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VwGH 09.11.1989, 87/06/0078

VwGH 09.11.1989, 87/06/0078

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauG Vlbg 1972 §1 Abs2 idF 1983/074
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 idF 1983/074
BauG Vlbg 1972 §31 Abs6 idF 1983/074
BauRallg
RS 1
Sofern für ein Bauvorhaben auch eine Bewilligung nach bundesrechtlichen Vorschriften erforderlich ist (hier nach dem DSchG), ist die beantragte Baubewilligung ohne Rücksicht auf die Rechtskraft solcher Bewilligungen zu erteilen. Dies bedeutet, dass die Abbruchbewilligung nicht versagt werden darf, weil auch eine Bewilligung nach dem DSchG notwendig ist.
Normen
BauG Vlbg 1972 §1 Abs2 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §31 Abs3 idF 1983/047
BauRallg
B-VG Art10
B-VG Art118 Abs3
B-VG Art140 Abs1
B-VG Art15
DSchG 1923
VwRallg
RS 2
Die Bestimmung des § 31 Abs 3 BauG Vlbg 1973, wonach eine Bewilligung nur dann zu erteilen ist, wenn öffentliche Interessen, ua auch solche des Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen, kann in Anbetracht der der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung entsprechenden Regelung des § 1 Abs 2 BauG Vlbg 1972 allerdings nur bedeuten, daß auch auf Belange des Denkmalschutzes Rücksicht genommen werden muß, nicht aber, daß Regelungen auf dem Gebiet des Denkmalschutzes von den Landesbehörden zu vollziehen sind. Die "Berücksichtigung" aller öffentlichen Interessen, sohin auch der des Bundes, durch den Landesgesetzgeber scheint jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich (Hinweis VfGH E , B 22/62, VfSlg 4486/1963).
Normen
BauG Vlbg 1972 §22 Abs1 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §22 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 idF 1983/047
BauRallg
RS 3
Infolge der ausdrücklichen Regelung des "Schutzes des Ortsbildes" im § 33 Vlbg BauG muss die darin normierte Pflicht zur Erhaltung geschichtlich oder gestalterisch wertvoller Ansichten eines Ortes oder Ortsteils" auch auf bauliche Maßnahmen bezogen werden, als deren Ergebnis ein unbebautes Grundstück entsteht. Es ist also auch bei Abbruchbewilligungen zu prüfen, ob sie mit der Erhaltungspflicht des § 22 Abs 1 Vlbg BauG zu vereinbaren sind.
Normen
BauG Vlbg 1972 §22 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §31 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §46 idF 1983/047
BauRallg
RS 4
Bei Prüfung der Voraussetzungen für eine Versagung der Abbruchbewilligung ist auch auf die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Erhaltung und Instandsetzung der Gebäude für den Eigentümer Bedacht zu nehmen (Zur Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit Hinweis E VfSlg 7759/1976). Bei der Verpflichtung zur Erhaltung des Ortsbildes (hier: durch Versagung der Abbruchbewilligung) ist eine Vermögensbelastung ohne jede Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht gerechtfertigt; Hinweis E , 81/05/0164 und E , G 6/75, VfSlg 7759/1976)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der Stadt D, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. Ernst Hagen, Rechtsanwalt in Dornbirn, Goethestraße 5, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom , Zl. II-80/87, betreffend eine Abbruchbewilligung (mitbeteiligte Partei: Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg in Feldkirch, Wichnergasse 9) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei suchte mit Schreiben vom um die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch des in ihrem Eigentum stehenden Kellereigebäudes samt Stadl in D, F-Straße 5, Bauparzelle 1704, KG. D an.

Zu diesem Ansuchen gaben der Bauausschuß der Stadt D am und der Stadtplanungsausschuß am ablehnende Stellungnahmen ab. Bei der kommissionellen Bauverhandlung vom sprach sich der Amtssachverständige für Raumplanung und Baugestaltung gegen die Erteilung der Abbruchbewilligung aus; ebenso der Vertreter des Bundesdenkmalamtes. Die mitbeteiligte Partei legte sodann mit Schreiben vom ein Gutachten des Dipl.-Ing. F. über den Bauzustand des Kellereigebäudes vor.

Mit Schreiben vom teilte die Baubehörde erster Instanz der mitbeteiligten Partei mit, daß Interessen des Denkmalschutzes einer Abbruchbewilligung entgegenstünden. Für die Zurücknahme des Ansuchens wurde eine Frist eingeräumt. Dazu teilte die Mitbeteiligte mit, daß der Antrag um Bewilligung des Abbruches aufrechterhalten werde.

Mit Bescheid vom versagte der Bürgermeister der Stadt D gemäß § 31 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 des Vorarlberger Baugesetzes die beantragte Abbruchbewilligung. Aus der Begründung geht hervor, daß es gemäß des § 2 des Denkmalschutzgesetzes in Verbindung mit § 31 Abs. 5 und Abs. 3 des Vorarlberger Baugesetzes der Baubehörde verwehrt sei, eine Abbruchbewilligung zu erteilen. Aber auch Gründe des Landschafts- und Ortsbildschutzes stünden einer Abbruchbewilligung entgegen. Die gegenständlichen Gebäude seien 1886 bzw. 1890 in Fachwerkbauweise errichtet worden. Es sei ein generell guter Bauzustand festzustellen. Für eine allfällige weitere Wohnnutzung wären allerdings sämtliche Installationen, Böden, Wärmeisolierung, Türen, Fenster und dergleichen zu erneuern bzw. neu zu errichten. Das Gebäude sei wesentlicher Bestandteil einer noch vorhandenen Ensemblesituation, welche durch einzelstehende Villenbauten aus der Zeit um die Jahrhundertwende geprägt sei. Es handle sich aus der Sicht der Stadtplanung um Kleinode vergangener Handwerkskunst, wovon in der Stadt D nur mehr wenige vorhanden seien. Ein Abbruch der Objekte hätte gerade im Hinblick auf die beschriebene Ensemblewirkung, aber auch auf Grund der Qualitäten der Objekte eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Ortsbildes zur Folge. Ein ersatzloser Abbruch der Objekte wurde daher dem § 22 des Baugesetzes widersprechen.

Mit Bescheid vom wies die Stadtvertretung der Stadt D die von der mitbeteiligten Partei erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab. Gemäß § 31 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 des Baugesetzes sei eine Baubewilligung (Abbruch) unter anderem zu versagen, wenn dem Vorhaben öffentliche Interessen zum Schutze des Landschafts- und Ortsbildes oder des Denkmalschutzes entgegenstünden. Die Gründe des Denkmalschutzes seien nach wie vor gegeben, da das gegenständliche Objekt gemäß § 2 des Denkmalschutzgesetzes unter Denkmalschutz stehe und es allein schon aus diesem Grunde der Baubehörde verwehrt sei, eine Abbruchbewilligung zu erteilen. Als weiterer Versagungsgrund wurden Interessen des Landschafts- und Ortsbildschutzes angeführt. Es sei zwar richtig, daß im Bescheid erster Instanz die Interessen zum Schutz des Landschaftsbildes nicht weiter begründet worden seien. Dieser Versagungsgrund sei auch nur im Zusammenhang mit § 22 des Baugesetzes, dessen Überschrift „Schutz des Landschafts- und Ortsbildes „laute, wiedergegeben worden. Die Interessen zum Schutze des Ortsbildes seien aber ausreichend dargelegt worden. Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung gehe schlüssig hervor, daß ein Abbruch derartige Interessen verletzen würde. Eine von der mitbeteiligten Partei zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich auf die Steiermärkische Bauordnung und treffe für diesen Fall nicht zu. Auch das von der mitbeteiligten Partei beigebrachte Gutachten sei offensichtlich nicht geeignet, die angeführten Versagungsgründe zu entkräften, da es vor allem Kostenfragen enthalte. Die Frage des dringenden Raumbedarfs für das Wirtschaftsförderungsinstitut D sei wohl verständlich, habe aber mangels baugesetzlicher Vorschriften nicht herangezogen werden können. Insgesamt habe die Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides ergeben, daß die Abbruchbewilligung im Sinne der bezogenen Gesetzesstellen im öffentlichen Interesse des Denkmal- und Ortsbildschutzes Rechtens zu versagen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung, welcher mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom gemäß § 83 Abs. 7 des Vorarlberger Gemeindegesetzes Folge gegeben wurde. Der Bescheid vom wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. Die belangte Behörde begründete dies damit, daß gemäß § 1 Abs. 2 des Vorarlberger Baugesetzes Angelegenheiten, die in der Gesetzgebung Bundessache sind, und Vorschriften, nach denen die Errichtung oder Erhaltung von Bauwerken einer sonstigen Bewilligung bedürfen, nicht berührt werden. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 13 B-VG seien Angelegenheiten des Denkmalschutzes in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Eine Verpflichtung zur Erhaltung von Gebäuden sei lediglich im § 46 des Baugesetzes vorgesehen. Diese Bestimmung schließe jedoch die Zulässigkeit eines gänzlichen Abbruches nicht aus. Gemäß § 23 Abs. 1 lit. k leg. cit. sei zwar der Abbruch von Gebäuden als baubewilligungspflichtige Maßnahme anzusehen; während jedoch andere Baumaßnahmen neben der bloßen Bautätigkeit den weiteren Bestand der dadurch geschaffenen Anlage zum Gegenstand haben, erschöpfe sich der Abbruch in einer Bautätigkeit zur Entfernung einer baulichen Anlage, wodurch der ursprüngliche Zustand des Geländes, nämlich ein unbebautes Grundstück, wieder hergestellt würde. Da das Baugesetz keine Bestimmungen über die Verpflichtung zu einer bestimmten Ausgestaltung unbebauter Grundstücke enthalte, könne auch das im § 31 Abs. 3 dieses Gesetzes enthaltene Verbot der Störung des Orts- und Landschaftsbildes durch einen Bau nicht auf Bauführungen bezogen werden, als deren Ergebnis ein unbebautes Grundstück entstehe. § 31 leg. cit., wonach Bewilligungen zu versagen seien, wenn Interessen des Landschafts- und Ortsbildschutzes entgegenstehen, könne also nicht auf Maßnahmen bezogen werden, als deren Ergebnis ein unbebautes Grundstück entstehe. In dieser Richtung habe auch der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Slg. Nr. 9815/A, in einer gleichartigen Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Baurecht entschieden; die gesetzlichen Bestimmungen seien in den maßgeblichen Stellen der Baugesetze für das Land Steiermark und für das Land Vorarlberg fast gleichlautend. Die Versagung der Abbruchbewilligung aus Rücksichten des Denkmalschutzes sei wegen Unzuständigkeit der Baubehörde und aus Rücksichten des Orts- und Landschaftsbildes aus obigen Erwägungen rechtswidrig, weshalb Rechte der mitbeteiligten Partei verletzt worden seien. Es sei allerdings darauf hinzuweisen, daß für den Abbruch des gegenständlichen Gebäudekomplexes neben der Bewilligung der Baubehörde auch ein schriftlicher Feststellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes gemäß § 2 Abs. 2 des Denkmalschutzgesetzes erforderlich sei, wonach ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Denkmales nicht bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend machende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, die Baubewilligung zum Abbruch von Gebäuden oder Gebäudeteilen (§ 23 Abs. 1 lit. k des Baugesetzes) zu versagen, weil öffentliche Interessen, insbesondere solche des Ortsbild- und Denkmalschutzes entgegenstehen, verletzt. Auch bedeute es eine Rechtsverletzung, die Eigentümer von Anlagen, deren Herstellung einer Baubewilligung bedarf, zu verpflichten, diese Anlagen nach Maßgabe der Baubewilligung in einem Zustand zu erhalten, der den Erfordernissen des Landschafts- und Ortsbildschutzes entspricht.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/1983, haben folgenden Wortlaut:

§ 1

Geltungsbereich

........

(2) Durch dieses Gesetz werden Angelegenheiten, die in der Gesetzgebung Bundessache sind, und Vorschriften, nach denen die Errichtung oder Erhaltung von Bauwerken einer sonstigen Bewilligung bedarf, nicht berührt.

§ 22

Schutz des Landschafts- und Ortsbildes

Das Landschafts- und Ortsbild ist insbesondere dadurch zu schützen, daß die Landschaft in ihrer Eigenart vor störenden baulichen Eingriffen bewahrt wird und nur in die Landschaft passende Bauwerke errichtet sowie geschichtlich oder gestalterisch wertvolle bauliche Ansichten eines Ortes oder Ortsteiles innerhalb der Gemeinde unter Einschluß der bildhaften Wirkung, die von der Landschaft ausgeht, erhalten werden.

.......

23

Bewilligungspflichtige Vorhaben

(1) Einer Baubewilligung bedürfen

.......

k) der Abbruch von Gebäuden oder Gebäudeteilen.

§ 31

Baubewilligung

.......

Die Baubewilligung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen sowie einem Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan nicht widerspricht und andere öffentliche Interessen, insbesondere solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Fremdenverkehrs, des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes und des Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen.

........

(5) Die Baubewilligung ist zu versagen, wenn die im Abs. 3 für eine Bewilligung genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind und auch durch Auflagen oder Bedingungen gemäß § 32 nicht erfüllt werden können.

(6) Bedarf ein Vorhaben außer der Baubewilligung noch einer Bewilligung nach anderen landesrechtlichen Vorschriften, so darf die Baubewilligung erst nach Eintritt der Rechtskraft der anderen Bewilligung erteilt werden.

.......“

§ 1 Abs. 2 des Vorarlberger Baugesetzes grenzt den Geltungsbereich des Baugesetzes von der Zuständigkeit des Bundes ab und regelt das Verhältnis des Vorarlberger Baugesetzes gegenüber anderen Vorschriften, nach denen die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken einer sonstigen Bewilligung bedarf. Diese Vorschriften können sowohl landesrechtliche als auch bundesrechtliche (z. B. Denkmalschutzgesetz) sein. Ein nach diesen Vorschriften durchzuführendes Verfahren tritt neben das baubehördliche Verfahren. § 31 Abs. 6 des Baugesetzes legt fest, daß ein Vorhaben, das auch einer Bewilligung nach anderen landesrechtlichen Vorschriften bedarf, erst nach Rechtskraft dieser anderen Bewilligung nach dem Baugesetz bewilligt werden kann. Sofern für ein Vorhaben aber auch eine Bewilligung nach bundesrechtlichen Vorschriften erforderlich ist (im Beschwerdefall nach dem Denkmalschutzgesetz), ist die beantragte Baubewilligung aber ohne Rücksicht auf die Rechtskraft solcher Bewilligungen zu erteilen. Dies bedeutet, daß die Abbruchbewilligung nicht deshalb versagt werden kann, weil auch eine Bewilligung nach dem Denkmalschutzgesetz notwendig ist.

Nun sieht zwar § 31 Abs. 3 des Baugesetzes vor, daß eine Bewilligung nur dann zu erteilen ist, wenn öffentliche Interessen, unter anderem auch solche des Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen. Dies kann aber in Anbetracht der der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung entsprechenden Regelung des § 1 Abs. 2 leg. cit. allerdings nur bedeuten, daß auch auf Belange des Denkmalschutzes Rücksicht genommen werden muß, nicht aber, daß Regelungen auf dem Gebiet des Denkmalschutzes von den Landesbehörden zu vollziehen sind. Die „Berücksichtigung“ aller öffentlichen Interessen, sohin auch der des Bundes, durch den Landesgesetzgeber scheint jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 4486).

In diesem Sinn haben die Baubehörden beider Instanzen die Versagung der Abbruchbewilligung nicht etwa nur auf den Denkmalschutz, sondern auch auf einen Widerspruch zum Ortsbildschutz gestützt.

Fest steht, daß der Abbruch von Bauten gemäß § 23 Abs. 1 lit. k des Baugesetzes zu den bewilligungspflichtigen Maßnahmen zählt und nach § 31 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 leg. cit. eine Baubewilligung zu versagen ist, wenn die im Absatz 3 für eine Bewilligung genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Diese Voraussetzungen sind unter anderem, daß dem Vorhaben öffentliche Interessen des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht entgegenstehen. Nun sieht das Vorarlberger Baugesetz aber zum „Schutze des Landschafts- und Ortsbildes“ im Gegensatz etwa zur Steiermärkischen Bauordnung, zu der das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 9815/A, ergangen ist, ausdrücklich vor, daß das Landschafts- und Ortsbild insbesondere dadurch zu schützen ist, „daß ........ geschichtlich oder gestalterisch wertvolle bauliche Ansichten eines Ortes oder Ortsteiles innerhalb einer Gemeinde unter Einschluß der bildhaften Wirkung, die von der Landschaft ausgeht, erhalten werden“. Diese Anordnung der Pflicht zur Erhaltung schützenswerter Ortsteile und damit einer Einschränkung hinsichtlich der Erteilung von Abbruchbewilligungen findet sich weder in der Steiermärkischen Bauordnung noch in allgemeinen Regelungen anderer Bauordnungen. Wohl aber sehen einzelne Bestimmungen in anderen Bauordnungen (z. B. die §§ 7 und 60 Abs. 1 lit. d der BauO für Wien) oder im besonderen Altstadterhaltungsgesetzen (z. B. in Graz und Salzburg) für bestimmte schützenswerte Gebiete Beschränkungen auch für den Abbruch vor. Der Vorarlberger Landesgesetzgeber hat im § 22 BauG offensichtlich zum selben Zweck Beurteilungen im Einzelfall vorgesehen.

Infolge der ausdrücklichen Regelung des „Schutzes des Ortsbildes“ im § 22 des Vorarlberger Baugesetzes muß entgegen der Ansicht der belangten Behörde die darin normierte Pflicht zur Erhaltung „geschichtlich oder gestalterisch wertvoller Ansichten eines Ortes oder Ortsteiles“ auch auf bauliche Maßnahmen bezogen werden, als deren Ergebnis ein unbebautes Grundstück entsteht. Es ist also auch bei Abbruchbewilligungen zu prüfen, ob sie mit der Erhaltungspflicht des § 22 Abs. 1 des Baugesetzes zu vereinbaren sind.

Auf dem Boden dieser rechtlichen Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, daß bei Prüfung der Voraussetzungen für eine Versagung der Abbruchbewilligung auch auf die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Erhaltung und Instandsetzung der Gebäude für den Eigentümer Bedacht zu nehmen ist. In diesem Zusammenhang wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 7759, und diesem folgend die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 81/05/0164, BauSlg. Nr. 24, und vom , Zl. 84/05/0007, BauSlg. Nr. 364, verwiesen, wonach bei der Verpflichtung zur Erhaltung des Ortsbildes (hier: durch Versagung der Abbruchbewilligung) eine Vermögensbelastung ohne jede Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht gerechtfertigt ist. Als wirtschaftlich zumutbar sah der Verfassungsgerichtshof eine qualifizierte Instandsetzungs- oder Herstellungsmaßnahme dann an, wenn daraus eine Erhöhung des Verkehrswertes oder des Ertragswertes des Grundstücks entsteht, in welcher die Kosten der Maßnahme Deckung finden. Wirtschaftlich zumutbar sind dem Hauseigentümer ferner solche Maßnahmen, zu deren finanzieller Deckung er öffentliche Mittel, aus welchem Titel auch immer, anzusprechen in der Lage ist, mag er eine solche Maßnahme auch aus freier Willensentschließung unterlassen haben. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist weiters dann anzunehmen, wenn der Eigentümer die Kosten auf Miet- oder Pachtzinse überwälzen kann; in diesem Falle muß allerdings mitberücksichtigt werden, ob die Möglichkeit einer Vermietung oder Verpachtung nach der vorausschaubaren Entwicklung unter Bedachtnahme auf einen allfälligen Wandel in den allgemeinen Anschauungen über die Ausstattung eines Bestandobjektes innerhalb der Amortisationszeit eines zur Deckung des finanziellen Aufwandes nötigen Darlehens gewährleistet ist.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am

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Normen
BauG Vlbg 1972 §1 Abs2 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §1 Abs2 idF 1983/074
BauG Vlbg 1972 §22 Abs1 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §22 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 idF 1983/074
BauG Vlbg 1972 §31 Abs3 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §31 Abs6 idF 1983/074
BauG Vlbg 1972 §31 idF 1983/047
BauG Vlbg 1972 §46 idF 1983/047
BauRallg
B-VG Art10
B-VG Art118 Abs3
B-VG Art140 Abs1
B-VG Art15
DSchG 1923
VwRallg
Sammlungsnummer
VwSlg 13056 A/1989
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 Behörden eigener Wirkungsbereich der Gemeinde örtliche Baupolizei und örtliche Raumplanung B-VG Art15 Abs5 BauRallg2/2 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1 VwRallg3/4 Gesichtspunktetheorie DenkmalschutzBehörden eigener Wirkungsbereich der Gemeinde örtliche Baupolizei und örtliche Raumplanung B-VG Art15 Abs5BauRallg2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1989:1987060078.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAF-63128