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VwGH 26.05.1988, 88/16/0028

VwGH 26.05.1988, 88/16/0028

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
FinStrG §98 Abs3
RS 1
Angaben bei der ersten Vernehmung kommen erfahrungsgemäß der Wahrheit am nächsten (Hinweis E , 86/16/0085).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 87/16/0023 E VwSlg 6230 F/1987; RS 4
Normen
AVG §45 Abs2 implizit
BAO §167 Abs2
FinStrG §102 Abs1
FinStrG §98 Abs3
ZollG 1988 §174 Abs3 lita
RS 2
Ausführungen zur Frage der Beweiswürdigung im Falle der Beurteilung des Vorliegens des Tatbestandes nach § 174 Abs 3 lit a ZollG 1955, insbesondere zur Frage der Glaubwürdigkeit eines als Zeugen unter Wahrheitspflicht vernommenen Polizeibeamten.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde des GG in W, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Karfreitstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , GZ. 7/6/G-27/1/-/87, betreffend Einforderung kraft Gesetzes entstandener Eingangsabgaben für einen Schlüsselanhänger aus Gold, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Zollamt Klagenfurt mit Bescheid vom ausgesprochen, daß für den Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs. 3 lit. a iVm § 3 Abs. 2 des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129 (ZollG), wegen erstmalig vorschriftswidriger Verfügung über einen Schlüsselanhänger aus Gold, der einen Löwen darstellt, mit einem kleinen Brillant, die Eingangsabgabenschuld in der Gesamthöhe von 10.426,-- S kraft Gesetzes entstanden sei, was zuzüglich 2 % Säumniszuschlag in Höhe von 209,-- S insgesamt 10.635,-- S ergebe. Nach der Begründung des Bescheides habe der Beschwerdeführer im Jahre 1984 anläßlich einer Einreise in das österreichische Zollgebiet den streitverfangenen eingangsabgabepflichtigen Schlüsselanhänger dem Eintrittszollamt zu einer Zollabfertigung nicht gestellt und somit unverzollt in das Zollgebiet eingebracht und hier benutzt.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde die Eingangsabgabenschuld dem Grunde nach bestritten und hiezu vorgetragen, der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner ersten Einvernahme als Verdächtiger vor dem Zollamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde erster Instanz am angegeben, den streitverfangenen Schlüsselanhänger im Jahre 1982 gemeinsam mit einer Kette aus Gold von einer ihm unbekannten Person um 15.000,-- S bis 18.000,-- S in der X-Bar in L gekauft zu haben. Er habe damals lediglich die Vermutung geäußert, es könne sich um ein italienisches Erzeugnis handeln. Da dieser Schlüsselanhänger ihm jedoch gestohlen worden sei, könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, daß es sich tatsächlich um ein ausländisches Erzeugnis handle. Selbst wenn man davon ausgehen würde, bei dem streitverfangenen Schlüsselanhänger handle es sich um ein ausländisches Fabrikat, bestünde die Möglichkeit, daß dieses vom Verkäufer ordnungsgemäß verzollt worden sei. Keinesfalls könne der Behauptung, der Beschwerdeführer hätte den Schlüsselanhänger um einen Betrag von zwei Millionen Lire in Italien gekauft, gefolgt werden, weil der Beschwerdeführer entschieden in Abrede stelle, jemals solche Angaben gemacht zu haben. Ein Betrag von zwei Millionen Lire (ca. 20.000,-- S) wäre auch für den Schlüsselanhänger ein unverhältnismäßig hoher Betrag, da der Beschwerdeführer für Anhänger und Kette insgesamt nur einen Betrag von 15.000,-- S bis 18.000,-- S bezahlt habe, die Kette hingegen um 8.000,-- S weiterverkauft habe, sodaß sich für den Schlüsselanhänger ein Wert von höchstens 7.000,-- S bis 10.000,-- S errechnen lasse. Zum Beweis für seine Darstellung beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme seiner Ehefrau Dagmar und die Begutachtung des (nicht mehr vorhandenen) Schlüsselanhängers durch einen Sachverständigen, um Wert und Herkunft desselben festzustellen.

Nachdem das Zollamt Klagenfurt in Entsprechung dieses Beweisantrages die Ehegattin des Beschwerdeführers, die jedoch zur Klärung des strittigen Sachverhaltes keine zweckdienlichen Angaben zu machen in der Lage war, als Zeugin vernommen hatte, gab die Finanzlandesdirektion für Kärnten der Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, im Beschwerdefalle stünden die Aussagen des Beschwerdeführers den wiederholt gleichlautenden Aussagen des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten SW gegenüber. Nach der Aussage des Zeugen SW habe der Beschwerdeführer dem genannten Zeugen im Verlaufe eines Gespräches mitgeteilt, den streitverfangenen Schlüsselanhänger in Italien um einen Kaufbetrag von zwei Millionen Lire erworben zu haben. SW könne sich an den Inhalt dieses Gespräches genau erinnern, weil der Umstand des Ankaufes in Italien seiner Ansicht nach für die „Zollfahndung“ von Bedeutung sein könne. Die nunmehr erhobene Behauptung, die Ware in einem Lokal in L gekauft zu haben, stimme nicht mit der Mitteilung überein, die der Beschwerdeführer ihm gegenüber gemacht habe. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der einzelnen Aussagen sei, so führte die belangte Behörde im Zusammenhang weiter aus, zu berücksichtigen, daß sich der Beschwerdeführer als Partei des Abgabenverfahrens bzw. als Verdächtiger in einem Finanzstrafverfahren verantwortet habe. Der Polizeibeamte hingegen sei als zur erhöhten Wahrheitspflicht berufener Zeuge in der Sache gehört worden. Es bestünden zum einen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der genannte Zeuge irgendwelche Veranlassungen gehabt hätte, zu Ungunsten des Beschwerdeführers eine Sachverhaltsschilderung abzugeben, zum anderen erscheine es ausgeschlossen, daß dieser durch eine falsche Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde zu Lasten einer Person, zu welcher kein persönliches Naheverhältnis bestehe, sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetze. Bei der Beurteilung der Verantwortung des Beschwerdeführers sei hingegen nicht auszuschließen, daß er eine für ihn nachteilige Sache geleugnet habe und - zur Verschleierung des wahren Sachverhaltes - eine vom tatsächlichen Geschehen abweichende Sachverhaltsdarstellung abgebe. Für die Annahme, daß der streitverfangene goldene Schlüsselanhänger anläßlich der Einbringung in das Zollgebiet vom Beschwerdeführer dem Eintrittszollamt gestellt und durch Verzollung zum freien Verkehr abgefertigt worden wäre, fänden sich keine Anhaltspunkte. Hätte der Beschwerdeführer die Ware ordnungsgemäß verzollt, hätte für ihn keine Veranlassung bestanden, den Ankauf in Italien zu leugnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, daß die in Streit stehende Eingangsabgabenschuld für ihn nicht entstanden sei. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes rügt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides die Beweiswürdigung der belangten Behörde und führt hiezu aus, es erscheine unzulässig, ohne Vorhandensein des streitverfangenen Schlüsselanhängers auf Grund einer im Zuge eines Gespräches angeblich gemachten Äußerung über Art und Herkunft desselben dem Beschwerdeführer bescheidmäßig die Bezahlung einer Eingangsabgabenschuld aufzutragen.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Bei Nichtbeachtung der Zollvorschriften entsteht gemäß dem § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand ZollG die Zollschuld kraft Gesetzes - also ohne weiteren Rechtsakt - für den, der über eine einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wäre sie im freien Verkehr.

Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung von der Annahme aus, der Beschwerdeführer habe den streitbefangenen Schlüsselanhänger ohne vorherige Stellung und Durchführung eines gesetzlichen Zollverfahrens in das österreichische Zollgebiet eingebracht. Die dieser Auffassung zugrundeliegende tatbestandsbezogene Sachverhaltsannahme der belangten Behörde erweist sich als nicht rechtswidrig.

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Polizeibeamte SW anläßlich seiner am unter Wahrheitserinnerung erfolgten Vernehmung als Zeuge vor dem Zollamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde erster Instanz zur Niederschrift folgende Aussage abgegeben:

„In der Anzeige hat der Geschädigte u.a. angeführt, daß ihm auch ein Schlüsselanhänger (darstellend einen Löwen mit einem Brillanten) im Werte von ca. S 25.000,-- gestohlen wurde. G gab an, daß er diesen Anhänger vor ca. 2 Jahren um den Betrag von ital. Lire ca. 2,000.000,-- gekauft habe. Während der Tatbestandsaufnahme zeigt mir G 2 Brillanten, welche einzeln in zwei Schachteln im Ausmaß von ca. 5 cm x 5 cm, mit Klarsichtfolie, verpackt waren. Er gab dazu an, daß er einen Schaden von ca. 350.000,-- erlitten hätte, wenn die U.T. die Brillanten, welche er zu diesem Zeitpunkt (Tatzeit) in seinem Pkw verwahrte, erbeutet hätten. Weiters möchte ich anführen, daß G anläßlich der Amtshandlung angab, daß der von U.T. erbeutete Mantel ausländischer Herkunft sei und im österr. Handel ein solcher überhaupt nicht zu bekommen sei.

Weitere Angaben kann ich zur Sache keine mehr machen.“

Der Beschwerdeführer bekämpft mit seiner Rechtsrüge ausschließlich die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof, der die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen befugt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0053, Slg. Nr. 11894), kann indessen nicht finden, daß deren in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellte umfangreiche Argumentation nicht beweiskräftig wäre oder sonst gegen Verfahrensvorschriften, insbesondere die §§ 98 Abs. 3, 139 und 162 Abs. 2 FinStrG verstoßen würde. Die Beschwerdeausführungen lassen in dem hier zu entscheidenden Fall in keiner Weise den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt als unzureichend oder sonst nicht ordnungsgemäß ermittelt oder als nicht in schlüssiger Weise gewürdigt erscheinen. Ob die Beweiswürdigung materiell richtig ist, d.h. ob sie mit der objektiven Wahrheit übereinstimmt, entzieht sich der Überprüfung durch den Gerichtshof. Zieht man in Erwägung, daß Angaben bei der ersten Vernehmung anläßlich der Diebstahlsanzeige des Beschwerdeführers vor der Bundespolizeidirektion Villach am erfahrungsgemäß der Wahrheit am nächsten kommen und der Beschwerdeführer, der den Sachverhalt am besten kennt, erst vier Monate später, nämlich anläßlich seiner am erfolgten Vernehmung als Verdächtiger eines Finanzstrafverfahrens seine Haltung ändert und angibt, sich nicht erklären bzw. sich nicht mehr erinnern zu können, daß er dem Zeugen SW gesagt habe, den streitverfangenen Schlüsselanhänger vor zwei Jahren um zwei Millionen Lire in Italien gekauft zu haben, vermag der Verwaltungsgerichtshof die Feststellung der belangten Behörde, seine späteren Angaben seien nur Schutzbehauptungen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Das vom Beschwerdeführer zum Nachweis seines Vorbringens einzig namhaft gemachte Beweismittel erwies sich deswegen als unbrauchbar, weil seine als Zeugin geführte Ehefrau zur Klärung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes keine zweckdienlichen Angaben machen konnte. Der von diesem Ermittlungsstand in Kenntnis gesetzte Beschwerdeführer hat es in der Folge unterlassen, sein nur durch ihn selbst, nicht aber durch die Verwaltungsinstanzen erweisbares Vorbringen auf andere geeignete Weise zu untermauern. Zu Recht weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hin, daß es nicht erfindlich erscheine, weshalb der unter Wahrheitspflicht stehende und als Zeuge vernommene Polizeibeamte sich durch eine vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Handlungsweise der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen falscher Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde aussetzen sollte.

Auf Grund des von der belangten Behörde in nicht rechtswidriger Weise festgestellten Sachverhaltes kann in der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den streitverfangenen Schlüsselanhänger, dessen Wert er gegenüber dem genannten Zeugen mit 2 Millionen Lire beziffert hatte, in Italien um diesen Betrag käuflich erworben, unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen und solcherart darüber erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wäre er im freien Verkehr, keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Wenn letztlich der Beschwerdeführer rügt, der tatsächliche Wert des ihm gestohlenen goldenen Schlüsselanhängers hätte durch einen Sachverständigen festgestellt werden müssen, ist ihm zu erwidern, daß bei dem nicht als rechtswidrig erkannten Vorliegen eines Kaufpreises im Sinne des § 3 WertZollG 1980, BGBl. Nr. 221/1980, eine Zollwertermittlung unter Zugrundelegung einer Schätzung gemäß § 184 BAO - Methode nach § 8 WertZollG 1980 - nach der Anordnung des § 2 Abs. 4 leg. cit. rechtens nicht zulässig gewesen wäre.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß der angefochtene Bescheid die ihm zur Last gelegte Rechtswidrigkeit nicht aufweist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.

Wien, am

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Normen
AVG §45 Abs2 implizit
BAO §167 Abs2
FinStrG §102 Abs1
FinStrG §98 Abs3
ZollG 1988 §174 Abs3 lita
Schlagworte
Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1988:1988160028.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-64122