VwGH 27.05.1986, 86/05/0056
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §129 Abs2 BauO Wr §129 Abs4 BauO Wr §70 Abs1 BauO Wr §99 BauRallg |
RS 1 | Auch wenn im Baubewilligungsbescheid nicht ausdrücklich der Auftrag zum Verputz der Schauflächen erteilt worden ist, ist davon auszugehen, dass der erteilte Baukonsens auch die Anbringung eines Verputzes vorausgesetzt und daher mitumfasst hat. |
Normen | BauO Wr §129 Abs2 BauO Wr §129 Abs4 BauO Wr §70 Abs1 BauO Wr §99 BauRallg |
RS 2 | Es ist nämlich eine unbestrittene Erfahrungstatsache, dass gewöhnliches Rohziegelmauerwerk gegen Witterungseinflüsse anfällig ist, weil die Niederschläge in die Mörtelbänder eindringen können. Zur Erzielung einer ausreichenden Widerstandsfähigkeit des Mauerwerkes gegen Witterungseinflüsse bedarf es daher des Verputzes von Außenmauern. |
Normen | BauO Wr §129 Abs2 BauO Wr §129 Abs4 BauO Wr §70 Abs1 BauO Wr §99 BauRallg |
RS 3 | Ein Auftrag zur Instandsetzung schadhaften Verputzes ist wegen der Verpflichtung des Eigentümers, das Gebäude in gutem, der Baubewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten, nicht von einer Störung des Stadtbildes, einer Beeinträchtigung der Festigkeit des Mauerwerkes oder einem Eindringen von Feuchtigkeit in das Mauerwerk infolge der Verputzschäden abhängig. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde des RS in T, vertreten durch Dr. Norbert Kosch, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B VII-13/85, betreffend einen Instandsetzungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Magistrat der Stadt Wien am an Ort und Stelle, zu der der Beschwerdeführer als Eigentümer des Hauses W-straße Nr. 5a, Wien, ordnungsgemäß geladen und bei der er auch vertreten war, stellte der Verhandlungsleiter folgenden Sachverhalt fest:
„Der Verputz der Straßenschaufläche in der Front H-gasse einschließlich des Erkers an der Gebäudeecke zur W-straße ist großflächig schadhaft. Große Verputzteile sind bereits abgefallen bzw. mußten aus Sicherheitsgründen abgeschlagen werden.
Da der Außenverputz neben seiner architektonischen Aufgabe die rein technische Zweckbestimmung hat, das Mauerwerk gegen Verwitterungseinflüsse zu schützen, erfordert das unverputzt bleibende Mauerwerk sowohl arbeitstechnisch als materialmäßig eine entsprechende witterungssichere Ausführung.
Im vorliegenden Fall steht es außer Zweifel, daß das Außenmauerwerk seinerzeit unter der Voraussetzung der Anbringung eines geeigneten Verputzes errichtet wurde.
Es ist eine unbestrittene Erfahrungstatsache, daß gewöhnliches Rohziegelmauerwerk gegen Witterungseinflüsse sehr anfällig ist, die Niederschläge in die freiliegenden Mörtelbänder eindringen und in weiterer Folge durch die entstehenden Witterungsschäden die Standsicherheit des Mauerwerks herabgemindert werden kann. Diese Gebrechen sind somit geeignet, den Bauzustand der gesamten Baulichkeit weitgehendst zu beeinträchtigen. Aus diesem Grunde sieht die Bauordnung für Wien selbst bei freigelegten Mauerteilen die Anbringung eines mindestens glatten Verputzes vor.
Schließlich muß festgehalten werden, daß durch die Beseitigung der Gefahr drohender Verputz- und Mauerwerksteile wohl die Gefahr des Absturzes vorübergehend beseitigt ist, jedoch an Schauflächen, an denen der Verputz stellenweise fehlt, durch die Witterungseinflüsse ständig neue Verputzlockerungen auftreten, welche wieder ein neues Gefahrenmoment bilden.“
Die Vertreter des Beschwerdeführers erhoben gegen diese Feststellungen keinerlei Einwand.
Daraufhin erteilte die Baubehörde erster Instanz gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien dem Eigentümer des Hauses Wien, W-straße 5a, EZ 301 des Grundbuches der KG. N, den Auftrag, binnen zwölf Monaten nach Rechtskraft des Bescheides den Verputz der Straßenschaufläche in der Front H-gasse einschließlich der Erker an der Gebäudeecke zur W-straße instandsetzen zu lassen. Begründend gab die Behörde im Bescheid im wesentlichen die Feststellungen der mündlichen Verhandlung wieder; die angeführten Schäden stellten eine Verschlechterung des ursprünglichen, konsens- und bauordnungsmäßigen Zustandes des Hauses dar und seien ihrer Natur nach geeignet, das öffentliche Interesse zu beeinträchtigen, so daß sie als Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien angesehen werden müßten. Der Hauseigentümer sei daher gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung zur Durchführung der vorgeschriebenen Maßnahmen verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er insbesondere geltend machte, daß aus dem Bescheid nicht hervorgehe, um welches Ziegelmauerwerk es sich bei diesem Bauwerk handle. Aus der Tatsache, daß ein Ziegelmauerwerk vorliege, ergebe sich noch nicht zwingend, daß ein Verputz notwendig sei; es gebe Ziegelmauerwerke, die ohne weiteres auch ohne Verputz witterungsbeständig seien. Im Bescheid fehle die Feststellung, daß es sich um ein Rohziegelmauerwerk handle, das gegen Witterungseinflüsse nicht resistent sei bzw. keine solche Resistenz aufweise, daß es eines Verputzes bedürfe. Erst wenn der Nachweis gelungen sei, daß die Standfestigkeit und Tragfähigkeit des Gebäudes bei Nichtvorhandensein des Verputzes gefährdet sei, sei auch der Nachweis gelungen, daß das Fehlen des Verputzes ein Baugebrechen darstelle. Das Argument, daß es „außer Zweifel“ stehe, daß das Außenmauerwerk seinerzeit unter der Voraussetzung der Anbringung eines geeigneten Verputzes errichtet worden sei, reiche dafür nicht aus. Auch Verputzlockerungen stellten nur dann eine Gefährdung dar, wenn sie nicht ständig beseitigt würden; diesbezüglich sei aber nicht der Auftrag gerechtfertigt, neu zu verputzen, sondern höchstens der Auftrag, lockere Verputzteile abzuschlagen. Aus diesen Gründen sei es Sache der Behörde, die Mangelhaftigkeit durch allfälliges Einholen eines Sachverständigengutachtens und durch Untersuchung des Rohziegelmauerwerks zu beheben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der ersten Instanz. Während der Verhandlung an Ort und Stelle vom sei festgestellt worden, daß an der angeführten Straßenschaufläche große Verputzteile abgefallen seien, bzw. aus Sicherheitsgründen abgeschlagen hätten werden müssen. Daraus und aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides gehe hervor, daß das Außenmauerwerk seinerzeit unter der Voraussetzung der Anbringung eines geeigneten Verputzes errichtet worden sei. Damit sei auch dem Erfordernis Rechnung getragen worden, im Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Beschaffenheit des Mauerwerks durch Verwendung wasserabstoßender Ziegel die Behebung von Verputzschäden entbehrlich mache. Es sei nun eine unbestrittene Erfahrungstatsache, daß gewöhnliches Rohziegelmauerwerk gegen Witterungseinflüsse anfällig sei, weil die Niederschläge in die freigewordenen Mörtelbänder eindrängen. Die Einholung eines Gutachtens über allgemeine Erfahrungstatsachen sei jedoch entbehrlich und widerspreche dem § 39 Abs. 2, letzter Satz, AVG 1950.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, daß ihm als Hauseigentümer des Hauses W-Straße in Wien kein Instandsetzungsauftrag im Sinn des § 129 der Bauordnung für Wien erteilt werde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Bei der Verfahrensrüge ist davon auszugehen, daß das Ergebnis des Augenscheines den beiden Vertretern des Beschwerdeführers anläßlich der Teilnahme bei der Verhandlung bekanntgegeben worden ist, wie sich ja auch aus der Unterschrift auf der Niederschrift ergibt. Worin daher die Verletzung des Parteiengehörs liegen könnte, ist nicht erkennbar.
Die in Betracht kommenden Verfahrensvorschriften ordnen auch nicht etwa an, daß sich aus einem Bescheid zu ergeben hat, wie sich die erkennende Kollegialbehörde (hier die Bauober-behörde für Wien) zusammensetzt bzw. wer an der Beschlußfassung teilgenommen hat. Daher kann in der Unterlassung dieser Angaben keinerlei Verfahrensmangel, geschweige denn eine Nichtigkeit im Sinn des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 liegen.
Mit Recht führt der Beschwerdeführer aus, daß für einen Altbestand, wie im vorliegenden Fall, selbst dann die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht, wenn keine Aktenunterlagen über die Erteilung der Baubewilligung vorhanden sind. Gerade dies aber spricht dafür, daß der Konsens nur für Ziegelmauerwerk mit Verputz erteilt worden ist, ist doch unbestritten, daß die gesamten Schauflächen des konkreten Hauses verputzt waren; gerade dies spricht für und nicht gegen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien. Selbst wenn im Baubewilligungsbescheid nicht ausdrücklich der Auftrag zum Verputzen der Schauflächen erteilt worden ist, muß davon ausgegangen werden, daß der für das Haus des Beschwerdeführers erteilte Baukonsens auch die Anbringung eines Verputzes an den Straßenschauflächen vorausgesetzt und daher mitumfaßt hat. Im übrigen ist es eine unbestrittene Erfahrungstatsache, daß gewöhnliches Rohziegelmauerwerk gegen Witterungseinflüsse anfällig ist, zumal die Niederschläge in die freigewordenen Mörtelbänder eindringen können, so daß es zur Erzielung einer ausreichenden Widerstandsfähigkeit des Mauerwerks gegen Witterungseinflüsse des Verputzes der Außenmauern bedarf (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 6215/A, und vom , Zl. 83/05/0015, 0016, BauSlg. Nr. 41). Die belangte Behörde konnte umso eher als erwiesen annehmen, daß das vorhandene Ziegelmauerwerk zum Schutz gegen Feuchtigkeit des Verputzes bedarf, als der Beschwerdeführer in der ersten Instanz gegen die entsprechenden Feststellungen durch den sachkundigen Leiter der Bauverhandlung keinerlei Einwendungen erhoben hat. Die belangte Behörde konnte daher auch von der Erfahrungstatsache ausgehen, daß Rohziegelmauerwerk durch Feuchtigkeit gefährdet wird, zumal der Beschwerdeführer gar nicht behauptet hat, daß es sich im vorliegenden Fall um besondere nicht feuchtigkeitsempfindliche Ziegeln handle.
Damit entspricht die in Rede stehende Gassenschaufläche nur dann der Baubewilligung, wenn sie mit einem Verputz versehen ist, weshalb der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid aufrechterhaltene Auftrag zur Instandsetzung des schadhaften Verputzes sich schon aus der in § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien normierten Verpflichtung des Eigentümers ergibt, das Gebäude in gutem, der Baubewilligung entsprechendem Zustand zu erhalten. Es kommt also weder auf die Frage der Störung des Stadtbildes noch auf eine vorliegende Beeinträchtigung der Festigkeit des Mauerwerks an, noch mußte konkret festgestellt werden, daß infolge des Fehlens des Verputzes bereits Feuchtigkeit in das Mauerwerk eindringt. Unter diesen Umständen konnte auf einen weiteren Sachverständigenbeweis verzichtet werden.
Da durch den angefochtenen Bescheid Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.
Wien,
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Wr §129 Abs2 BauO Wr §129 Abs4 BauO Wr §70 Abs1 BauO Wr §99 BauRallg |
Sammlungsnummer | VwSlg 12164 A/1986 |
Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1986:1986050056.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-62394