VwGH 15.12.1988, 88/08/0278
VwGH 15.12.1988, 88/08/0278
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während das Verschulden einer Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Verschulden der Partei oder des bevollmächtigten Rechtsanwaltes nicht schlechterdings gleichgesetzt werden darf; das Versehen eines Kanzleibediensteten stellt für den Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, daß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Aufgaben, die aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit erfüllen muß, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/16/0194 E VwSlg 6182 F/1987 RS 1 |
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RS 2 | Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muß die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß unter anderem auch die vollständige und fristgerechte Erfüllung von Mängelbehebungsaufträgen, die ja bereits das Vorliegen einer zumindest zum Teil nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Eingabe zur Grundlage haben, gesichert erscheint. Die anwaltliche Sorgfaltspflicht umfaßt in einem solchen Fall auch die geeignete Überwachung des Fertigmachens der Postsendung zur Abgabe und die Überprüfung der Vollständigkeit der an den VwGH in Befolgung des Verbesserungsauftrages zu übermittelnden Aktenstücke. |
Normen | VwGG §34 Abs2; VwGG §46 Abs1 idF 1985/564; |
RS 3 | An der Aufsichtspflicht und Kontrollpflicht des Rechtsanwaltes gegenüber seinen Kanzleiangestellten hat sich durch die Neufassung des § 46 Abs 1 VwGG durch das BG BGBl Nr 564/1985 nichts geändert. Es ist daher in derartigen Fällen weiterhin ausschlaggebend, ob der Rechtsanwalt der genannten Verpflichtung entsprochen hat, wobei der Unterschied zur früheren Rechtslage lediglich darin besteht, dass dann, wenn diesbezüglich ein Verschulden des Rechtsanwaltes hervorkommt, nunmehr noch zusätzlich zu klären ist, ob es sich hiebei nicht um einen minderen Grad des Versehens handelte (Hinweis B , 86/11/0050). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 87/07/0124 B RS 3 |
Norm | VwGG §46 Abs1 idF 1985/564; |
RS 4 | Auch in der nach Änderung der Gesetzeslage durch BGBl 564/1985 zu § 46 Abs 1 VwGG ergangenen Judikatur hat der VwGH ausgesprochen, dass der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen sei. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürfen sohin nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Sie dürfen die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihnen nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht lassen (Hinweis B , 85/02/0258, B , 86/11/0050). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/01/0235 B RS 3 |
Normen | |
RS 5 | Die Grundsätze über die gebotene Sorgfaltspflicht des Rechtsanwaltes gelten nicht nur für einen von der Partei bevollmächtigten, sondern auch für einen für die Partei zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt. |
Normen | |
RS 6 | Hat sich der Rechtsvertreter des Antragstellers vor der Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes an den VwGH in Befolgung eines Verbesserungsauftrages nicht vergewissert, ob dem Schriftsatz auch die erforderlichen vier weiteren Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde angeschlossen waren, so fällt ihm ein Verschulden zur Last, das einen minderen Grad des Versehens übersteigt (Hinweis B , 87/08/0256). |
Entscheidungstext
Kein Text vorhanden
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1988:1988080278.X01 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-63815