VwGH 24.02.1987, 86/05/0161
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauO OÖ 1976 §58a idF 1983/082 BauRallg |
RS 1 | Die Anwendung des § 58 a der OÖ BauO LGBl 35/1976 setzt die Erteilung einer Baubewilligung voraus, weshalb sie nicht auf Gebäude Anwendung finden kann, die zu einer Zeit errichtet worden sind, zu der es noch keine baurechtlichen Vorschriften gegeben hat (hier: um das Jahr 1600), und welche auch in der Folge nie baubehördlich bewilligt worden sind. |
Normen | AVG §45 Abs1 BauO OÖ 1976 §41 |
RS 2 | Die Rechtsvermutung der konsensmäßigen, also durch eine Baubewilligung gedeckten Ausführung eines seit vielen Jahren bestehenden Baues setzt die Vermutung voraus, dass das Gebäude in seiner derzeitigen Gestalt auf Grund einer nach der im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschrift erteilten Baubewilligung errichtet worden ist. Bei Fehlen baurechtlicher Vorschriften (hier: für die Zeit um das Jahr 1600) galt der aus dem Eigentum an Grund und Boden abgeleitete Grundsatz der Baufreiheit; es handelt sich daher nicht um einen rechtswidrigen Bestand. |
Norm | AVG §68 Abs3 |
RS 3 | Die Anwendung des § 68 Abs 3 AVG 1950 setzt einen nach Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelung abzuändernden Bescheid voraus. |
Norm | |
RS 4 | In der demonstrativen Aufzählung des Art 15 Abs 5 B-VG werden hinsichtlich der für die Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten bestimmten bundeseigenen Gebäude nur jene als öffentlichen Zwecken dienend bezeichnet, welche der kasernenmäßigen Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten dienen. Dies trifft auf Gebäude nicht zu, in welchen Dienstwohnungen und Naturalwohnungen für Bundesbedienstete untergebracht sind. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch den Bundesminister für Bauten und Technik, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-7122/2-1986 See/Fei, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unter Punkt I. des Bescheides des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Hauses Linz, X Gasse, unter Berufung auf § 58 a der OÖ Bauordnung 1976, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983, die Vornahme folgender Maßnahmen aufgetragen:
„1) Die dzt. vorhandenen Feststoffeuerungsanlagen sind stillzulegen u. durch schadstoffärmere Verbrennungsanlagen (z. B. Gas, Elektro) zu ersetzen.
2) Die Emissionen der Feuerungsanlagen sind über Dach, senkrecht u. ungehindert ins Freie abzuführen.
3) Die gesamte Elektroinstallation ist durch eine konzessionierte Fachfirma auf ihren sicherheitstechn. Zustand zu überprüfen. Aufgetretene Mängel sind sofort zu beheben. Die Wirksamkeit der Schutzmaßnahme ist meßtechn. u. rechnerisch nachzuweisen. Ein entsprechendes Überprüfungsprotokoll ist dem Magistrat Linz - Baurechtsamt, vorzulegen.“
Als Erfüllungsfrist wurde hinsichtlich der Punkte. 1 und 2 der und hinsichtlich des Pktes. 3 der festgesetzt.
Unter Pkt. II. dieses Bescheides wurde unter Hinweis auf 59 der OÖ Bauordnung folgendes verfügt:
„Sämtliche in Betrieb befindlichen Rauchfangköpfe über Dach sind von einer konzessionierten Firma instandzusetzen. Bei der Instandsetzung ist das Einvernehmen mit dem zuständigen Bezirksrauchfangkehrermeister herzustellen. Bei einer Neugestaltung der Ausmündung ist diese so herzustellen, daß keine Zugbehinderung für die Abgase erfolgt. Über den ordnungsgemäßen Zustand ist vom zuständigen Bezirksrauchfangkehrermeister nach Abschluß der Arbeiten ein anstandsloser Abnahmebefund vorzulegen.“
Auch für diese Maßnahmen wurde eine Erfüllungsfrist vorgeschrieben.
Der lediglich gegen den Pkt. I. dieses Bescheides gerichteten Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben.
Mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom wurde der dagegen gerichteten Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 67 der OÖ Bauordnung mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß der Beschwerdeführer durch den erwähnten Berufungsbescheid nicht in seinen Rechten verletzt wird.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:
Zunächst ist in Erwiderung auf die vom Beschwerdeführer einleitend vorgebrachte Unzuständigkeitseinrede Nachstehendes zu bemerken:
Gemäß Art. 15 Abs. 5 B-VG fallen Akte der Vollziehung in Bausachen, soweit sie bundeseigene Gebäude betreffen, die öffentlichen Zwecken, wie der Unterbringung von Behörden und Ämtern des Bundes oder von öffentlichen Anstalten - darunter auch Schulen und Spitälern - oder der kasernenmäßigen Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten dienen, in die mittelbare Bundesverwaltung; der Instanzenzug endet beim Landeshauptmann.
Obwohl diese Bestimmung so zu verstehen ist, daß durch das Wort „wie“ bloß eine beispielsweise Aufzählung von Fällen, in welchen die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist, eingeleitet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 10.194/A), so darf nicht übersehen werden, daß bei dieser demonstrativen Aufzählung hinsichtlich der für die Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten bestimmten bundeseigenen Gebäude nur jene als öffentlichen Zwecken dienend bezeichnet werden, welche der kasernenmäßigen Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten dienen, weshalb - in Übereinstimmung mit der in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretenen Auffassung der belangten Behörde - nicht davon ausgegangen werden kann, daß damit auch solche Gebäude gemeint sein könnten, in welchen Bundesbedienstete nicht kasernenmäßig untergebracht sind, wovon, wie im Beschwerdefall, bei Dienst- und Naturalwohnungen für Bundesbedienstete auszugehen ist. Eine die Anwendung der zitierten Verfassungsnorm rechtfertigende Ähnlichkeit der Unterbringung von Bundesbediensteten in Dienst- oder Naturalwohnungen mit der kasernenmäßigen Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten liegt daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht vor, weshalb auch mit einem Hinweis auf die zum Begriff “öffentlich“ ergangene hg. Judikatur angesichts der gegebenen klaren Verfassungsrechtslage für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen ist. Es liegt daher kein Fall der Unzuständigkeit der im Beschwerdefall tätig gewordenen Baubehörden sowie der belangten Behörde vor.
Die vom Beschwerdeführer bereits in der Berufung vorgebrachten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 58 a der OÖ Bauordnung 1976 sind jedoch aus nachstehenden Erwägungen berechtigt:
Diese durch die Novelle LGBl. für Oberösterreich Nr. 82/1983 in die OÖ Bauordnung 1976 eingefügte und seit wirksame Bestimmung hat nachstehenden Wortlaut:
„Ergibt sich nach Erteilung der Baubewilligung, daß das ausgeführte Bauvorhaben den allgemeinen Erfordernissen gemäß § 23 trotz Einhaltung der im Baubewilligungsbescheid (§ 49) und im Benützungsbewilligungsbescheid (§ 57) vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen nicht hinreichend entspricht und tritt dadurch eine Gefährdung für das Leben oder die körperliche Sicherheit von Menschen ein, so kann die Baubehörde andere oder zusätzliche Bedingungen oder Auflagen vorschreiben, soweit dies zur Beseitigung der Gefährdung erforderlich ist.“
Die Anwendung dieser Norm setzt also die Erteilung einer Baubewilligung voraus, wobei im Beschwerdefall dahingestellt bleiben kann, ob es sich dabei um eine nach den Bestimmungen der OÖ Bauordnung 1976 oder eine nach jenen Bauvorschriften erteilte Baubewilligung handeln muß, welche durch § 70 Abs. 3 leg. cit. mit Wirkung vom ausdrücklich aufgehoben worden sind, weil das in Rede stehende Gebäude nach den unbestritten gebliebenen Berufungsausführungen bereits um das Jahr 1600, also zu einem Zeitpunkt errichtet worden ist, zu welchem die am außer Kraft getretenen baurechtlichen Regelungen noch nicht wirksam gewesen sind. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß im Geltungsbereich dieser am unwirksam gewordenen Bestimmungen oder auf Grund der OÖ Bauordnung 1976 eine nachträgliche Baubewilligung für dieses Bauwerk erteilt worden ist, und auch nichts dafür spricht, daß eine derartige Bewilligung etwa auf Grund der den heutigen Vorstellungen eines Baugesetzes entsprechenden ersten Bauordnung Österreichs, nämlich der am 18. April 1820 für die Städte Linz und Salzburg erlassenen Bauordnung (OÖ Gesetzessammlung 1820, Nr. 80, S. 134; vgl. dazu Neuhofer-Sapp, OÖ Baurecht und Umweltschutzrecht, S. 26), erteilt worden wäre, kann nicht davon ausgegangen werden, daß dieses Gebäude jemals baubehördlich bewilligt worden ist. Unter diesen Umständen können aber auch die vom Gerichtshof zur Frage der Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit entwickelten Grundsätze (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/05/0153, Baurechts-Slg. Nr. 17, und die darin zitierte Vorjudikatur) zu keinem anderen Beurteilungsergebnis führen, weil die Präsumtion der konsensmäßigen, also durch eine Baubewilligung gedeckten Ausführung eines seit vielen Jahren bestehenden Baues die Vermutung voraussetzt, daß das Gebäude in seiner derzeitigen Gestalt auf Grund einer nach der im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschrift erteilten Baubewilligung errichtet worden ist. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, daß unter diesen Umständen nicht etwa die Annahme gerechtfertigt wäre, es handle sich bei dem Gebäude um einen rechtswidrigen Bestand, weil zu berücksichtigen ist, daß bei Fehlen baurechtlicher Vorschriften der aus dem Eigentum an Grund und Boden abgeleitete Grundsatz der Baufreiheit gegolten hat (vgl. in diesem Sinne Krzizek, System des österreichischen Baurechts, Band I, S. 18).
Der Gerichtshof kann sich daher der in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretenen Auffassung nicht anschließen, es sei davon auszugehen, „daß das in Rede stehende Gebäude baubehördlich rechtmäßig bewilligt wurde“, weshalb auch kein Anwendungsfall des § 58 a der OÖ Bauordnung 1976 in der zitierten Fassung vorliegt.
Die belangte Behörde hat im übrigen ausdrücklich eine Erörterung der vom Beschwerdeführer in der Vorstellung aufgeworfenen Frage der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 68 Abs. 3 AVG 1950 für entbehrlich erachtet, weshalb auch seitens des Gerichtshofes nicht darauf einzugehen war. Aus prozeßökonomischen Gründen wird jedoch darauf hingewiesen, daß auch die Anwendung des § 68 Abs. 3 AVG 1950 einen nach Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelung abzuändernden Bescheid voraussetzt.
Da die belangte Behörde also zu Unrecht von einem Anwendungsfall des § 58 a der OÖ Bauordnung 1976 ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen.
Zur Vermeidung von Unklarheiten wird noch bemerkt, daß sich die Berufung des Beschwerdeführers, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt worden ist, nicht gegen den Pkt. II. des erstinstanzlichen Bescheides vom gerichtet hat, sodaß dieser insoweit rechtskräftig geworden ist und die darin enthaltene baubehördliche Vorschreibung somit auch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides sein konnte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 12405 A/1987 |
Schlagworte | Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1987:1986050161.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-62419