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VwGH 27.03.1987, 86/11/0032

VwGH 27.03.1987, 86/11/0032

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Wie sich aus § 38 (arg: "....bis zur rechtkräftigen Entscheidung der Vorfrage...") iV mit § 69 Abs 1 lit c AVG 1950 (arg: "...nachträglich...in wesentlichen Punkten anders entschieden...") ergibt, bewirken nur gerichtliche "Entscheidungen" eine Bindung der Verwaltungsbehörde in einer von ihr als Vorfrage, hingegen vom Gericht als Hauptfrage zu beurteilenden Frage. Ein gerichtlicher Vergleich ist keine "Entscheidung" des Gerichtes und vermag deshalb die Verwaltungsbehörde idS nicht zu binden (Hinweis E , 85/11/0059).
Normen
AVG §56
SHG Tir 1973 §10
SHG Tir 1973 §10 Abs3
SHG Tir 1973 §9
VwRallg
RS 2
Bei der Entscheidung über einen (nicht iSd § 10 Abs 1 Tir SHG verjährten) Ersatzanspruch gegenüber einem Unterhaltspflichtigen nach § 9 TSHG hat die Behörde zunächst dessen (privatrechtliche) Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Empfänger der Sozialhilfe in jenen Zeiträumen, für die die

Sozialhilfe gewährt worden ist, zu ermitteln (Hinweis E 22..1983, 2753/79). Danach hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die "wirtschaftlichen Verhältnisse" und die "sonstigen Sorgepflichten" (§ 10 Abs 2 Tir SHG) des Unterhaltspflichtigen zu prüfen, ob diesem Ersatz des ermittelten Betrages auferlegt werden kann. Insoweit kommt es auf die Sachlage und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung an. Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung ist dem Unterhaltspflichtigen die Zahlung des Ersatzbetrages zur Gänze oder in Teilbeträgen vorzuschreiben. Erscheint eine Ersatzleistung überhaupt nicht möglich, so ist - vorerst - von einer Entscheidung nach § 10 Abs 3 Tir SHG abzusehen.
Norm
SHG Tir 1973 §9 Abs1
RS 3
Da es bei der Ermittlung des zu ersetzenden Gesamtbetrages auf die gesetzliche Unterhaltspflicht ankommt, geht die Sozialhilfebehörde nicht fehl, wenn sie insoweit die Praxis der ordentlichen Gerichte in Unterhaltsfragen zur Richtschnur nimmt (Hinweis E , 85/11/0098).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-456-13.387/1-1986, betreffend Ersatz von Sozialhilfekosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom teilte die Bezirkshauptmannschaft dem Beschwerdeführer mit, LS, die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers, sei in der Zeit vom bis aus Sozialhilfemitteln unterstützt worden, wobei für sie insgesamt S 186.291,55 aufzuwenden gewesen seien. Auf Grund der Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gegenüber der LS sei beabsichtigt, ihn gemäß § 9 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes zum Ersatz des angeführten Sozialhilfeaufwandes zu verpflichten, und zwar in der Höhe von S 84.000,--. Dem Beschwerdeführer werde hiemit gemäß § 45 AVG 1950 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

In der Folge erließ die Bezirkshauptmannschaft den mit datierten Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

„Die Bezirkshauptmannschaft hat mit den Bescheiden vom , , , , , , , , und , alle Zahl: SH-St 100, Frau LS ... in der Zeit vom bis Sozialhilfe im Betrage von insgesamt S 186.291,55 gewährt.

Gemäß § 9 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes verpflichtet die Bezirkshauptmannschaft, Herrn A, im Rahmen seiner Unterhaltspflicht den angeführten Sozialhilfeaufwand im Ausmaß von S 84.000,-- nach Rechtskraft dieses Bescheides zu ersetzen.

Der fällige Betrag ist auf das Konto der Bezirkshauptmannschaft .... einzuzahlen.“

Die Sozialhilfe sei, so führte die Behörde zur Begründung aus, der LS gewährt worden, weil die Genannte zur Bestreitung des für sie notwendigen Lebensunterhaltes nicht in der Lage gewesen sei. Auf Grund der mit dem Urteil des Landesgerichtes vom erfolgten Scheidung aus dem Verschulden des Beschwerdeführers und des vor diesem Gericht am selben Tag geschlossenen Vergleiches habe der Beschwerdeführer der LS einen monatlichen Unterhalt von S 2.000,-- zu leisten. Was die von ihm ins Treffen geführte Unmöglichkeit zur Leistung des besagten Unterhaltes im Hinblick auf die Sorgepflicht für drei Kinder anlange, so habe sich die Behörde an den gerichtlichen Vergleich zu halten. Es sei Sache des Beschwerdeführers, dessen Abänderung beim zuständigen Gericht zu beantragen.

In seiner Berufung legte: der Beschwerdeführer seine wirtschaftliche Situation dar und führte dazu unter anderem aus, daß er sich in der Zeit vom Februar 1982 bis Ende Oktober 1983 in Haft befunden habe und 10 Monate lang beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet gewesen sei.

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der erstinstanzliche Bescheidspruch dahingehend geändert, daß dessen zweiter Satz zu lauten habe:

„Gemäß § 9 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973, verpflichtet die Bezirkshauptmannschaft Herrn A ... im Rahmen seiner Unterhaltspflicht den angeführten Sozialhilfeaufwand im Ausmaß von. S 25.200,-- zu ersetzen; nach § 59 Abs. 2 AVG 1950 beginnt die Verbindlichkeit zur Leistung bei Vermögenserwerb oder Bezug eines Einkommens, das bei Berücksichtigung seiner Sorge-pflichten über jenem Betrag liegt, auf den Anspruch nach sozialhilferechtlichen Bestimmungen bestünde.“

Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet. abgewiesen.

In der Begründung wurde ausgeführt, die Ehe des Beschwerdeführers mit LS sei mit Urteil des Landesgerichtes vom aus dem Verschulden des Beschwerdeführers geschieden worden. Dieser sei daher nach § 66 EheG gegenüber seiner geschiedenen Ehegattin unterhaltspflichtig. Für das Ausmaß des Kostenersatzes sei nicht maßgeblich, in welcher Höhe sich der Beschwerdeführer etwa durch einen gerichtlichen Vergleich gegenüber seiner geschiedenen Ehegattin zum Unterhalt verpflichtet habe und in welcher Höhe er derzeit tatsächlich zum Unterhalt gegenüber den anderen Unterhaltsberechtigten beitrage, sondern vielmehr jener Unterhaltsbetrag, den der Beschwerdeführer auf Grund der derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten zu leisten hätte. Neben seiner Ehegattin sei er unterhaltspflichtig für die beiden ehelichen Kinder MS, geboren 1977 und RS, geboren 1978, sowie für den Sohn MS, geboren 1972. Nach der im Unterhaltsrecht anerkannten Prozentrechnung hätte der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung seines Einkommens von S 6.700,-- Unterhaltspflichten in Höhe von S 4.000,-- nachzukommen (21 % für die geschiedene Ehegattin, 15 % für MS und je 12 % für MS und RS). Berücksichtige man, daß dem Beschwerdeführer das Existenzminimum zu verbleiben habe, und kürze man daher den sich nach der Prozentrechnung für die Ehegattin ergebenden Betrag in Höhe von S 1.400,-- um den aufgerundeten Betrag von S 200,--, so ergebe dies einen Betrag von monatlich S 1.200,--, der für die geschiedene Ehegattin zu leisten sei. Unter Berücksichtigung der in Strafhaft verbrachten Zeit ergebe sich daher eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung im Ausmaß von S 1.200,-- monatlich für insgesamt 21 Monate des Zeitraumes bis , insgesamt somit S 25.000,--. Die Leistungsfrist sei in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 2 AVG 1950 unter Rücksichtnahme auf die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers zu bestimmen gewesen.

In seiner gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat zur Gegenschrift der belangten Behörde eine weitere Stellungnahme abgegeben, in der er die in der Beschwerde gestellten Anträge wiederholt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973, haben Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, die Kosten der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu ersetzen.

Nach dem mit „Geltendmachung von Ersatzansprüchen“ überschriebenen § 10 des Tiroler Sozialhilfegesetzes können Ersatzansprüche nach den §§ 8 und 9, soweit sie nicht grundbücherlich sichergestellt sind, nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe gewährt worden ist, mehr als 3 Jahre verstrichen sind (Abs. 1). Bei der Geltendmachung der Ersatzansprüche gegenüber Unterhaltspflichtigen ist auf deren wirtschaftliche Verhältnisse und ihre sonstigen Sorgepflichten Bedacht zu nehmen (Abs. 2). über den Ersatz der Kosten für Leistungen nach den §§ 4, 5 Abs. 1 lit. a, b und c sowie 6 Abs. 1 ist im Verwaltungsweg zu entscheiden. Im übrigen sind zur Entscheidung über den Kostenersatz die ordentlichen Gerichte zuständig (Abs. 3).

Der Beschwerdeführer behauptet, in seinen Rechten insoweit verletzt zu sein, als von ihm „gemäß § 1042 ABGB“ nur der Ersatz jenes Aufwandes gefordert werden könne, den er nach dem Gesetz selbst hätte tragen müssen. Damit verkennt der Beschwerdeführer, daß die Ersatzpflicht der gesetzlich zum Unterhalt von Sozialhilfeempfängern verpflichteten Personen in Ansehung der gewährten Sozialhilfe dem Grunde und dem Umfange nach im § 9 des Tiroler Sozialhilfegesetzes geregelt ist und daher im Anwendungsbereich dieser Sonderbestimmung für die Anwendung (auch) des § 1042 ABGB kein Raum bleibt. Im Beschwerdefall ist unbestritten Ersatz für die zur Sicherung des Lebensunterhaltes der LS (§ 4 des Tiroler Sozialhilfegesetzes geleistete Sozialhilfe geltend gemacht und darüber entschieden worden. Da nach dem Gesagten § 1042 ABGB nicht anzuwenden war und auch nicht angewendet wurde, konnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem aus dieser Bestimmung erfließenden Recht verletzt werden. Die Beschwerde ist gleichwohl nicht als unzulässig zurückzuweisen, weil aus den übrigen Beschwerdeausführungen klar erkennbar ist, daß der Beschwerdeführer sich in dem durch § 9 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes eingeräumten Recht verletzt erachtet, nur im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht Ersatz leisten zu müssen.

Unberechtigt ist der nicht näher begründete Beschwerdevorwurf, es sei „der Verjährung gemäß § 10 des Tiroler Sozialhilfegesetzes nicht Rechnung getragen worden“. Dieses Vorbringen versteht der Verwaltungsgerichtshof dahin, daß der Beschwerdeführer nach seiner Auffassung mit dem im Februar 1986 erlassenen angefochtenen Bescheid wegen Ablaufes von mehr als drei Jahren nicht mehr zum Ersatz der der LS im Jahre 1982 gewährten Sozialhilfe hätte verpflichtet werden dürfen. Die belangte Behörde hat aber für das Jahr 1982 keinen Ersatz verlangt, vielmehr „unter Berücksichtigung der in der Strafhaft verbrachten Zeit“ (diese umfaßte unter anderem die Monate März bis einschließlich Dezember 1982) entschieden und sohin für diese Zeit eine Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers nicht angenommen.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei die Angemessenheit des Unterhaltes der geschiedenen Ehefrau grundsätzlich nach der Leistungsfähigkeit des geschiedenen Mannes zu beurteilen. Daher sei ein Unterhaltsanspruch seiner geschiedenen Ehegattin während der Zeit seiner Haft überhaupt nicht und in weiterer Folge nicht in dem von der belangten Behörde angenommenen Ausmaß von S 1.200,-- monatlich gegeben gewesen. In diesem Zusammenhang wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe nicht festgestellt, welches Nettoeinkommen in welchem Zeitraum als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen gewesen sei sowie, daß er ab seiner Haftentlassung bis zum arbeitslos gewesen sei und in dieser Zeit keine Arbeitslosenunterstützung bezogen habe.

Die belangte Behörde hält dem in ihrer Gegenschrift (anders als in der Begründung des angefochtenen Bescheides) zum einen entgegen, daß sie den Rahmen der Unterhaltspflicht deshalb nicht überschritten habe, weil dieser durch den Vergleich vom abgesteckt sei. Die aus dem Vergleich erwachsene Verpflichtung sei nach wie vor aufrecht. Sollte der Beschwerdeführer auf zivilrechtlichem Wege eine Herabsetzung oder gänzliche Befreiung von seiner Unterhaltspflicht für die Zeit seiner Strafhaft erwirken, so wäre diesem Umstand durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. b (gemeint wohl: lit. c) AVG 1950 Rechnung zu tragen.

Diese Ausführungen lassen erkennen, daß die belangte Behörde (wie schon die Erstbehörde) in der für sie eine Vorfrage (§ 38 AVG 1950) bildenden Frage der Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gegenüber seiner geschiedenen Ehegattin offenbar Bindung an den gerichtlichen Vergleich vom angenommen hat. Die angenommene Bindung besteht jedoch nicht: Wie sich aus § 38 (arg.: „.... bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage ....“) in Verbindung mit § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 (arg.: „... nachträglich ... in wesentlichen Punkten anders entschieden ....“) ergibt, bewirken nur gerichtliche „Entscheidungen“ eine Bindung der Verwaltungsbehörde in einer von ihr als Vorfrage, hingegen vom Gericht als Hauptfrage zu beurteilenden Frage. Ein gerichtlicher Vergleich ist keine „Entscheidung“ des Gerichtes und vermag deshalb die Verwaltungsbehörde in diesem Sinne nicht zu binden (siehe zum Charakter des gerichtlichen Vergleiches als zugleich zivilrechtlicher Vertrag und Prozeßhandlung das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/11/0059).

Zum anderen hält die belangte Behörde dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen entgegen, sie sei von der Auf-fassung ausgegangen, daß der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse Kostenersatz zu leisten habe. Die Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen Ehegattin sei entsprechend der vom Beschwerdeführer beigebrachten Gehaltsbestätigung auf der Basis eines Monatsverdienstes von S 6.700,-- berechnet worden. Damit bekräftigt die belangte Behörde ihre bereits im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, der Beschwerdeführer habe Kostenersatz im Ausmaß des „Unterhaltsbetrages“ zu leisten, der seiner geschiedenen Ehegattin auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten (aus dem Zusammenhang zu ergänzen: im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Ersatzpflicht) gebühre. Dieser Auffassung liegt ein grundsätzliches Verkennen der Rechtslage zugrunde:

Bei der Entscheidung über einen (nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 verjährten) Ersatzanspruch gegenüber einem Unterhaltspflichtigen nach § 9 des Tiroler Sozialhilfegesetzes hat die Behörde zunächst entsprechend dem § 9 Abs. 1 leg. cit. („im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht“) dessen (privatrechtliche) Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Empfänger der Sozialhilfe in jenen Zeiträumen, für die die Sozialhilfe gewährt worden ist, zu ermitteln (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2753/79). Ausgehend von dem solcherart nach § 9 Abs. 1 leg. cit. ermittelten Gesamtbetrag hat die Behörde sodann zu prüfen, ob dem Unterhaltspflichtigen der Ersatz dieses Betrages auferlegt werden kann. Dabei hat sie auf seine „wirtschaftlichen Verhältnisse“ und „sonstigen Sorgepflichten“ (§ 10 Abs. 2 des Tiroler Sozialhilfegesetzes) Bedacht zu nehmen. Daraus folgt, daß insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgebend ist. Gelangt die Behörde dabei zur Annahme, daß dem Unterhaltspflichtigen der Ersatz des in Rede stehenden Betrages in einem oder doch zumindest in Raten möglich sei, so hat sie mit Bescheid die Zahlung dieses Betrages zur Gänze, allenfalls dessen Entrichtung in Teilbeträgen, vorzuschreiben und zugleich gemäß § 59 Abs. 2 AVG 1950 die Zahlungsfrist(en) festzusetzen. Kommt die Behörde jedoch zur Ansicht, daß dem Unterhaltspflichtigen auf Grund seiner derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse und Sorgepflichten überhaupt keine Ersatz-leistung möglich ist, so hat sie - vorerst - von einer Entscheidung nach § 10 Abs. 3 des Tiroler Sozialhilfegesetzes abzusehen. Eine solche kommt - unter Bedachtnahme auf eine inzwischen allenfalls eingetretene Verjährung - erst in Frage, wenn infolge geänderter Umstände die Leistung eines Kostenersatzes möglich ist.

Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage wäre im Beschwerdefall zunächst zu ermitteln gewesen, ob und in welcher Höhe der Beschwerdeführer in jenem Zeitraum, für welchen ihm die Verpflichtung zum Aufwandersatz auferlegt worden ist, zu Unterhaltsleistungen gegenüber seiner geschiedenen Ehegattin verpflichtet gewesen wäre. Dabei wäre auch auf das Berufungs-vorbringen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen, er sei nach dem Ende seiner Haft 10 Monate lang beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet gewesen. Da es bei der Ermittlung des zu ersetzenden Gesamtbetrages auf die gesetzliche Unterhaltspflicht ankommt,-geht die Sozialhilfebehörde nicht fehl, wenn sie insoweit die Praxis der ordentlichen Gerichte in Unterhaltsfragen zur Richtschnur nimmt. (Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Festsetzung von Ersatzbeträgen auf Grund der gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die Behörden der Jugendwohlfahrtspflege - vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 85/11/0098, mit weiteren Judikaturhinweisen.) Infolge des Unterbleibens von Ermittlungen in der aufgezeigten Richtung bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung.

Dieser Mangel hat, weil er auf einem Verkennen der Rechtslage beruht, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zur Folge.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich veranlaßt, auch noch auf eine weitere - in der Beschwerde nicht erwähnte - Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides hinzuweisen: Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer zum Ersatz eines Sozialhilfeaufwandes von S 25.200,-- verpflichtet, obwohl sie, wie die Bestimmung der „Leistungsfrist“ im Spruch des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Begründung erkennen läßt, offenbar zur Auffassung gelangt ist, es sei dem Beschwerdeführer „unter Rücksichtnahme auf die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse“ die Zahlung des bezeichneten Betrages nicht möglich. Bei diesem Ermittlungsergebnis hätte aber, sofern auch eine Ratenzahlung nicht in Frage gekommen wäre, im Sinne der obigen Ausführungen die Vorschreibung eines Kostenersatzes unterbleiben müssen. Davon abgesehen entspricht die Bestimmung einer „Leistungsfrist“ in der im angefochtenen Bescheid gewählten Form nicht dem § 59 Abs. 2 AVG 1950: Darnach ist, wenn die Verbindlichkeit zu einer Leistung ausgesprochen wird, im Spruch zugleich auch eine angemessene Frist zur Ausführung der Leistung zu bestimmen. Dies erfordert jedenfalls die Angabe eines Zeitpunktes, bis zu dem die aufgetragene Leistung spätestens zu erbringen ist. Eine solche Fristbestimmung ist im angefochtenen Bescheid unterblieben.

Hinsichtlich der angeführten Erkenntnisse wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Kostenbegehrens (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am

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AVG §69 Abs1 litc
SHG Tir 1973 §10
SHG Tir 1973 §10 Abs3
SHG Tir 1973 §9
SHG Tir 1973 §9 Abs1
VwRallg
ZPO §204
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht Verwaltungsbehörde
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1987:1986110032.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-62590