VwGH 05.07.1988, 88/07/0049
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | WRG 1959 §81 Abs2; |
RS 1 | Im fortgesetzten Verfahren wird in erster Linie zu prüfen sein, ob und auf welcher Rechtsgrundlage inzwischen ein Anschluss der Liegenschaft des Einbeziehungswerbers an die Gemeindewasserleitung stattgefunden hat, und ob gegebenenfalls infolge eines solchen Anschlusses die Verpflichtung der Wassergenossenschaft zur nachträglichen Einbeziehung gem § 81 Abs 2 WRG zu verneinen wäre, weil daraus nunmehr dem Einbeziehungswerber keine wesentlichen Vorteile mehr erwachsen können. Sollten solche Vorteile hingegen für ihn mit der nachträglichen Einbeziehung in die Wassergenossenschaft weiterhin verbunden sein, dann wären die Ermittlungen unter Bedachtnahme auf das Berufungsvorbringen auch dahingehend zu ergänzen, ob und inwieweit den bisherigen Mitgliedern der Wassergenossenschaft aus dieser Einbeziehung infolge der behaupteten, in erster Instanz festgestellten, aber in der Berufung bestrittenen Wasserknappheit ein der beantragten nachträglichen Einbeziehung entgegenstehender wesentlicher Nachteil erwachsen würde. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janystin, über die Beschwerde des JS in Z, vertreten durch Dr. Franz Wallentin, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, Gerlosstraße 4 b, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 512.445/01- I5/88, betreffend nachträgliche Einbeziehung in eine Wassergenossenschaft (mitbeteiligte Partei: Wassergenossenschaft Y in Z, vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.910,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Tirol (LH) als Wasserrechtsbehörde erster Instanz den Antrag des Beschwerdeführers, "ihn mit der Gp. n1 in EZl. 361 II der KG Z zwangsweise in die Wassergenossenschaft Gerlos-Ried aufzunehmen, gemäß "§§ 81, 85, 99 Abs. 1 lit. c und h WRG 1959" als unbegründet abgewiesen.
Dabei ging der LH davon aus, daß zwar im Jahre 1975 die Aufnahme des Beschwerdeführers in die mitbeteiligte Wassergenossenschaft (in der Folge kurz: MB) vorgesehen gewesen sei, daß seine Aufnahme jedoch mangels der dafür erforderlichen Zweidrittelmehrheit und mangels Genehmigung durch die Wasserrechtsbehörde nicht rechtswirksam geworden sei. Als der Beschwerdeführer erfahren habe, daß er - obwohl er jahrelang Wasser von der MB bezogen habe - rechtlich nicht Mitglied der MB sei, habe er bei dieser einen Aufnahmeantrag und beim LH einen Antrag auf Aufnahme als "Zwangsmitglied" gestellt. Die Vollversammlung der MB habe am den Beschluß gefaßt, wegen bestehender Wasserknappheit den Beschwerdeführer mit seinem Grundstück n1, auf welchem sich das "Hotel X" befinde, nicht aufzunehmen. Es sei daher gemäß den §§ 81 und 85 WRG 1959 über den Antrag des Beschwerdeführers auf zwangsweise Aufnahme in die MB zu entscheiden.
Das Grundstück n1 liege im Versorgungsbereich der MB, technisch wäre ein Anschluß an die Genossenschaftsleitung problemlos möglich, auch der Zweck der MB würde dadurch nicht geändert. Es komme daher entscheidend auf die Feststellung der Vor- und Nachteile gemäß § 81 Abs. 2 WRG 1959 an.
Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, reiche die der MB konsentierte Wassermenge in Trockenzeiten nicht zur Versorgung aller Mitglieder aus, es müsse unbestritten zusätzliches Wasser von der Gemeinde bezogen werden. Diese Wasserknappheit werde durch ein zusätzliches Mitglied verschärft, worin ein wesentlicher Nachteil für die MB zu erblicken sei. Die Mitglieder der MB könnten nicht dazu verhalten werden, Gegenmaßnahmen, wie z. B. Erschließung einer neuen Quelle oder Zukauf von Gemeindewasser, zu ergreifen, auch wenn diese faktisch möglich wären. Zu bedenken sei auch, daß durch das Hotel des Beschwerdeführers mehr Wasser als bei einem Einfamilienhaus benötigt werde, und zwar insbesondere im Spätwinter, wenn das Wasser am knappsten sei. Wegen dieser wesentlichen Nachteile für die bisherigen Mitglieder der MB sei eine zwangsweise Aufnahme des Beschwerdeführers nicht möglich. Diesen Nachteilen stünden vom Beschwerdeführer für sein Grundstück n1 im Falle seiner Aufnahme geltend gemachte wirtschaftliche Vorteile gegenüber, die aber nicht so zu Buche schlagen dürften, daß von wesentlichen Vorteilen gesprochen werden könnte. Daß andere Behörden von einer Wasserversorgung des Beschwerdeführers durch die MB ausgegangen seien, sei im vorliegenden Verfahren bedeutungslos. Der Beschwerdeführer sei daher auf die bestehende Gemeindewasserversorgung zu verweisen.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, eine Wasserknappheit bestehe nicht. Da die Aufnahme des Beschwerdeführers im Jahre 1975 nur wegen unterlaufener Formfehler nicht zustandegekommen sei, verstoße die nunmehrige Vorgangsweise gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Den behaupteten Nachteilen der MB stünden wesentliche Vorteile des Beschwerdeführers im Falle eines Anschlusses gegenüber.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 AVG 1950 nicht Folge gegeben. Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides stelle sich, sowohl was die Verneinung einer genossenschaftlichen Mitgliedschaft wie auch der Voraussetzungen einer zwangsweisen Aufnahme anlange, als an sich einleuchtend dar. Verstärkt werde dies dadurch, daß der Beschwerdeführer seit 1975 verschiedene Neu- bzw. Zubauten vorgenommen habe und heute eine größere Versorgungsmenge benötige als seinerzeit. Wie dem nun aber auch immer sein möge, erscheine der belangten Behörde der Umstand maßgebend, daß die Gemeinde Z mit Schreiben vom dem Beschwerdeführer unter einigen Bedingungen den Anschluß an ihre öffentliche Wasserleitung angeboten habe. Tatsächlich werde der Beschwerdeführer nach einer im Zuge des Berufungsverfahrens von der Gemeinde erstatteten Mitteilung seit dem gänzlich, und zwar einschließlich des Grundstückes n1, aus der Gemeindewasserleitung versorgt. Eine Stellungnahme habe der Beschwerdeführer dazu trotz gebotener Gelegenheit nicht abgegeben. Die belangte Behörde habe daher davon auszugehen gehabt, daß die Wasserbelieferung des Beschwerdeführers inzwischen ohnehin aus der Gemeindewasserleitung bewerkstelligt werde, weshalb er - ob jetzt die Voraussetzungen für eine Wasserversorgung durch die MB (Mitgliedschaft oder zwangsweise Aufnahme) erfüllt sein mögen oder nicht - auf die genossenschaftliche Wasserversorgung gar nicht mehr angewiesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Aufnahme in die MB gemäß § 81 WRG 1959 verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Auch die MB beantragt in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 81 Abs. 2 WRG 1959 ist die Genossenschaft verpflichtet, soweit der Zweck der Genossenschaft nicht geändert wird, benachbarte oder im Bereich des genossenschaftlichen Unternehmens befindliche Liegenschaften und Anlagen auf Antrag ihres Eigentümers oder Berechtigten nachträglich einzubeziehen, wenn ihnen hiedurch wesentliche Vorteile und den bisherigen Mitgliedern keine wesentlichen Nachteile erwachsen können.
Ausschließlicher Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, welches mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossen wurde, war ein vom Beschwerdeführer auf diese Gesetzesstelle gestützter Antrag, dessen Behandlung voraussetzt, daß der Antragsteller nicht ohnehin bereits Mitglied der betreffenden Genossenschaft ist. Der Beschwerdeführer geht in der Beschwerde auch unmißverständlich selbst davon aus, daß Anlaß für seine Antragstellung u.a. der Umstand gewesen ist, daß seine Aufnahme in die MB im Jahre 1975 nicht zustande gekommen und im Jahre 1987 ausdrücklich von der MB abgelehnt worden ist. Auf das Beschwerdevorbringen, der Antrag des Beschwerdeführers sei "materiell richtig so zu verstehen", daß seine bereits früher erfolgte Aufnahme in die MB durch die Wasserrechtsbehörde genehmigt werden solle, es dürfe nicht nun rückwirkend "praktisch eine Art Ausschluß" des Beschwerdeführers vorgenommen werden, konnte schon wegen der eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes (die gemäß § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu erfolgen hat), nicht weiter eingegangen werden.
Der Beschwerdeführer verweist ferner darauf, daß er jahrelang von der MB mit Wasser versorgt worden sei und wegen der Einstellung dieser Wasserversorgung gegen die MB mit Erfolg Besitzstörungsklage erhoben habe. Dabei übersieht er jedoch, daß im vorliegenden Verwaltungsverfahren ausschließlich die Frage zu prüfen war, ob die MB gemäß § 81 Abs. 2 WRG 1959 zur nachträglichen Einbeziehung des Beschwerdeführers in die Genossenschaft verpflichtet ist.
Der LH hat im erstinstanzlichen Bescheid eine solche Verpflichtung der MB gegenüber dem Beschwerdeführer mit der Begründung verneint, daß den bisherigen Mitgliedern der MB mit Rücksicht auf die schon bestehende Wasserknappheit aus der Aufnahme des mit einem Hotel bebauten Grundstückes n1 des Beschwerdeführers ein wesentlicher Nachteil erwachsen würde. Die belangte Behörde hat diese Begründung im angefochtenen Bescheid zwar als "an sich einleuchtend" bezeichnet, ist aber auf das gegen die Feststellung einer Wasserknappheit gerichtete Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers überhaupt nicht eingegangen. Weitere Ermittlungen und Feststellungen in dieser Hinsicht hat die belangte Behörde, wie der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, offenbar deshalb für entbehrlich erachtet, weil der Beschwerdeführer inzwischen an die Gemeindewasserleitung angeschlossen worden sei, weshalb er auf die genossenschaftliche Wasserversorgung gar nicht mehr angewiesen wäre. Im Ergebnis hat die belangte Behörde damit die fehlende Verpflichtung der MB, den Beschwerdeführer nachträglich einzubeziehen - abweichend vom LH - damit begründet, daß dem Beschwerdeführer aus der nachträglichen Einbeziehung in die MB keine wesentlichen Vorteile mehr erwachsen könnten.
Das dieser Entscheidung vorangegangene Verfahren ist jedoch nicht von wesentlichen Mängeln frei geblieben. Die belangte Behörde hat in dem bei ihr anhängig gewesenen Berufungsverfahren mit Ausnahme der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Verfahrensschritte gesetzt, insbesondere dem Beschwerdeführer nicht im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit geboten, zu der bis dahin im Verfahren nicht erörterten Frage des Anschlusses der Liegenschaft des Beschwerdeführers an die Gemeindewasserleitung Stellung zu nehmen. Die diesbezüglich im angefochtenen Bescheid beschriebenen Vorgänge haben nämlich nicht im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde, sondern in einem parallell dazu beim LH anhängig gewesenen Verfahren betreffend eine vom Beschwerdeführer beantragte einstweilige Verfügung stattgefunden, in welchem über einen vom Beschwerdeführer am gestellten Antrag auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu den Mitteilungen der Gemeinde Z offenbar deshalb nicht mehr entschieden worden ist, weil der Beschwerdeführer in jenem Verfahren am seine Berufung zurückgezogen hat. Dem Umstand, daß der Beschwerdeführer dort eine Stellungnahme nicht mehr abgegeben hat, kommt für das dem Beschwerdefall zugrunde liegende Berufungsverfahren somit keine Bedeutung zu. Mit Rücksicht darauf, daß die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid demnach ohne Gewährung des Parteiengehörs die Feststellung zugrunde gelegt hat, der Beschwerdeführer bedürfe wegen des Anschlusses an die Gemeindewasserleitung nicht mehr der genossenschaftlichen Wasserversorgung, stellt sich die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Anschluß an die Gemeindewasserleitung sei nur ein Provisorium und ändere nichts am Anspruch des Beschwerdeführers auf nachträgliche Einbeziehung in die MB, auch nicht als eine im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung dar.
Im fortgesetzten Verfahren wird daher in erster Linie zu prüfen sein, ob und auf welcher Rechtsgrundlage inzwischen ein Anschluß der Liegenschaft des Beschwerdeführers an die Gemeindewasserleitung stattgefunden hat, und ob gegebenenfalls infolge eines solchen Anschlusses die Verpflichtung der MB zu nachträglichen Einbeziehung gemäß § 81 Abs. 2 WRG 1959 zu verneinen wäre, weil daraus nunmehr dem Beschwerdeführer keine wesentlichen Vorteile mehr erwachsen können. Sollten solche Vorteile hingegen für den Beschwerdeführer mit der nachträglichen Einbeziehung in die MB weiterhin verbunden sein, dann wären die Ermittlungen unter Bedachtnahme auf das diesbezügliche Berufungsvorbringen auch dahin gehend zu ergänzen, ob und inwieweit den bisherigen Mitgliedern der MB aus dieser Einbeziehung infolge der behaupteten, in erster Instanz festgestellten, aber in der Berufung bestrittenen Wasserknappheit ein der beantragten nachträglichen Einbeziehung entgegenstehender wesentlicher Nachteil erwachsen würde.
Da der Sachverhalt somit in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß der Beschwerdeführer an Stempelgebühren S 810,-- statt richtig nur S 640,-- (360,-- Eingabengebühr, 100,-- Vollmacht und 180,-- für die Beilagen) verzeichnet hat.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | WRG 1959 §81 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1988:1988070049.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-63764