschiedenheit von Wohnsitz und Arbeitsort ausschließlich berufsbedingt ist (Hinweis auf E , 1549/69, VwSlg 4203 F/1971). |
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RS 3 | Es reicht nicht schon die abstrakte Möglichkeit, von der Arbeitsstelle abberufen zu werden, hin, um die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in unüblicher Entfernung vom Arbeitsplatz zu rechtfertigen. Es muß sich vielmehr um eine konkret, ernsthaft und latent drohende Möglichkeit einer solchen Abberufung handeln. Davon kann beispielsweise nicht die Rede sein, wenn der Steuerpflichtige mit der Abberufung von der Arbeitsstelle nicht mit größerer Wahrscheinlichkeit rechnen mußte, als im allgemeinen Arbeitnehmer privatwirtschaftlicher Unternehmen mit einem Verlust des Arbeitsplatzes zu rechnen haben. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/14/0165 E RS 4 |
Entscheidungstext
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1990, 107;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des J in H vertreten durch Dr. A Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 163/2-5/Se-1987, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist seit Jahrzehnten beim selben Arbeitgeber beschäftigt. Nach Rückkehr von einem mehrjährigen Auslandsdienst erhielt er 1981 nicht im Betrieb seines Arbeitgebers in L, in dessen Nähe der Beschwerdeführer seinen Familienwohnsitz hat, eine Beschäftigung, sondern eine zentrale Funktion am Sitz des Arbeitgebers in W. Der Beschwerdeführer hat seither während der Woche einen zweiten Haushalt in W. In den Jahren 1981 bis 1983 wurden ihm vom Finanzamt steuerfreie Beträge für die wöchentlichen Familienheimfahrten sowie für die Kosten des zweiten Haushaltes auf der Lohnsteuerkarte eingetragen.
Für 1984 machte der Beschwerdeführer einen entsprechenden steuerfreien Betrag geltend. Im Antrag war vermerkt, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers keine Einkünfte beziehe. Das Finanzamt lehnte die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte ab. Die Wahl des Wohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung zum Beschäftigungsort sei in der Regel durch persönliche Gründe bedingt und nicht durch die Berufsausübung verursacht. Werbungskosten könnten vorliegen, wenn die Ehegatten an verschiedenen Orten berufstätig seien. Der Beschwerdeführer habe seit 1981 keine Maßnahmen gesetzt, den Familienwohnsitz an den Ort der Beschäftigung zu verlegen. Die Wahl des Wohnsitzes erscheine daher durch persönliche Gründe bedingt. Den Antrag auf Eintragung eines weiteren steuerfreien Betrages für 1984 auf der Lohnsteuerkarte für Internatskosten eines Sohnes des Beschwerdeführers lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, daß nach Abzug der Haushaltsersparnis nur eine anzuerkennende außergewöhnliche Belastung von S 11.000,-- verbleibe, die unter der zumutbaren Mehrbelastung von S 32.948,20 liege.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In dieser machte er geltend, er habe vier minderjährige Kinder, die von seiner Frau im Eigenheim des Beschwerdeführers erzogen würden. Nach Rückkehr von seiner Auslandstätigkeit im Jahre 1981 sei er unfreiwillig von seinem Arbeitgeber nach W versetzt worden. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes sei in Anbetracht der erwähnten Familiensituation und des nur schwer verwertbaren Eigenheimes nicht zumutbar, sondern geradezu sinnlos, da der Beschwerdeführer immer wieder zu langwierigen Auslandsaufenthalten den Dienstort W verlassen müsse. So habe er 1984 von August bis einschließlich November einen ununterbrochenen Dienstaufenthalt in der UdSSR zu absolvieren gehabt.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Spätestens nach Ablauf von zwei Jahren sei ein vollständiger Umzug in den neuen Beschäftigungsort zumutbar. Ab diesem Zeitpunkt müßten die Mehrkosten aus der Fortführung des Doppelhaushaltes der privaten Lebensführung zugerechnet werden. Die Voraussetzung, daß die Ehegattin am Familienwohnsitz einen Gewerbebetrieb führe oder unselbständig tätig sei, liege hier nicht vor. Die wöchentlichen Familienheimfahrten könnten nur anerkannt werden, soweit die doppelte Haushaltsführung steuerlich Berücksichtigung finde. Da der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1981, also seit mehr als fünf Jahren, an seinem neuen Arbeitsort tätig sei, könnten die Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung keine steuerliche Berücksichtigung mehr finden.
Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage seiner Berufung an die belangte Behörde. In diesem Antrag brachte er noch vor, er könne entsprechend dem Dienstvertrag jederzeit für eine Tätigkeit außerhalb des Betriebsortes eingesetzt werden, wobei die Dauer des Einsatzes mehrere Monate betragen könne.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mit der Begründung ab, angesichts der vielen seit 1981 am Dienstort verbrachten Wochen (1981 bis 1983 jährlich jeweils 47 Arbeitswochen, 1984 34 Arbeitswochen), komme den „langwierigen Auslandsaufenthalten“ keine Bedeutung zu. Angesichts der vielen am Dienstort verbrachten Wochen und der durch die Nichtübersiedlung entstandenen Wohnmehrkosten wäre eine Übersiedlung der Familie nach W sehr wohl sinnvoll gewesen. Die übrigen ins Treffen geführten Gründe, wie das eigene Haus und vier Kinder seien eindeutig privater Natur. Da der Beschwerdeführer seit 1981 in W beschäftigt und vorher bereits 25 Jahre beim gleichen Arbeitgeber mit Dienstort W tätig gewesen sei, handle es sich bei der Versetzung nach W um keine vorübergehende Maßnahme. Der Beschwerdeführer habe seit 1981 nichts unternommen, um den Wohnsitz an den Ort der Beschäftigung (W) zu verlegen. Die durch die getrennte Haushaltsführung verursachten Aufwendungen und die Auslagen für die Familienheimfahrten gehörten daher zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Mangels Zwangsläufigkeit sei auch die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Eintragung des steuerfreien Betrages für 1984 auf der Lohnsteuerkarte verletzt. Er behauptet Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer beruft sich zum Nachweis der Mangelhaftigkeit des Verfahrens aus Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Er ist darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz im Verfahren vor den Abgabenbehörden nicht zur Anwendung zu gelangen hatte.
Die Vorschriften der Bundesabgabenordnung über die Pflicht der Behörde zur amtswegiger Sachverhaltsermittlung und über die Gewährung des Parteiengehörs wurden von der belangten Behörde nicht verletzt:
Parteiengehör wurde dem Beschwerdeführer in ausreichendem Maße gewährt. Die für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte wurden ihm bereits durch die beiden Bescheide des Finanzamtes vorgehalten. Der Beschwerdeführer hatte daher nicht nur vor der Behörde erster Instanz sondern auch im Berufungsverfahren Gelegenheit, die entscheidungswesentlichen Tatsachen, die für seinen Standpunkt sprechen konnten, der belangten Behörde vorzutragen. Hat er dies nicht getan, so ist dies sein Versehen und nicht ein Versehen der Behörde.
Da die Gründe für die Nichtverlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung in erster Linie wohl nur dem Beschwerdeführer bekannt sein können, traf ihn diesbezüglich auch eine Mitwirkungspflicht im Verfahren. Die belangte Behörde verletzte ihre Verpflichtung zu amtswegiger Wahrheitsforschung nicht, wenn sie sich damit begnügte, die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände zu berücksichtigen. Vor den Abgabenbehörden hat der Beschwerdeführer aber nicht mehr vorgetragen, als bereits oben dargestellt wurde.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist es auf Grund des Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) verwehrt, auf darüber hinausgehende Behauptungen in der Beschwerde und auf deren Beilagen Rücksicht zu nehmen.
Der Beschwerdeführer hat vor den Verwaltungsbehörden nicht vorgebracht, daß es ihm seit 1981 nicht möglich gewesen wäre, an seinem neuen Dienstort in W eine für die Familie geeignete Wohnmöglichkeit zu beschaffen. Die belangte Behörde mußte daher auch nicht von einer derartigen Unmöglichkeit ausgehen.
Der Beschwerdeführer hat aber auch nie behauptet, daß seine Ehegattin am Familienwohnsitz oder in dessen Nähe durch ihre Tätigkeit einkommensteuerrechtlich relevante Einkünfte beziehe. Um solche müßte es sich aber handeln, sollte die Beibehaltung des Familienwohnsitzes zu einer einkommensteuerrechtlich relevanten Aufwendung des Beschwerdeführers führen; dies ist spätestens seit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 81/13/0163, ÖStZB 1984, 277, klargestellt (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof , 86/14/0065, ÖStZB 1987, 306).
Auf die in der Beschwerde selbst als Liebhaberei bezeichnete Tätigkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers in der Familienpension hätte die belangte Behörde daher auch dann nicht Rücksicht nehmen können, wenn der Beschwerdeführer entsprechende Behauptungen im Verwaltungsverfahren aufgestellt gehabt hätte. Sie ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß eine steuerlich relevante Erwerbstätigkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers der Übersiedlung seiner Familie nach W nicht im Wege stand.
Daß die Verschiedenheit von Wohnsitz und Arbeitsort ausschließlich beruflich bedingt sein muß und sich der Verwaltungsgerichtshof abweichender Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht anschließt, wurde bereits im hg. Erkenntnis vom , 1549/69, VwSlg. 4203 F/1971, klargestellt. Auch das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlaß, von dieser Ansicht abzugehen.
Die bloß abstrakte Möglichkeit, vom Dienstort abberufen zu werden, reicht nicht aus, um die Beibehaltung des entfernten Familienwohnsitzes zu rechtfertigen (vgl. Verwaltungsgerichtshof , 86/14/0165, ÖStZB 1987, 475).
Daß dem Beschwerdeführer jederzeit eine Versetzung an einen anderen Dienstort drohe, hat er nicht behauptet. Er hat nur vorgebracht, er müsse damit rechnen, von seinem Arbeitgeber auf „langwierige Auslandaufenthalte“ geschickt zu werden, die mehrere Monate dauern können. Diesem Vorbringen hat die belangte Behörde unter Hinweis auf die in den Jahren 1981 bis 1984 am Dienstort in W verbrachten Arbeitswochen zutreffend entgegengehalten, daß die Auslandsaufenthalte im mehrjährigen Durchschnitt betrachtet ein Ausmaß hätten, das einen Verlegung des Familienwohnsitzes an den Dienstort nicht „sinnlos“ und daher auch nicht unzumutbar mache.
Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, daß die Unterlassung der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Dienstort des Beschwerdeführers in W und damit die doppelte Haushaltsführung sowie die Familienheimfahrten spätestens ab 1984 nicht durch die unselbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers veranlaßt sind, sondern durch Gesichtspunkte der Gestaltung der privaten Lebensführung.
Es handelt sich daher weder bei den Kosten für die doppelte Haushaltsführung, noch bei den Auslagen für die Familienheimfahrten um Werbungskosten. Da es am Merkmal der Zwangsläufigkeit fehlt, wurde von der belangten Behörde zu Recht auch die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung abgelehnt.
Die Entscheidung des Finanzamtes bezüglich der außergewöhnlichen Belastung durch Internatskosten für einen Sohn wurde vom Beschwerdeführer im Rechtsmittelverfahren nie in Frage gestellt. Die belangte Behörde durfte daher die Feststellung des Finanzamtes, daß die durch die Internatskosten dem Beschwerdeführer verursachte außergewöhnliche Belastung unter Berücksichtigung der Haushaltsersparnis nur S 11.000,-- betrage und daher in der zumutbaren Mehrbelastung von S 32.948,20 Deckung finde, als unbedenklich übernehmen. Gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Vorgangsweise wird in der Beschwerde ebensowenig vorgebracht, wie gegen die Richtigkeit der erwähnten Beträge. In der Beschwerde heißt es sogar ausdrücklich „die gesetzlich zumutbare Mehrbelastung wurde mit dem geltend gemachten Betrag nicht überschritten“.
Dem angefochtenen Bescheid haftet daher weder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, noch inhaltliche Rechtswidrigkeit an.
Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid somit in seinen Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.
Wien,
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Schlagworte | Doppelhaushalt Familienheimfahrt |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1989:1989140100.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-64444