VwGH 23.09.1988, 88/17/0146
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | VwGG §27; |
RS 1 | Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kann eine Säumnisbeschwerde nur erhoben werden, wenn der Bf einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung seines im Bereich der Verwaltung unerledigt gebliebenen Begehrens hatte (Hinweis auf B vom , 1426/50, VwSlg 1807 A/1950, B , 2701/77). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/12/0010 E RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Im aufsichtsbehördlichen Verfahren kommt dem Antragsteller ein Recht auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht zu. Voraussetzung für die Berechtigung zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde gem § 27 VwGG ist nämlich das Vorliegen eines der Entscheidungspflicht der bel Behörde unterliegenden und noch nicht erledigten Antrages des Antragstellers. (hier: Begehren eines Strafgefangenen um Weiterleitung eines Schreibens an die Staatsanwaltschaft bzw. Erstattung einer Strafanzeige) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 87/01/0312 B RS 3 |
Normen | AVG §68 Abs7; FremdenverkehrsG Tir 1979 §36 Abs4; |
RS 3 | Die Bestimmung des § 68 Abs 7 AVG gilt ganz allgemein für die Anrufung des Aufsichtsrechtes im Gegensatz zur Verfolgung der Rechte der Partei im ordentlichen Instanzenzug; so insb auch dann, wenn das Aufsichtsrecht einer staatlichen Beh oder einer Beh des Landes gegenüber Beschlüsse von Organen der Selbstverwaltungskörperschaft in Frage steht (Hinweis E , 836/55). |
Normen | |
RS 4 | Das im § 36 Abs 4 Tir FremdenverkehrsG normierte Recht der LReg, Beschlüsse und Verfügungen der Organe eines Fremdenverkehrsverbandes, die gegen G verstoßen, aufzuheben, stellt ein gegenüber den im § 68 Abs 3 und Abs 4 genannten Rechten der sachlich in Betracht kommenden OberBeh weitergehendes Recht der LReg dar, weil es einerseits nicht auf individuelle Akte beschränkt und andererseits nicht an die dort genannten engeren Voraussetzungen gebunden ist. |
Normen | |
RS 5 | Es steht außer Zweifel, daß auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes nach § 36 Abs 4 Tir FremdenverkehrsG niemandem ein Rechtsanspruch zusteht, zumal im § 36 Abs 4 Tir FremdenverkehrsG zum Unterschied von Abs 3 dieser Gesetzesstelle von einem Antrag eines Mitgliedes nicht die Rede ist. Nur die zuletzt genannte Bestimmung räumt den dort genannten Personen ein subjektives, auch vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts verfolgbares Recht ein (Hinweis auf E , 3218/80). |
Normen | |
RS 6 | Ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, ist gem Art 132 B-VG zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch dann berechtigt, wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann. Dies setzt jedoch im Falle einer Aufsichtsbeschwerde voraus, dass die Partei - etwa trotz der ausdrücklichen Vorschrift des § 68 Abs 7 AVG - einen rechtlichen Anspruch auf die Erlassung eines Bescheides behauptet. In diesem Fall müsste die Behörde den Antrag wegen Unzulässigkeit zurückweisen (Hinweis auf B VS , 0934/73). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des HS in A, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, Zwergergasse 1, gegen die Tiroler Landesregierung betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht über eine Aufsichtsbeschwerde, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe am an das "Amt der Tiroler Landesregierung" unter anderem den Antrag gestellt, der Beschluß der Vollversammlung des Fremdenverkehrsverbandes A vom , womit die Erhöhung der Aufenthaltsabgabe nach dem Tiroler Fremdenverkehrsgesetz von S 3,-- auf S 5,-- festgesetzt worden sei, möge als nichtig aufgehoben werden und es wolle angeordnet werden, daß der Fremdenverkehrsverband A eine neue Vollversammlung abhalte, in der sowohl über die Festsetzung des Promillesatzes für die Pflichtbeiträge 1987 als auch über die Festsetzung der Aufenthaltsabgabe für das Jahr 1987 erneut abgestimmt werde. Auf diese Anträge habe die belangte Behörde mit einem bloßen Schreiben vom geantwortet, worin eine Erledigung der Anträge des Beschwerdeführers abgelehnt worden sei.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, der Verwaltungsgerichtshof möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde den Vollversammlungsbeschluß des Fremdenverkehrsverbandes A vom , womit die Erhöhung der Aufenthaltsabgabe von S 3,-- auf S 5,-- festgelegt worden sei, für nichtig erklären und die Anordnung treffen, daß der genannte Fremdenverkehrsverband eine neuerliche Vollversammlung abzuhalten habe, in der sowohl über die Festsetzung des Promillesatzes für die Pflichtbeiträge 1987 als auch über die Festsetzung der Aufenthaltsabgabe für das Jahr 1987 abgestimmt werde.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1979, LGBl. Nr. 39, haben folgenden Wortlaut:
"5. Abschnitt
Aufsicht über Fremdenverkehrsverbände
§ 36
Aufsichtsbehörde, allgemeine Maßnahmen
(1) Der Fremdenverkehrsverband untersteht der Aufsicht der Landesregierung...
(3) Der Fremdenverkehrsverband hat das Ergebnis durchgeführter Wahlen der Landesregierung unverzüglich anzuzeigen. Die Landesregierung hat auf Antrag eines bei der Wahl anwesenden oder ordnungsgemäß vertretenen Mitgliedes oder von Amts wegen Wahlen der Organe eines Fremdenverkehrsverbandes wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens als ungültig zu erklären, wenn die Rechtswidrigkeit erwiesen ist und auf das Wahlergebnis von Einfluß war ...
(4) Die Landesregierung hat Beschlüsse und Verfügungen der Organe eines Fremdenverkehrsverbandes, die gegen Gesetze verstoßen, aufzuheben."
Zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde ist gemäß Art. 132 B-VG berechtigt, wer in einem Verwaltungsverfahren als Partei die Entscheidungspflicht geltend machen konnte. Die Beschwerde kann gemäß § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.
Auf der Grundlage dieser Rechtsvorschriften ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine Säumnisbeschwerde nur erhoben werden kann, wenn der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung seines im Bereich der Verwaltung unerledigt gebliebenen Begehrens hatte (vgl. den hg. Beschluß vom , Zl. 86/12/0010, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Letzteres trifft insbesondere dann nicht zu, wenn der Einschreiter lediglich aufsichtsbehördliche Maßnahmen anregt, auf deren Erlassung ihm kein Rechtsanspruch zusteht. Bei Verweigerung derartiger Maßnahmen kann von ihm daher auch nicht das Recht, die Verletzung der Entscheidungspflicht mit Säumnisbeschwerde geltend zu machen, in Anspruch genommen werden (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 863/55, vom , Zl. 1532/68, vom , Zl. 368/73, vom , Zl. 580/73, Rechtssatz veröffentlicht in Slg. Nr. 8404/A, und vom , Zl. 85/10/0114).
Dies gilt insbesondere kraft der ausdrücklichen Regelung des § 68 Abs. 7 AVG 1950 für die in den Absätzen 2 bis 4 dieser Gesetzesstelle genannten Abänderungs- und Behebungsrechte der Behörde, die den Bescheid (allenfalls in letzter Instanz) erlassen hat, bzw. der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde (vgl. hiezu unter anderem die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 1916/A, und vom , Zlen. 83/11/0082, 0083, sowie die Beschlüsse vom , Zl. 784/55, vom , Zl. 1067/64, vom , Zl. 265/72, und vom , Zl. 83/11/0097).
Die Bestimmung des § 68 Abs. 7 AVG 1950 gilt jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits erwähnten Erkenntnis vom , Zl. 863/55, dargetan hat, darüber hinaus ganz allgemein für die Anrufung des Aufsichtsrechtes im Gegensatz zur Verfolgung der Rechte der Partei im ordentlichen Instanzenzug; so insbesondere auch dann, wenn das Aufsichtsrecht einer staatlichen Behörde oder einer Behörde des Landes gegenüber Beschlüssen von Organen der Selbstverwaltungskörperschaften in Frage steht (Erkenntnis vom , Zl. 3142/52, mwN.).
Nun stellt zwar das im § 36 Abs. 4 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1979 normierte Recht der Landesregierung, Beschlüsse und Verfügungen der Organe eines Fremdenverkehrsverbandes, die gegen Gesetze verstoßen, aufzuheben, ein gegenüber den im § 68 Abs. 3 und 4 AVG genannten Rechten der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde weitergehendes Recht der Landesregierung dar, weil es einerseits nicht auf individuelle Akte beschränkt und andererseits nicht an die dort genannten engeren Voraussetzungen gebunden ist. Dennoch steht außer Zweifel, daß auch auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes nach § 36 Abs. 4 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1979 niemandem ein Rechtsanspruch zusteht, zumal im § 36 Abs. 4 leg. cit. zum Unterschied von Absatz 3 dieser Gesetzesstelle von einem Antrag eines Mitgliedes nicht die Rede ist. Nur die zuletzt genannte Bestimmung räumt den dort genannten Personen ein subjektives, auch vor den Gerichtshöfen des öffentliches Rechtes verfolgbares Recht ein (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 04/3218/80).
Nun hat zwar der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9458/A, ausgesprochen, daß ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, gemäß Art. 132 B-VG zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch dann in einer Zurückweisung bestehen kann. Dies setzt jedoch im Falle einer Aufsichtsbeschwerde voraus, daß die Partei - etwa trotz der ausdrücklichen Vorschrift des § 68 Abs. 7 AVG 1950 - einen rechtlichen Anspruch auf die Erlassung eines Bescheides behauptet. In diesem Fall müßte die Behörde den Antrag wegen Unzulässigkeit zurückweisen (vgl. hiezu Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8 I., Seite 377). Daß jedoch der Bechwerdeführer im Verwaltungsverfahren einen solchen rechtlichen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides geltend gemacht hätte, ist seinem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §68 Abs2; AVG §68 Abs3; AVG §68 Abs4; AVG §68 Abs7; AVG §73 Abs1 impl; AVG §73 Abs1; B-VG Art132; FremdenverkehrsG Tir 1979 §36 Abs3; FremdenverkehrsG Tir 1979 §36 Abs4; VwGG §27; |
Schlagworte | Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Zulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der Befugnisse Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1988:1988170146.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-64195