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VwGH 22.01.1987, 86/16/0194

VwGH 22.01.1987, 86/16/0194

Rechtssätze


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Normen
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1 impl;
RS 1
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während das Verschulden einer Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Verschulden der Partei oder des bevollmächtigten Rechtsanwaltes nicht schlechterdings gleichgesetzt werden darf; das Versehen eines Kanzleibediensteten stellt für den Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, daß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Aufgaben, die aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit erfüllen muß, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient.
Normen
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
RS 2
Der Rechtsanwalt muß gegenüber seiner Kanzlei als seinem Hilfsappart, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis iSd § 308 Abs 1 BAO in Betracht. Insbesondere muß der betroffene Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn dargetan wird, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht.
Normen
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1 impl;
RS 3
Ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsgemäß eingerichteten Kanzleibetrieb kann sich im allgemeinen darauf verlassen, daß sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung über die Eintragung einer Frist im Fristenvormerk auch tatsächlich befolgt. Der Rechtsanwalt darf daher, wenn sich auf einem Schriftstück ein Vermerk der Kanzleileiterin über den vorgenommenen Fristenvormerk befindet, auf die Richtigkeit dieses Vormerkes grundsätzlich vertrauen. Umso weniger kann ein Verschulden des Rechtsanwaltes schon darin gelegen sein, daß ihm eine weisungswidrige Vorgangsweise der Kanzleileiterin nicht zur Kenntnis gelangt sei. Entscheidend ist vielmehr nur, ob der Rechtsanwalt überhaupt wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind.
Normen
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1 impl;
RS 4
Die Berufung eines Rechtsanwaltes auf eine "stichprobenartige Überprüfung" der von seinem Kanzleipersonal vorgenommenen Eintragungen im Fristenkalender ist für die Erfüllung der dem Rechtsanwalt gegenüber seinem Kanzleipersonal obliegenden Überwachungspflicht nicht als ausreichend anzusehen (Hinweis E , 86/04/0072); dies jedenfalls dann nicht, wenn die fragliche Kanzleibedienstete erst seit kurzer Zeit (hier weit weniger als ein Kalenderjahr) beim betreffenden Rechtsanwalt beschäftigt war.

Entscheidungstext

Kein Text vorhanden

Zusatzinformationen


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Sammlungsnummer
VwSlg 6182 F/1987
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1987:1986160194.X01
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-62908