VwGH 25.03.1987, 86/11/0145
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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RS 1 | Zur Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise ist (abweichend von VwSlg 16143 A/1930, 8044 A/1971; VfSlg 2960/1956) nur eine bestimmte Behörde zuständig, und zwar jene, die die Angelegenheit, in der die Eingabe eingebracht worden ist, zu erledigen oder sonst in Verhandlung zu nehmen hat. Dies ist in Ansehung einer in einer Berufung enthaltenen Ordnungswidrigkeit die Berufungsbehörde (und nicht etwa die Erstbehörde als Einbringungsstelle). Wenn die Eingabe zwei oder mehrere Angelegenheiten betrifft, sind zur Verhängung zwei oder mehrere (jeweils bestimmte) Behörden zuständig. Diesfalls entscheidet das Zuvorkommen. Eine zwei oder mehrmalige Verhängung einer Ordnungsstrafe scheidet - vom Zweck der Maßnahme, die betreffende Person in Zukunft von der Setzung ordnungswidrigen Verhaltens abzuhalten, her gesehen - aus. |
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RS 2 | Bei der Verhängung einer Ordnungsstrafe handelt es sich um einen verfahrensrechtlichen Bescheid in Vollziehung des jeweiligen Verfahrensgesetzes. Sie stellt demnach gemäß Art 11 Abs 4 B-VG eine Angelegenheit der Bundesvollziehung oder der Landesvollziehung dar, je nach dem ob die dem Gegenstand des Verfahrens bildenden Angelegenheit der Vollziehung nach Bundessache oder Landessache ist (Hinweis auf VfSlg 4772/1964). Es erscheint somit ausgeschlossen, daß - ohne besondere verfassungsrechtliche Grundlage - in der Bundesangelegenheit (Landesangelegenheit) "Verhängung einer Ordnungsstrafe" eine Landesbehörde Bundesbehörde tätig wird. |
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RS 3 | Unter der vorgesetzten Behörde iSd § 36 Abs 2 AVG ist im Lichte des Art 11 Abs 4 B-VG jene Behörde zu verstehen, die in der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Angelegenheit als Berufungsbehörde, im Falle der Abkürzung des Instanzenzuges als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde einzuschreiten hätte. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
86/11/0150
Siehe jedoch:
94/17/0427 E VwSlg 14331 A/1995; Verstärkung gemäß §13 Abs1 Z1 VwGG nicht erforderlich, da Rechtslage vor Einführung der UVS und daher zur Frage
der Zuständigkeit dieser Behörden nach § 36 Abs. 2 AVG 1991 keine ausdrückliche Aussage.
Fortgesetztes Verfahren:
87/11/0271 E ;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Domittner, Dr. Kramer, Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerden der EG, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, Schulgasse 2, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Burgenland vom , Zl. VI/2-2340/9-1985, und vom , Zl. VI/2-1415/11-1986, beide betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 19.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. In einem Verfahren betreffend Zulassung eines Kraftfahrzeuges für die Beschwerdeführerin nach dem KFG 1967 wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Eisenstadt der Antrag der Beschwerdeführerin wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde zurückgewiesen. Nachdem der Landeshauptmann von Burgenland innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist nicht über die dagegen erhobene Berufung entschieden hatte, ging über Antrag der Beschwerdeführerin die Entscheidungspflicht über die Berufung auf den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über. In einer an den Bundesminister gerichteten Eingabe bediente sich die Beschwerdeführerin einer nach Meinung der Behörden des Verwaltungsverfahrens beleidigenden Schreibweise, indem sie u.a. ausführte: „Ich lasse mich nicht durch ein Polizeiorgan, das mich bedroht, persönlich polizeilich abzumelden, um zu meiner Kennzeichennummer zu kommen, weil es wahrscheinlich lukrativ ist, nicht einschüchtern“ sowie „... polizeilicher Eingriff in die Privatatmosphäre eines nicht parteigebundenen Staatsbürgers, der denen in den Ostblockstaaten und der Gestapozeit von 1938 - 1945 nicht nachsteht“ und „... harmlose nur rechtsuchende Parteien einzuschüchtern, in Angst zu versetzen, zu bedrohen, wo jedes Mittel recht ist, damit der Staatsbürger schweigt“.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom wurde über die Beschwerdeführerin deswegen gemäß § 34 Abs. 3 AVG 1950 eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (drei Tagen Ersatzarrest) verhängt. Mit dem (zur Zl. 86/11/0150) angefochtenen Bescheid vom wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom bestätigt.
1.2. In der Berufung gegen den unter 1.1. genannten Bescheid der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom führte die Beschwerdeführerin u.a. aus: „Daß dieser“ (gemeint der Polizeidirektor von Eisenstadt) „... die Ordnungsstrafe darin selbst unterfertigte, zeigt von einer Anmaßung und Präpotenz, die in einem Polizeistaat (Kabinettjustiz) gebräuchlich ist, in einem demokratischen Gemeinwesen aber keinen Platz hat. Der Polizeidirektor setzt sich selbstherrlich über die zwingende Verpflichtung des § 7 Abs. 1 AVG 1950 hinweg“.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom wurde über die Beschwerdeführerin deswegen gemäß § 34 Abs. 3 AVG 1950 eine Ordnungsstrafe in der Höhe von ebenfalls S 1.000,-- (drei Tagen Ersatzarrest) verhängt. Mit dem (zur Zl. 86/11/0145) angefochtenen Bescheid vom wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom bestätigt.
1.3. In ihren an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die belangte Behörde hat Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beratung und Beschlußfassung über die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges verbunden und hierüber in einem nach § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 3 AVG 1950 können von der Behörde Ordnungsstrafen bis S 1.000,-- (Ersatzarrest bis drei Tage) gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen. Gemäß § 36 Abs. 2 AVG 1950 ist gegen den Bescheid, mit dem eine Ordnungsstrafe verhängt wird, Berufung ohne aufschiebende Wirkung an die vorgesetzte Behörde zulässig, die endgültig entscheidet.
3.1. Welche Behörde zur Verhängung einer Ordnungsstrafe zuständig ist, wird im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Hinsichtlich der Störung einer Amtshandlung (5 34 Abs. 2 AVG 1950) ergibt sich dies aus dem Zusammenhang der Regelung der Disziplinarmittel (Ermahnung, Androhung der Entziehung des Wortes, Verfügung der Entfernung), daß hiezu jene Behörde zuständig ist, von der die gestörte Amtshandlung durchgeführt wird. Hinsichtlich der beleidigenden Schreibweise in Eingaben (5 34 Abs. 3 AVG 1950) haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Meinung vertreten, daß hiezu alle diejenigen Behörden zuständig sind, die sich mit der Eingabe zu befassen haben (VfSlg. Nr. 2960/1956, VwSlg. Nr. 16.143/A/1930, 8044/A/1971, Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom , Zl. 82/06/0072). Die Gerichtshöfe haben damit im Ergebnis zum Ausdruck gebracht, daß es im Belieben einer Behörde liegt, eine von ihr wahrgenommene beleidigende Schreibweise selbst zu ahnden oder die Eingabe (wie etwa eine Berufung) einer höheren Behörde zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit durch diese vorzulegen oder es allenfalls auch einer Unterbehörde anheim zu stellen, ob sie eine Ordnungsstrafe verhängen wolle.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese seine Rechtsprechung nicht aufrechtzuerhalten. Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 34 ff AVG 1950 muß davon ausgegangen werden, daß in jedem Einzelfall nur eine bestimmte Behörde zuständig sein kann. Andernfalls verstieße die Regelung gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 83 Abs. 2 B-VG), der nicht nur garantiert, daß immer die zuständige Behörde (in gesetzmäßiger Zusammensetzung) entscheidet, sondern der auch (in Verbindung mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG) besagt, daß das Gesetz die zuständige Behörde eindeutig zu bestimmen hat und daß die Zuständigkeit nicht in das Ermessen der Behörde gelegt sein darf. Im Sinne dieser Überlegungen kommt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, daß auch zur Erlassung von Ordnungsstrafen nur jeweils eine bestimmte Behörde zuständig ist. Analog zur Ahndung von Störungen von Amtshandlungen kann darunter nur jene Behörde verstanden werden, die die Angelegenheit, in der die Eingabe eingebracht worden ist, zu erledigen oder sonst in Verhandlung zu nehmen (5 13 Abs. 4 AVG 1950) hat.
Dazu kommt, daß sich aus § 34 Abs. 2 AVG 1950 ergibt, daß die Behörde, deren Verhandlung durch eine Ordnungswidrigkeit gestört worden ist, die Ordnungsstrafe zu verhängen hat. Übertragen auf in Eingaben enthaltene Ordnungswidrigkeiten bedeutet dies, daß zu deren Ahndung (ebenfalls) jene Behörde zuständig ist, die über diese Eingabe „zu verhandeln“ hat, im Falle einer Berufung demnach die Berufungsbehörde. Dieser Grundsatz ergibt sich auch aus § 35 AVG 1950, wonach zur Verhängung einer Mutwillensstrafe jene Behörde zuständig ist, deren Tätigkeit mutwillig in Anspruch genommen wurde - im Fall einer mutwilligen Berufung also ebenfalls die Berufungsbehörde.
Dies schließt es aus, eine bloße Einbringungsstelle - wie etwa die Erstbehörde im Berufungsverfahren - als zuständige Behörde für die Erlassung eines eine Ordnungsstrafe verhängenden Bescheides anzusehen. Dies schließt es ebenfalls aus, daß es die Oberbehörde einer Unterbehörde anheimstellt oder sie anweist, eine Ordnungsstrafe zu verhängen.
Wenn die Eingabe zwei oder mehrere Angelegenheiten im obigen Sinn betrifft, was etwa dann der Fall ist, wenn in einem Berufungsschriftsatz zwei oder mehrere Bescheide bekämpft werden und zur Entscheidung zwei oder mehrere Berufungsbehörden zuständig sind, sind zur Verhängung der Ordnungsstrafe für eine in der Eingabe enthaltene beleidigende Schreibweise, die sich nicht auf Grund der textlichen Trennbarkeit ausschließlich einer der zwei oder mehreren Angelegenheiten zuordnen läßt, zwei oder mehrere (jeweils bestimmte) Behörden zuständig. Diesfalls entscheidet das Zuvorkommen. Eine zwei- oder mehrmalige Ahndung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, da mit der einmaligen Verhängung einer Ordnungsstrafe der Zweck dieser Maßnahme, die betreffende Person in Zukunft von der Setzung ordnungswidrigen Verhaltens gegenüber Behörden abzuhalten, erfüllt ist und daher keine Notwendigkeit zur nochmaligen Verhängung einer Ordnungsstrafe für dieselbe Ordnungswidrigkeit besteht.
Auf die Beschwerdefälle übertragen bedeutet das, daß die Bundespolizeidirektion Eisenstadt in keinem der beiden Fälle zur Verhängung einer Ordnungsstrafe zuständig gewesen ist. Bezüglich der Eingabe an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr war ausschließlich dieser, bezüglich der Berufung gegen die Verhängung der (ersten) Ordnungsstrafe ausschließlich die Berufungsbehörde zuständig.
3.2. Zur Frage, welche Behörde „vorgesetzte Behörde“ der eine Ordnungsstrafe verhängenden Behörde im Sinne des § 36 Abs. 2 AVG 1950 ist, hat der Verfassungsausschuß des Nationalrates (360 Blg NR II. GP.) zum Ausdruck gebracht, daß darunter zum Unterschied von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde und der instanzenmäßig übergeordneten Behörde die organisatorisch höhere Behörde zu verstehen ist. Dieser Meinung hat sich Hellbling (Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, Band I, S. 231 ff.) angeschlossen. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist offenbar in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 7294/A/1968 von dieser Rechtsauffassung ausgegangen; in diesem Erkenntnis hat er ausgesprochen, daß zur Entscheidung über eine Berufung gegen eine vom Milchwirtschaftsfonds verhängte Ordnungsstrafe der Bundesminister für Land- und Forst-wirtschaft und nicht der damals im Instanzenzug übergeordnete Landeshauptmann zu entscheiden hatte. Dagegen hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. Nr. 8044/A/1971 ausgeführt, daß der Begriff der vorgesetzten Behörde im Sinne des § 36 Abs. 2 AVG 1950 so zu verstehen sei, daß dies jene Behörde ist, die nach der gesetzlichen Ordnung des administrativen Instanzenzuges im Zusammenhalt mit der Angelegenheit, die den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gebildet hat, der Behörde, die die Ordnungsstrafe verhängt hat, sachlich übergeordnet ist; er hat dementsprechend die Beschwerde gegen einen Bescheid einer Landesregierung abgewiesen, mit dem diese eine Sachentscheidung über eine Berufung gegen einen Bescheid einer Bundespolizeidirektion betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe in Zusammenhang mit einem Verfahren nach der Straßenverkehrsordnung 1960 getroffen hat, und zum Ausdruck gebracht, daß die Landesregierung zuständigerweise eingeschritten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die erstgenannte Rechtsprechung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Verwendung des Begriffes „vorgesetzte Behörde“ im § 36 Abs. 2 AVG 1950 läßt in Verbindung mit den zitierten Erläuternden Bemerkungen erkennen, daß darunter jedenfalls etwas anderes zu verstehen ist als die jeweils im Instanzenzug übergeordnete Behörde und etwas anderes als die jeweils sachlich in Betracht kommende Oberbehörde. Der in den Materialien geäußerten Meinung, es handle sich dabei um die „organisatorisch höhere Behörde“ - was damit gemeint ist, ist im übrigen nicht völlig eindeutig -, kann aus nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden: Bei der Verhängung einer Ordnungsstrafe handelt es sich um einen verfahrensrechtlichen Bescheid in Vollziehung des jeweiligen Verfahrensgesetzes. Sie stellt demnach gemäß Art. 11 Abs. 4 B-VG eine Angelegenheit der Bundes- oder der Landesvollziehung dar, je nachdem ob die den Gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit der Vollziehung nach Bundes- oder Landessache ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 4772/1964). Unter diesem Gesichtspunkt ist es aber ausgeschlossen, daß - ohne besondere verfassungsrechtliche Grundlage - in der Bundes(Landes)angelegenheit „Verhängung einer Ordnungsstrafe“ eine Landes(Bundes)behörde tätig wird, was etwa dann der Fall wäre, wenn in einem Verfahren nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG) über die Berufung gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe durch eine in erster Instanz eingeschrittene Bundespolizeidirektion (Art. 15 Abs. 4 B-VG) eine organisatorisch vorgesetzte Bundesbehörde (sei es eine Sicherheitsdirektion, sei es der Bundesminister für Inneres) zu entscheiden hätte. Eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffes „vorgesetzte Behörde“ in § 36 Abs. 2 AVG 1950 im Lichte des Art. 11 Abs. 4 B-VG hat dazu zu führen, darunter jene Behörde zu verstehen, die in der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Angelegenheit als Berufungebehörde, im Falle der Abkürzung des Instanzenzuges als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde einzuschreiten hätte. Dazu kommt, daß § 36 Abs. 2 AVG 1950 in gleicher Weise die Berufung gegen die Verhängung von Mutwillensstrafen regelt. Diesbezüglich aber erscheint die in der Sache übergeordnete Behörde, nämlich die Berufungsbehörde, am besten zur Beurteilung berufen, ob eine mutwillige Inanspruchnahme der Behörde gegeben ist oder nicht. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß zur Entscheidung über die Berufung gegen eine von einer Bundespolizeidirektion in einem Verfahren nach dem Kraftfahrgesetz 1967 verhängte Ordnungsstrafe der Landeshauptmann zu entscheiden hat.
4. Daraus folgt, daß der Landeshauptmann zwar zuständig war, über die Berufungen gegen die Verhängung von Ordnungsstrafen durch die Bundespolizeidirektion zu entscheiden, daß er aber die Unzuständigkeit der Bundespolizeidirektion Eisenstadt durch Aufhebung ihrer Bescheide wahrzunehmen gehabt hätte. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Berufung ist in beiden Fällen rechtswidrig und verletzt in beiden Fällen auch das Recht der Beschwerdeführerin auf Fällung einer Sachentscheidung durch die funktionell hiezu zuständige Behörde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/11/0250).
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Hinsichtlich der zitierten nicht veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelmarken nur in dem Ausmaß ersetzt werden können, in dem sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entrichten waren; demnach gebührte als Stempelgebührenersatz nur der Betrag von S 1.110,-- (S 720,-- für insgesamt sechs Beschwerdeschriftsätze, S 240,-- für zwei Vollmachten und S 150,-- für die Ausfertigungen der beiden angefochtenen Bescheide).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 12429 A/1987 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1987:1986110145.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-62598