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VwGH 19.04.1989, 88/02/0210

VwGH 19.04.1989, 88/02/0210

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
AVG §46
KFG 1967 §103 Abs2
VwRallg
RS 1
Die Bezeichnung einer Person, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält, als Lenker iSd § 103 Abs 2 KFG verpflichtet den befragten Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung an dem (gegen ihn eingeleiteten)Verwaltungsverfahren (Verwaltungsstrafverfahen). Die Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt im Inland zur fraglichen Zeit - darüber hinaus aber auch die Überlassung des Kfz an diese - glaubhaft zu machen. Das Scheitern der Zustellung eines Schriftstückes an diese Person im Ausland berechtigt die Behörde noch nicht, von der Unrichtigkeit der Lenkerauskunft auszugehen; es trifft sie vielmehr die Verpflichtung, von Amts wegen jene Ermittlungen über die Richtigkeit der Angaben des Zulassungsbesitzers anzustellen, die ihr ohne Schwierigkeiten möglich sind, wie etwa die Einholung von Meldeauskünften.
Norm
KFG 1967 §103 Abs2
RS 2
Der gute Glaube vom Vorhandensein einer Lenkerberechtigung einer Person, der das Lenken des Kraftfahrzeuges überlassen wird, genügt nicht, der Zulassungsbesitzer ist vielmehr gehalten, sich den Führerschein zur Einsichtnahme vorweisen zu lassen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1240/73 E VwSlg 8505 A/1973 RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. PJ, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 70-10/538/88/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe „es als Zulassungsbesitzer unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom , zugestellt am , binnen zwei Wochen nach Zustellung bekanntzugeben, wer am , um 15.48 Uhr, das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W nnn gelenkt hat“. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat auf die Aufforderung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 hin innerhalb der gesetzten Frist angegeben, das dort genannte Kraftfahrzeug sei von „JM, nn, X Street, 08043 Springvale, Maine“ gelenkt worden. Daraufhin richtete die Erstbehörde, die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, an die angegebene Person ein formloses Ersuchen um Bekanntgabe, ob ihr der Beschwerdeführer das in Rede stehende Kraftfahrzeug zur angegebenen Zeit überlassen und wo sie während ihres Aufenthaltes in Wien gewohnt habe. Dieses mit datierte Schreiben wurde mit den (offenbar postalischen) Vermerken „Attempted-Not known“ (versucht-unbekannt) und „Returned to sender“ (zurück an den Absender) der Erstbehörde rückgemittelt und langte dort am ein. Am war dem Beschwerdeführer der damalige Akteninhalt zur Kenntnis gebracht worden. Er erklärte damals laut Niederschrift, „heute“ keine Rechtfertigung abzugeben, aber binnen zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gemacht.

In der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis führte er aus, er habe das Kraftfahrzeug der angegebenen Person vom 25. März bis zum geliehen. Innerhalb dieser Zeit sei sie in ihrer Eigenschaft als Geschäftsmann in Österreich und Südtirol zur Anbahnung von geschäftlichen Kontakten unterwegs gewesen.

Die belangte Behörde richtete danach neuerlich ein mit datiertes Schreiben an die vom Beschwerdeführer angegebene Person, in dem (diesmal in englischer Sprache) um Stellungnahme zur Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers betreffend Überlassung des Kraftfahrzeuges an sie ersucht wurde. Dieses - mit internationalem Rückschein ausgestattete - Schreiben wurde mit den (offenbar postalischen) Vermerken „Returned to sender“, „Unclaimed“ (nicht behoben) und „Attempted-Not known“ am zurückgestellt. Dieser Umstand wurde dem Beschwerdeführer unter Anschluß von Ablichtungen zur Kenntnis gebracht. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, hiezu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Auch von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gemacht.

Entscheidend ist somit, ob die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid als erwiesen annehmen durfte, daß die vom Beschwerdeführer erteilte Auskunft unrichtig ist. Die Bezeichnung einer Person, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung, aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung am administrativen Ermittlungsverfahren, zumindest erheblich erschwert ist, als Lenker im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 verpflichtet den befragten Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung an dem Verwaltungs(straf)verfahren. Die Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, daß ein Zulassungsbesitzer sein Kraftfahrzeug nur Personen zum Lenken überläßt, die er näher kennt, wozu noch kommt, daß er gemäß § 103 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 verpflichtet ist, sich davon zu überzeugen, ob die betreffende Person die erforderliche Lenkerberechtigung besitzt (bzw. das erforderliche Mindestalter aufweist.

Die Behörde hat umgekehrt die Verpflichtung, von Amts wegen jene Ermittlungen über die Richtigkeit der Angaben des Zulassungsbesitzers anzustellen, die ihr ohne Schwierigkeiten möglich sind, wie etwa die Einholung von Meldeauskünften. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer dazu aber grundsätzlich bereit, reichen dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Behörde (noch) nicht aus, so hat ihn die Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbständige Ermittlungen anzustellen. Die Unterlassung dieser Vorgangsweisen wird regelmäßig die Bestrafung des Zulassungsbesitzers wegen Verletzung seiner Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 mit Rechtswidrigkeit belasten.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer niemals konkret zur Angabe näherer Umstände aufgefordert, die - über Namen und Anschrift hinaus - zur Glaubhaftmachung der Lenkereigenschaft der bezeichneten Person hätten beitragen können. Aus Anlaß der Aufnahme der Niederschrift am bestand für den Beschwerdeführer hiezu insofern kein Anlaß, als er damals durch Akteneinsicht in Erfahrung bringen konnte, daß die Erstbehörde versucht hatte, die betreffende Person unter der von ihm angegebenen Adresse anzuschreiben. In der Berufung hat er dann nähere Angaben über Dauer und Art der Verwendung seines Kraftfahrzeuges gemacht und u.a. die Vermutung geäußert, die angegebene Person habe im letzten Halbjahr, ohne es ihm mitgeteilt zu haben - wofür keinerlei Verpflichtung bestand -, ihren Wohnsitz gewechselt. Im Vorhalt durch die belangte Behörde wurde ihm keine Tatsache mitgeteilt, außer daß es abermals mißlungen sei, eine behördliche Erledigung an die angegebene Person zuzustellen, weil sie an der angegebenen Anschrift unbekannt sei. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß der amerikanische postalische Vermerk keine Rubrik enthält, die die Bedeutung von „Empfänger (unbekannt) verzogen“ hätte, sodaß unter Umständen auch aus diesem Grunde die Zustellung gescheitert sein könnte. Die belangte Behörde hat keine amtswegigen Ermittlungen angestellt, die - unter gebotener Mitwirkung des Beschwerdeführers - über die angebliche Anwesenheit der vom Beschwerdeführer genannten Person in der fraglichen Zeit in Österreich und über die Überlassung des für den Beschwerdeführer zugelassenen Pkws an diese über einen Zeitraum von nahezu drei Wochen hätten - positiv oder negativ - näher Aufschluß geben können.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf Grund eines in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftigen Sachverhaltes erlassen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
AVG §46
KFG 1967 §103 Abs2
VwRallg
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Besondere Rechtsgebiete Diverses Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 Verhältnis zu anderen Materien Normen VStG Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1989:1988020210.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-63621