VwGH 26.11.1986, 86/01/0157
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | AVG §13 Abs1; FrPolG 1954 §8; |
RS 1 | Bei Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem Schriftstück um einen Antrag (hier: im Gegensatz zu einer Anregung, von Amts wegen tätig zu werden) handelt, ist nicht allein von der für das betreffende Schriftstück gewählten Bezeichnung sondern vor allem von dem ihm zu unterlegenden Parteiwillen auszugehen (hier: Antrag auf Aufhebung eines verhängten Aufenthaltsverbotes). |
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RS 2 | Auf Grund der Gegebenheiten des modernen Reiseverkehrs ist eine Ausreise in das Österreich benachbarte Ausland ohne Anbringen eines Grenzkontrollstempels im Reisepass durch aus möglich. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Hoffmann, Dr. Herberth und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wrulich, über die Beschwerde des MA, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in Wien IV, Bruckner Straße 4, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , Zl. I-438.540-FrB/86, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers, das über ihn mit Bescheid der belangten Behörde vom verhängte, bis befristete Aufenthaltsverbot aufzuheben, gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 75/1954 (FrPG), keine Folge. Zur Begründung führte sie aus, das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot sei primär wegen Täuschung der Behörde erlassen worden. Lediglich zusätzlich sei auf eine Verfälschung im Reisepass des Beschwerdeführers verwiesen worden. Wohl habe der Beschwerdeführer unter Vorlage einer Bestätigung der Konsularabteilung der türkischen Botschaft in Wien über die Richtigkeit des Reisepasses den Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Gründe behauptet. Demgegenüber ergebe sich aus einer Auskunft der türkischen Botschaft, dass der Beschwerdeführer trotz des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes und seiner Abmeldung in die Türkei am persönlich bei der türkischen Botschaft vorgesprochen habe, wobei in seinem Reisepass keinerlei Hinweise auf eine Reisebewegung ersichtlich gewesen seien. Daraus ergebe sich, dass der Beschwerdeführer die Behörde neuerlich getäuscht und sich infolge seines Aufenthaltes im Bundesgebiet ohne Vorliegen eines Vollstreckungsaufschubes strafbar gemacht habe. Auf Grund dieser neuerlichen Täuschungsabsicht und der Missachtung der österreichischen Rechtsvorschriften seien sohin die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weiterhin aufrecht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes verletzt erachtet. Bei der im angefochtenen Bescheid enthaltenen, über die Begründung des das Aufenthaltsverbot verfügenden Bescheides hinausgehenden Begründung handle es sich um eine bloße Scheinbegründung, die in den gesamten bisherigen Verwaltungsakten keine Deckung finde. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, dass ihm von der belangten Behörde Ablichtungen von Aktenteilen ohne Mitteilung darüber, ob es sich hiebei um den gesamten Akteninhalt gehandelt habe, übermittelt worden seien.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 FrPG ist - ohne dass der Behörde hier von Gesetzes wegen ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre - ein nach § 3 des Fremdenpolizeigesetzes gegen einen Fremden verhängtes Aufenthaltsverbot von der Behörde, die dieses Verbot erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind. Ausgehend von dieser Rechtslage ergibt eine Prüfung des dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Schriftsatzes des Beschwerdeführers vom , dass in diesem zunächst die Argumente dargelegt werden, warum nach Ansicht des Beschwerdeführers die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen seien. Im Anschluss daran enthält dieser Schriftsatz folgenden maßgeblichen Passus:
"Da sohin die Behörde dem Einschreiter falsche Behauptungen unterstellte, welche tatsächlich nicht gegeben sind, liegen daher die Voraussetzungen dafür vor, dass von Amts wegen ein Aufenthaltsverbot aufgehoben und der entsprechende Vermerk auf Seite 7 des Reisepasses als ungültig erklärt wird."
In Übereinstimmung mit dem durch die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommenden Rechtsstandpunkt der belangten Behörde und im Gegensatz zu der in ihrer Äußerung zur Beschwerde vertretenen Rechtsmeinung muss dieser Schriftsatz nach dem ihm zu unterlegenden Parteiwillen, als Antrag auf Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes angesehen werden. Wohl kann allein aus dem Umstand, dass der Schriftsatz auf der ersten Seite als "Antrag" bezeichnet ist, noch nicht auf seine Rechtsnatur geschlossen werden, weil allein die Bezeichnung eines Schriftsatzes an seinem wahren Inhalt nichts zu ändern vermöchte. Doch kann der gegenständlichen Eingabe mit hinreichender Deutlichkeit der auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gerichtete Parteiwille und somit die Antragseigenschaft entnommen werden.
Die belangte Behörde hat die begehrte Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes deshalb verweigert, weil sich der Beschwerdeführer in "Täuschungsabsicht" nach der Entlassung aus der gegen ihn in der Zeit vom bis verhängten Schubhaft nicht in die Türkei begeben habe und weil er sich trotz des gegen ihn rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbotes seit seiner Entlassung aus der Schubhaft ohne Vorliegen eines Vollstreckungsaufschubes im Bundesgebiet aufgehalten habe. Diesen Sachverhalt betrachtet die belangte Behörde deshalb als erwiesen, weil der Pass des Beschwerdeführers keine Vermerke über eine Reisebewegung ins Ausland aufgewiesen habe und die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf Grund seiner persönlichen Vorsprache bei der türkischen Botschaft in Wien am belegt sei.
Die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung hält einer Überprüfung auf ihre Schlüssigkeit nicht stand. Denn einerseits lässt das Fehlen von Grenzkontrollstempeln im Reisepass des Beschwerdeführers für sich allein noch nicht den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe sich während des gesamten Zeitraumes seit seiner Entlassung aus der Schubhaft nicht aus Österreich entfernt, weil auf Grund der Gegebenheiten des modernen Reiseverkehrs des Beschwerdeführers in das Österreich benachbarte Ausland ohne Anbringen eines Grenzkontrollstempels in seinem Reisepass durchaus möglich ist. Andererseits kann selbst bei Zutreffen der Auskunft der türkischen Botschaft, der Beschwerdeführer habe sich zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich am , in Wien befunden, noch nicht der Schluss gezogen werden, der Beschwerdeführer habe sich die ganze Zeit seit seiner Haftentlassung in Österreich aufgehalten. Sohin kann aber weder eine in der pflichtwidrigen Unterlassung der Ausreise aus Österreich - eine von der belangten Behörde wahrzunehmende Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Einreise in die Türkei kann aus dem Aufenthaltsverbot nicht abgeleitet werden - gelegene "Täuschung der Behörde" durch den Beschwerdeführer noch ein seit der Haftentlassung andauernder unerlaubter Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als erwiesen angesehen werden.
Damit ist aber die belangte Behörde der ihr aufgegebenen Begründungspflicht nicht im hinreichenden Ausmaß nachgekommen, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen musste.
Von der Durchführung einer Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit Art. I lit. A Z. 1 der Verordnung vom , BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1986:1986010157.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-62301