VwGH 17.11.1987, 87/05/0140
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Im Bereich der freien Beweiswürdigung besteht keine Vorschrift, wonach Zeugenaussagen grundsätzlich ein größeres Gewicht beizumessen sei als den Angaben des Beschuldigten, insbesondere wenn diese zu seinen Lasten gehen. Der VwGH kann nicht finden, dass die Überlegungen der bel Beh bei der Begründung der Beweiswürdigung, nämlich dass die Angaben des Besch, bevor er rechtsfreundlich vertreten war, glaubwürdiger erschienen seien als die Aussage des Zeugen, die zumindest in anderen Punkten objektive Unrichtigkeiten enthielt, nicht den Denkgesetzen entspräche. |
Normen | BauO Wr §129 Abs2 idF 1976/018; BauO Wr §135 Abs1 idF 1976/018; BauRallg; VStG §5 Abs1; |
RS 2 | Der Umfang der Sorgfaltspflicht des Hauseigentümers kann stets nur im Einzelfall geprüft werden. Der Hauseigentümer ist zwar nicht in allen Fällen verpflichtet, laufend die von ihm in Auftrag gegebenen Instandsetzungsarbeiten zu kontrollieren, handelt es sich allerdings zum Teil um offensichtliche Baugebrechen, so ist der Hauseigentümer auch ohne Bauauftrag zu deren Behebung nach § 129 Abs 2 iVm § 135 Wr BauO verpflichtet. Wenn daher solche Gebrechen, die letzlich zu sanitären Überständen führen, zum Gegenstand eines behördlichen Bauauftrages gemacht werden, muss auch im Rahmen laufender Instandsetzungsarbeiten nach angemessener Frist (hier ein halbes Jahr) die Durchführung kontrolliert und entsprechend urgiert werden (hier: konnte sich der Hauseigentümer nicht damit entschuldigen, dem Baumeister den entsprechenden Auftrag gegeben und sich darauf verlassen zu haben, dass dieser die Arbeiten im Rahmen der sonstigen Instandsetzungsarbeiten durchführen werde). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Ing. LI in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 64- 87/86/Str, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der Wiener Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes Wien
20. vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Eigentümer des Hauses Wien nn., S-straße 13, in der Zeit vom bis dieses entgegen den Bestimmungen des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien in der geltenden Fassung nicht in gutem der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechenden Zustand erhalten zu haben, indem er
1) das Mauerwerk, den Verputz und die Abdeckung der beiden Putzschächte im 2. Hof nicht instandgesetzt habe,
2) die angestemmte Rohrleitung im 2. Putzschacht des 2. Hofes nicht durch Versetzen eines Putzstückes flüssigkeitsdicht instandgesetzt habe,
den Hofeinlauf nicht von Sand gereinigt habe,
das Mauerwerk, den Verputz und die Abdeckung der Putzschächte im Keller des Hintergebäudes nicht instandgesetzt habe,
5) die gebrochenen Muffen der Hängeleitung im Keller des Mitteltraktes nicht erneuert habe und die angebohrten Rohre nicht normgemäß durch Formstücke ersetzt habe,
6) die gebrochenen Muffen der Hänge- und Podestleitung im Keller des Vordergebäudes nicht erneuert habe,
7) nicht an Stelle des vorschriftswidrigen "T" - Abzweigers einen "Schräg" - Abzweiger als Verbindungsstück zwischen Podestleitung und Hängeleitung eingebaut habe,
8) den gebrochenen Abzweiger der Hängeleitung der zwei neuen Abfallstränge (Gasthaus) nicht erneuert habe und keine Putzmöglichkeit hergestellt habe,
9) die verrosteten Putzstückdeckel nicht instandgesetzt habe und die fehlenden nicht habe ergänzen lassen.
Hiedurch habe der Beschwerdeführer § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien in der geltenden Fassung verletzt; wegen dieser Verwaltungsübertretungen werde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 6.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzarrest von 12 Tagen, gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage und hinsichtlich des Ausspruches der Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges mit der Abänderung bestätigt, daß die Punkte 3 und 7 zur Gänze, in Punkt 5 der Vorwurf, daß die angebohrten Rohre nicht normgemäß durch Formstücke ersetzt wurden, und im Punkt 9 der Vorwurf, daß die fehlenden Putzstückdeckel nicht ergänzt wurden, zu entfallen hätten. Die Strafe werde gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 3.000,-- (bei Uneinbringlichkeit 3 Tage Ersatzarreststrafe) herabgesetzt. Hinsichtlich des Vorwurfes, der Beschwerdeführer habe es als Eigentümer zu verantworten, daß entgegen den Bestimmungen des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien der Hofeinlauf nicht von Sand gereinigt worden sei, daß die angebohrten Rohre nicht durch normgemäße Formstücke ersetzt, daß anstelle des vorschriftswidrigen "T" - Abzweigers ein "Schräg" - Abzweiger eingebaut und die fehlenden Putzstückdeckel nicht ergänzt worden seien, werde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt. Begründend führte die belangte Behörde zum Vorwurf des Beschwerdeführers in der Berufung, er habe entgegen der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides das beigezogene Bauunternehmen ordnungsgemäß und regelmäßig überwacht; erst durch laufende Urgenzen sei die zwischenzeitige Erfüllung des Bauauftrages erwirkt worden, es wäre ihm lediglich die Möglichkeit geblieben, dem bereits beauftragten Baumeister die Durchführung der Arbeiten zu entziehen, was wieder einige Wochen zur Vorbereitung gebraucht hätten, die einzelnen Befehle des Bauauftrages seien nicht hinreichend klar gewesen, weil die vorzunehmenden Leistungen nicht ordnungsgemäß und ausreichend definiert worden seien, im einzelnen aus:
Gemäß § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien habe der Eigentümer dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechenden Zustand erhalten würden. Im gegenständlichen Fall stehe außer Streit, daß das im Straferkenntnis genannte Kanalgebrechen tatsächlich bestanden habe. Die Einwendungen des Beschwerdeführers hätten lediglich die subjektive Tatseite betroffen. Der vom Beschwerdeführer bestellte Baumeister sei im Verfahren als Zeuge einvernommen worden und habe zu Protokoll gegeben, er habe den Auftrag zur Behebung der Baumängel im September 1985 übernommen; verschiedene Rohrleitungen seien nicht sofort zu haben gewesen, sodaß der Auftrag nicht sofort habe durchgeführt werden können; als das Material vorhanden gewesen sei, sei bereits Schnee gelegen und es sei nicht mehr möglich gewesen, die Arbeiten durchzuführen. Der Beschwerdeführer habe laufend angerufen und sich erkundigt, er habe sogar gedroht, dies sei sein letzter Auftrag gewesen, da er sich nicht auf die prompte Durchführung seiner Aufträge habe verlassen können. Im Winter sei es wegen der großen Kälte nicht möglich gewesen, die Arbeiten durchzuführen; die Innenarbeiten seien zeitgerecht durchgeführt worden. Der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 37 habe hiezu in der Stellungnahme vom ausgeführt, die Verantwortung, es sei dem beauftragten Baumeister vom September bis zum Einsetzen des Schneefalls nicht möglich gewesen, die erforderlichen Kanalrohre zu beschaffen, sei völlig unverständlich. Im Bereich der Stadt Wien gebe es eine Vielzahl von Baustoffhändlern, die alle Kanalrohrprodukte lagernd hätten. Daß die Innenarbeiten zeitgerecht durchgeführt worden wären, entspreche ebenfalls nicht den Tatsachen, da eine Erhebung der Magistratsabteilung 30 am ergeben habe, daß auch im Hausinnern die Mängel der Punkte 4 bis 9 des Bauauftrages nicht behoben worden seien. Die Aussage des Baumeisters stehe in krassem Widerspruch zu den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme am . Dort habe dieser nämlich zu Protokoll gegeben, er habe sich um die Reparaturen nicht extra gekümmert und daher die Einhaltung des Bauauftrages der Baupolizei nicht überprüft, weil im Hause Wien nn., S-straße 13, laufend gearbeitet worden sei. Er sei der Meinung gewesen, daß die beauftragte Baufirma diese Arbeiten selbstverständlich durchführen würde; er habe sich zwar schon telefonisch über die Verwendung der Akontozahlungen informiert, nicht aber konkret gefragt, ob auch die durch die Baupolizei vorgeschriebenen Arbeiten schon durchgeführt worden seien. Da nach der Aktenlage kein Zweifel bestehe, daß dem Bauauftrag vom in keinem Punkt entsprochen worden sei - entgegen der Aussage des Baumeisters auch nicht bezüglich der Innenarbeiten - sei der Gefälligkeitscharakter dieser Aussage auch bezüglich der angeblichen Urgenzen des Hauseigentümers offensichtlich. Die Berufungsbehörde sehe es daher, ebenso wie die Behörde erster Instanz, als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer sich um die Instandsetzung der Kanalanlage nicht weiter gekümmert habe, abgesehen davon, daß er ein Unternehmen mit der Durchführung der Arbeiten beauftragt habe. Die bloße Auftragserteilung an einen Baugewerbetreibenden könne aber nicht als Erfüllung der Instandhaltungspflicht angesehen werden. Auch der Einwand, der Bauauftrag vom sei nicht konkret genug gewesen, gehe ins Leere; abgesehen davon, daß nämlich die in diesem Bescheid erteilten Vorschreibungen auch für jeden Nichtfachmann klar und eindeutig seien, ergebe sich die Verpflichtung zur Instandhaltung unmittelbar aus dem Gesetz und bedürfe eines solchen Auftrages gar nicht. Das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien sei daher auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.
Die Einschränkung des Tatumfanges habe zu erfolgen, weil Sand im Hofeinlauf kein Baugebrechen darstelle und die Tatvorwürfe, für die das Verfahren einzustellen gewesen sei, unter § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien zu subsumieren seien; eine solche Anlastung sei jedoch (in erster Instanz) nicht erfolgt. Schließlich begründete die belangte Behörde noch die Herabsetzung der Strafhöhe und wies in dem Zusammenhang darauf hin, daß es sich immerhin um die Verletzung von Vorschriften handle, welche zur Vermeidung einer Gefahr für die Gesundheit von Menschen erlassen worden seien, die von einer defekten Kanalanlage betroffen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGG kann ein angefochtener Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden, letzteres, weil a) der Sachverhalt von der belangten Behörde in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde oder b) der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf oder c) Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Beweiswürdigung kann eine derartige Rechtswidrigkeit nur begründen, wenn die dabei angewendeten Denkprozesse mit den Denkgesetzen nicht in Einklang stehen, sich damit der logischen Kettung an das Ermittlungsergebnis entledigen und so nicht mehr dem Begriff der Beweiswürdigung unterstellt werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 5050/A, u.a.), also die Beweiswürdigung unschlüssig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 3455/80, in Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 592). Dies räumt auch der Beschwerdeführer in der Beschwerde grundsätzlich ein, er meint jedoch, daß die "Herabwürdigung" der Aussage des Zeugen, der immerhin unter der Strafsanktion des § 289 StGB stehe, nicht schlüssig erfolgt sei. Der Verwaltungsgerichtshof kann jedoch nicht finden, daß die Überlegungen der belangten Behörde bei der Begründung der Beweiswürdigung, nämlich daß die Angaben des Beschuldigten, bevor er rechtsfreundlich vertreten war, glaubwürdiger erschienen seien als die Aussage des Zeugen, die zumindest in anderen Punkten objektive Unrichtigkeiten enthielt, nicht den Denkgesetzen entsprochen. Im Bereich der freien Beweiswürdigung besteht keine Vorschrift, wonach Zeugenaussagen grundsätzlich ein größeres Gewicht beizumessen sei als den Angaben des Beschuldigten, insbesondere wenn diese zu seinen Lasten gehen. Es ist daher im Sinne des § 41 VwGG von dem von der Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt auszugehen.
Auch die, wenn auch nur nebenbei geltend gemachte, Rechtswidrigkeit des Inhaltes liegt nicht vor. Der Umfang der Sorgfaltspflicht des Hauseigentümers kann stets nur im Einzelfall geprüft werden. Mag der Hauseigentümer auch nicht in allen Fällen verpflichtet sein, laufend die Durchführung der von ihm "in Auftrag gegebenen Instandsetzungsarbeiten zu kontrollieren, so darf im vorliegenden Fall nicht übersehen werden, daß es sich zum Teil um offensichtliche Baugebrechen handelt, zu deren Behebung der Beschwerdeführer unter der Strafsanktion des § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 135 der Bauordnung für Wien auch ohne Bauauftrag verpflichtet war. Wenn daher solche Gebrechen, die letztlich zu sanitären Übelständen führen, zum Gegenstand eines behördlichen Bauauftrages gemacht werden, muß auch im Rahmen laufender Instandsetzungsarbeiten nach angemessener Frist (hier handelt es sich fast um ein halbes Jahr, wenn auch der Strafbescheid nur einen Teil dieser Zeit erfaßt) die Durchführung kontrolliert und entsprechend urgiert werden. Es konnte daher im vorliegenden Fall den Beschwerdeführer nicht entschuldigen (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950), dem Baumeister den entsprechenden Auftrag gegeben und sich darauf verlassen zu haben, daß dieser die Arbeiten im Rahmen der sonstigen Instandsetzungsarbeiten durchführen werde.
Da auch gegen die Strafhöhe keine Bedenken bestehen - der Beschwerdeführer hat diesbezüglich auch nichts vorgebracht -, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am
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Schlagworte | Grundsatz der Gleichwertigkeit freie Beweiswürdigung Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Baurecht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweismittel Zeugenbeweis Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Sachverhalt Beweiswürdigung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1987:1987050140.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-63085