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VwGH 21.11.1989, 88/08/0130

VwGH 21.11.1989, 88/08/0130

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
ASVG §67 Abs4 idF vor 1986/111
RS 1
Für die Betriebsnachfolgehaftung ist nicht maßgebend, ob der Vorgänger auf Dauer in der Lage war, mit den Betriebsmitteln, die auf den Nachfolger übergingen, ohne nennenswerte Investitionen Gewinne zu erzielen oder zumindest Verluste zu vermeiden; ausschlaggebend ist vielmehr, ob vom Nachfolger eine organisierte Erwerbsgelegenheit als Objekt im Rechtsverkehr erworben wurde, die als solche geeignet ist, unabhängig von den im Zeitpunkt des Erwerbs gegebenen Gewinnchancen oder Verlustgefahren, wirtschaftlich werthafte Leistungen (Hinweis E , 82/08/0021, VwSlg 11241 A/1983) auf dem für sie in Betracht kommenden Markt zu erbringen. Wurden vom Nachfolger nicht ein Betrieb als solcher, sondern nur Betriebsmittel erworben, so kommt es für die Qualifizierung als Betriebserwerb im Sinne des § 67 Abs 4 ASVG darauf an, ob jene Betriebsmittel erworben wurden, die nach der Betriebsart und dem Betriebsgegenstand die wesentliche Grundlage des Betriebes des Vorgängers, also die Grundlage für die Erbringung wirtschaftlich werthafter Leistungen im genannten Sinn, gebildet zu haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb objektiv in die Lage versetzen, den Betrieb (in dem Umfang, mit dem Betriebsgegenstand und in der Betriebsart wie der Vorgänger) - unter Einsatz weiterer, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes bildender Betriebsmittel - fortzuführen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 86/08/0217 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der prot. Firma H Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Peter Prenner, Rechtsanwalt in Wien VIII, Lerchenfelder Straße 94, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 14-G 51/87, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,--und der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß den §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, daß die Beschwerdeführerin als Betriebsnachfolgerin gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (in der Fassung vor Inkrafttreten der 41. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 111/1986) verpflichtet sei, die auf einem näher bezeichneten Beitragskonto des Ing. HT rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in näher bezeichneter Höhe an die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse zu bezahlen. Begründend wurde ausgeführt, es stehe auf Grund der Aktenlage, insbesondere der Angaben des Ing. HT in der Niederschrift vom , fest, daß dieser an der Adresse Wien, L-Gasse 28, ein Elektrounternehmen betrieben habe, dessen Tätigkeit in erster Linie darin bestanden habe, in Neubauten Elektroinstallationen auszuführen. Dieses Unternehmen sei von ihm von ca. 1952 bis zur Konkurseröffnung am geführt worden. Mit Kaufvertrag vom habe er das gesamte vor Konkurseröffnung vorhandene Inventar und Umlaufvermögen an die Beschwerdeführerin verkauft. Mit diesen Betriebsmitteln habe Ing. HT bis zum letzten Tag vor Konkurseröffnung sein Unternehmen geführt. Die belangte Behörde sei der Auffassung, daß es sich bei den genannten Gegenständen um die wesentlichen Betriebsmittel des Vorgängerbetriebes gehandelt habe, weshalb die Haftung des Erwerbers gemäß § 67 Abs. 4 ASVG habe bejaht werden müssen. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, es seien die Mietrechte an den Betriebsräumlichkeiten und somit an einem wesentlichen Betriebsmerkmal nicht im Wege eines Veräußerungsgeschäftes mit Ing. HT erworben worden, so sei darauf hinzuweisen, daß für die Haftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG nicht erforderlich sei, daß sämtliche zum Betrieb gehörigen Betriebsmittel erworben worden seien; es genüge der Erwerb jener Betriebsmittel, die nach Betriebsart und Betriebsgegenstand die wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet hätten und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzt hätten, den Betrieb fortzuführen. Im Gegenstande handle es sich um ein Elektrounternehmen, bei dem der Standort nach Ansicht der belangten Behörde weniger für den Betrieb wesentlich sei als die von diesem Unternehmern verwendeten Maschinen und Werkzeuge sowie das Inventar. Da diese Gegenstände, mit denen Ing. HT bis zuletzt seinen Betrieb geführt habe, zur Gänze an die Beschwerdeführerin veräußert worden seien, könne nach Ansicht der belangten Behörde nicht von einem Erwerb einer nichtverwendungsfähigen Restmasse die Rede sein. Was die Einwendungen der Beschwerdeführerin anlange, es habe sich im vorliegenden Fall nicht um einen lebensfähigen Betrieb gehandelt, so sei darauf zu verweisen, daß dieser Einwand nur dann von Belang wäre, wenn Ing. TH nicht in der Lage gewesen wäre, mit den genannten Betriebsmitteln unter Einsatz des Personals eine wenn auch umfangmäßig bescheidene, so doch noch wirtschaftlich werthafte Tätigkeit zu entfalten. Im Gegenstand habe aber Ing. HT - nach eigenen Angaben - bis zum letzten Tag vor der Konkurseröffnung seinen Betrieb, wenn auch im eingeschränkten Rahmen, geführt. Die Behauptungen der Beschwerdeführerin, es habe sich um keinen lebenden bzw. lebensfähigen Betrieb gehandelt, gingen daher ins Leere.

In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin - so wie schon im Verwaltungsverfahren - ihre Wertung als Betriebsnachfolgerin nach Ing. HT. Es sei aktenkundig, daß nur desortiertes Material und insgesamt Werte um weniger als S 50.000,-- übernommen worden seien. Die Geringfügigkeit der Werte zeige, daß es sich nicht um „Betriebsmittel“ handle, da dem „Begriff wesensmäßig die Maßgeblichkeit zu eigen sein muß“. Aktenkundig sei aber die Unmaßgeblichkeit der verkauften Gegenstände. Unter maßgeblichen Betriebsmitteln seien nämlich solche zu verstehen, die für sich eine Betriebsführung ermöglichten. Das treffe aber in bezug auf die Kaufgegenstände weder für den aufgegebenen noch für den neuen Betrieb zu. Auch sei aktenkundig, daß es sich bei der verkauften Restmasse keinesfalls um die wesentliche Grundlage des Betriebes des Ing. HT gehandelt habe. All dies umsoweniger, als die Aufgabe des aktiven Betriebes deshalb erfolgt sei, weil seine wirtschaftliche Lebensfähigkeit nicht mehr gegeben gewesen sei. Deshalb sei auch unmittelbar nach dem Verkauf der Konkurs über das Vermögen des Ing. HT eröffnet worden. In diesem Zusammenhang erscheine auch beachtlich, daß zum Zeitpunkt der Standortaufnahme „der Beschwerdeführerin in jenem Raumverband, in welchem ursprünglich“ Ing. HT tätig gewesen sei, ein aktiver Betrieb desselben nicht mehr bestanden habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei Beurteilung der Eigenschaft der Vorgänge vom als haftungsauslösender Tatbestand hat die belangte Behörde mit Recht § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung vor der erst am in Kraft getretenen 41. ASVG-Novelle angewendet. Nach dieser Bestimmung haftet der Betriebsnachfolger für die Beiträge, die sein Vorgänger im Betrieb zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers und unbeschadet der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB, für die Zeit von höchstens 12 Monaten, vom Tage des Erwerbes zurückgerechnet, im Falle einer Anfrage beim Versicherungsträger jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 11.241/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausführlich dargelegt, daß - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung - als „Betriebsnachfolger“ gemäß § 67 Abs. 4 ASVG jene Person zu verstehen ist, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes (von Veräußerungsgeschäften) mit diesem erworben hat. Der Erwerbsvorgang muß sich auf einen lebenden bzw. lebensfähigen (aktivierbaren oder reaktivierbaren) Betrieb (Unternehmen), d.h. auf eine organisierte Erwerbsgelegenheit als Objekt im Rechtsverkehr, in der die durch die Betriebsart und den Betriebsgegenstand bestimmten personellen, sachlichen und ideellen Werte (Betriebsmittel) zusammengefaßt sind, beziehen. Der Erwerb bloßer (nicht zur Organisationseinheit Betrieb aktivierbarer oder reaktivierbarer) Betriebsmittel genügt nicht. Es ist aber nicht erforderlich, daß alle Betriebsmittel erworben werden; vielmehr reicht der Erwerb jener Betriebsmittel, die nach der Betriebsart und dem Betriebsgegenstand die wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen, aus. Daß nicht an allen Betriebsmitteln Eigentum erworben werden kann und erworben wird, schadet nicht. Der Erwerb einzelner, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellenden Betriebsmittel von einem Dritten schließt die Betriebsnachfolge nicht aus. Es ist auch nicht entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird und ob im Falle der Fortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleichbleiben.

Daß Ing. HT mit Kaufvertrag vom das gesamte Inventar und Umlaufvermögen, mit dem er unter Einsatz des Personals sein Elektrounternehmen, wenn auch zuletzt im eingeschränkten Rahmen, bis zu diesem Tag geführt hatte, an die Beschwerdeführerin verkauft hat, stellt die Beschwerdeführerin, sieht man von der aktenmäßig nicht gedeckten Bezeichnung dieser sachlichen Betriebsmittel als „desortiertes Material“ ab, nicht in Abrede. Es bestehen im Hinblick auf die diesbezüglich eindeutige Aussage des Ing. HT in der von der belangten Behörde genannten Niederschrift dagegen auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Bedenken. Wenn die belangte Behörde, gestützt auf diese Feststellung sowie auf jene über den Betriebsgegenstand und die Betriebsart, zur Auffassung gelangte, es habe sich bei den von der Beschwerdeführerin am gekauften und übernommenen Gegenständen um die wesentlichen Betriebsmittel des Vorgängerbetriebes gehandelt, so vermag der Verwaltungsgerichtshof darin im Sinne seiner ständigen Judikatur (vgl. das schon zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates sowie die darauf gestützten Erkenntnisse vom , Zl. 83/08/0123, und vom , Zl. 86/08/0217) keine Rechtswidrigkeit zu erkennen. Wodurch und in welchem Sinn es „aktenkundig“ sein solle, daß die verkauften Gegenstände „unmaßgeblich“ gewesen sein bzw. keinesfalls die „wesentliche Grundlage“ des Betriebes des Ing. HT gebildet haben sollten, ist mangels diesbezüglicher Ausführungen in der Beschwerde nicht erkennbar. Der niedrige Kaufpreis und die am Tag nach dem Verkauf und der Übergabe der genannten Gegenstände an die Beschwerdeführerin erfolgte Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ing. HT ist angesichts des Umstandes, daß dieser mit diesen Gegenständen unter Einsatz von Personal bis zum sein Unternehmen, wenn auch im eingeschränkten Rahmen, geführt hat, im Sinne der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nicht geeignet, eine Betriebsnachfolgehaftung der Beschwerdeführerin auszuschließen. Wie der Gerichtshof vielmehr im zitierten Erkenntnis vom , Zl. 86/08/0217, näher dargelegt hat, ist es für die Betriebsnachfolgehaftung nicht entscheidend, ob der Betriebsvorgänger auf die Dauer in der Lage gewesen wäre, mit den die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellenden Betriebsmitteln ohne nennenswerte Investitionen Gewinne zu erzielen oder zumindest Verluste zu vermeiden; ausschlaggebend ist vielmehr nur, ob sie als solche geeignet waren, unabhängig von dem im Zeitpunkt des Erwerbes gegebenen Gewinnchancen oder Verlustgefahren, wirtschaftlich werthafte Leistungen auf dem in Betracht kommenden Markt zu erbringen. Ist der Erwerber solcher Betriebsmittel mit ihrem Erwerb objektiv in die Lage versetzt worden, den Betrieb (in dem Umfang, mit dem Betriebsgegenstand und in der Betriebsart wie der Vorgänger) - unter Einsatz weiterer, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes bildender Betriebsmittel - fortzuführen, so ist die Betriebsnachfolgehaftung nach § 67 Abs. 4 ASVG in der obgenannten Fassung zu bejahen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Hinsichtlich der zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ASVG §67 Abs4 idF vor 1986/111
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1989:1988080130.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-63796