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VwGH 27.06.1985, 85/16/0031

VwGH 27.06.1985, 85/16/0031

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §33 Abs3 impl;
BAO §108 Abs4;
BAO §167 Abs2;
PO §100;
VStG §51 Abs3 impl;
RS 1
Entstehen wegen Unleserlichkeit des Poststempels Zweifel darüber, ob eine Eingabe rechtzeitig der Post zur Beförderung übergeben wurde, so haben die Behörden unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung zu beurteilen, ob der Schriftsatz rechtzeitig eingebracht worden ist oder nicht. Es ist aber unzulässig, diese Beweiswürdigung zu unterlassen und die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweismittel von vornherein als unerheblich mit der durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung, der Poststempel weise ein Aufgabedatum auf, abzutun. Damit nimmt die Behörde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, einen Gegenbeweis zu führen.
Normen
AVG §33 Abs3 impl;
BAO §108 Abs4;
PO §100;
VStG §51 Abs3 impl;
RS 2
Bei der Frage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, handelt es sich um eine Rechtsfrage, welche die Behörde auf Grund der von ihr festgehaltenen Tatsachen zu entscheiden hat (Hinweis E , 2737/78, VwSlg 10116 A/1980 und E , 84/04/0092).
Normen
AVG §33 Abs3 impl;
BAO §108 Abs4;
PO §100;
VStG §51 Abs3;
RS 3
Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer im Wege der Post eingelangten Eingabe ist jener Zeitpunkt maßgeblich, in welchem die betreffende Briefsendung der Post tatsächlich zur Weiterbeförderung übergeben wurde. Dabei ist zur Beurteilung dieses Zeitpunktes grundsätzlich der auf der Briefsendung angebrachte Datumsstempel heranzuziehen (Hinweis E , 1702/78).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller über die Beschwerde des KM in N, vertreten durch Dr. Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 8/I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 3-6/85, betreffend Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Zollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer im vereinfachten Verfahren (§ 143 FinStrG) mit der am zugestellten Strafverfügung des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels nach §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt und über ihn gemäß § 35 Abs. 4 leg. cit. eine Geldstrafe von S 40.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Tage) verhängt. Gemäß § 35 Abs. 4 in Verbindung mit § 17 FinStrG war auf Verfall des tatgegenständlichen Beförderungsmittels (Mercedes Daimler Benz 123 D) erkannt worden.

Den dagegen erhobenen Einspruch hatte das Zollamt Graz gemäß § 145 Abs. 4 FinStrG mit Bescheid vom als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen. In der Begründung hatte es darauf hingewiesen, daß die einmonatige Einspruchsfrist - da der ein Samstag gewesen sei - am abgelaufen sei. Der Einspruch des Beschwerdeführers vom sei jedoch erst am zur Post gegeben worden und am beim Zollamt eingelangt.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhob der Beschwerdeführer unter Anschluß von zwei eidesstättigen Erklärungen am Beschwerde. Die Begründung, das Rechtsmittel sei zu spät zur Post gegeben worden, sei lediglich eine Behauptung und durch nichts gefestigt bzw. untermauert. Im Gegenteil, es sei den erhebenden Beamten in die Kartei des ausgewiesenen Vertreters Einsicht gegeben worden, aus welcher hervorgehe, daß am der Einspruch zur Post gegeben und am ein Telefonat mit einer Versicherung geführt worden sei. Die Eintragungen seien kontinuierlich und würden sofort nach Erledigung vorgenommen. Als die Organwalter des Zollamtes Graz am vorgesprochen haben, hätten sie sich davon überzeugen können, daß die Eintragungen bereits im Karteiblatt gewesen seien. Offensichtlich durch einen Irrtum sei der Einspruch nicht eingeschrieben aufgegeben worden, da der Rückschein nicht auffindbar sei. Wenn am Freitag, den , der Einspruch zur Post gegeben worden sei, könne er frühestens am Montag, den , zur Beförderung weitergegeben werden. Hiebei sei es durchaus möglich, daß das Schriftstück, welches mit anderen Schreiben gleichzeitig aufgegeben worden sei, durch irgendeinen Umstand mit einem anderen Schreiben in ein falsches Postfach geworfen und es damit an das falsche Postamt abgefertigt worden sei. Wenn das Schriftstück am beim falschen Postamt einlange, so werde dieser Umstand am selben Tage noch geklärt und am nächsten Tag mit dem nächsten Postzug oder Postauto das Schriftstück zurück nach Graz gesandt. Am lange es wieder beim Postamt Graz ein und werde am nächsten Tag, und zwar am , beim Zollamt Graz zugestellt. Der Freitag, der insbesondere in diesem Falle auf den Monatsanfang falle, sei postmäßig sehr stark, sodaß ein Irrläufer durchaus möglich sei. Im gegenständlichen Falle sei sich der ausgewiesene Rechtsfreund des Beschwerdeführers deshalb so sicher, daß das Schriftstück rechtzeitig, zumindest am , zur Post gegeben worden sei, weil die Abfertigung des Einspruches mit eingetragen sei und die nächste Eintragung vom stamme. Zum Beweise des bisherigen Vorbringens legte der Beschwerdeführer zwei eidesstättige Erklärungen vor.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Zur Begründung führte sie nach Darstellung des Sachverhaltes und des Verfahrensverlaufes aus, die Strafverfügung des Zollamtes Graz sei vom Beschwerdeführer (richtig wohl: vom Rechtsfreund des Beschwerdeführers) am persönlich übernommen worden. Die Einspruchsfrist habe daher am geendet, weil der ein Samstag gewesen sei. Der auf dem Briefkuvert angebrachte Poststempel weise als Aufgabedatum den auf. Daraus ergebe sich, daß der Einspruch nicht fristgerecht (binnen einem Monat) erfolgt sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht auf meritorische Behandlung seines Einspruches gegen die Strafverfügung des Zollamtes Graz vom verletzt.

Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Akteneinsicht durch seinen Rechtsfreund habe ergeben, daß der Poststempel am gegenständlichen Kuvert nicht leserlich sei. Die belangte Behörde verwende offensichtlich Beweismittel, die dem ausgewiesenen Vertreter nicht zugänglich seien, oder aber stütze sich auf Beweise, die nicht Akteninhalt, sondern nur Vermutungen seien. Wenn die belangte Behörde vermute, daß das Schriftstück am der Post zur Beförderung übergeben worden sei, so habe sie dies in Form der Beweiserörterung bzw. Beweiswürdigung darzulegen und die Beweise gegenseitig abzuwägen. Im Akt befinde sich aber nur ein Beweismittel, und zwar die Erklärung des ausgewiesenen Vertreters des Beschwerdeführers vom , in welcher dieser erklärt habe, daß er das Schriftstück am , also 3 Tage vor Ablauf der Frist, der Post übergeben habe. Er habe dies auch damit begründet, daß der Einspruch knapp nach der Berufung an das Landesgericht für Strafsachen in Graz, die am überreicht worden sei, verfaßt worden sei. Er habe auch darauf hingewiesen, daß am ein Telefonat mit einer Versicherungsanstalt geführt worden sei und daß diese Eintragung chronologisch täglich erfolge. Für den Beschwerdeführer sei es daher klar gewesen, daß damit das Schriftstück am der Post zur Beförderung übergeben worden sei und daß es sich hierbei nur um einen Fehler der Post handeln könne. Die Organwalter des Zollamtes Graz hätten Gelegenheit gehabt, sich selbst davon zu überzeugen, daß neben anderen Angestellten das Kontoblatt der Handkartei von einer erfahrenen Kraft, die 23 Jahre in einer Anwaltskanzlei tätig sei, geführt werde. Diese Eintragungen werden von der Kanzleileiterin sorgfältig vorgenommen. Völlig aktenwidrig sei jedenfalls die Feststellung, daß erst am das Schriftstück der Post zur Beförderung übergeben worden sei.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG gelten für (die Berechnung der) Fristen die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung sinngemäß. Nach dem § 108 Abs. 4 BAO werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.

Zutreffend gehen die belangte Behörde wie auch der Beschwerdeführer davon aus, daß der Tag der Postaufgabe grundsätzlich durch den Poststempel nachgewiesen wird. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach dargetan hat (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 2737/78, Slg. Nr. 10.116/A, und vom , Zl. 84/04/0092) ist es eine Rechtsfrage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, welche die Behörde auf Grund der von ihr festgehaltenen Tatsachen zu entscheiden hat.

Der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung des Zollamtes Graz vom ist unbestrittenermaßen am beim genannten Zollamt eingelangt. Die Frage, ob er dessen ungeachtet rechtzeitig eingebracht wurde, ist darnach zu beantworten, ob die betreffende Briefsendung noch innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist, d.i. also noch vor oder spätestens am , mit Rechtswirkung der Post zur Beförderung übergeben wurde. Auf dem bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegendem Briefkuvert ist der Postaufgabevermerk (Datumstempel), worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinweist, auch bei größtem Bemühen nicht lesbar. Diesem Umstand, den auch das Zollamt Graz in seinem Bescheid vom ausdrücklich festgestellt hat, kommt aber in dem hier zu entscheidenden Verfahren Rechtserheblichkeit zu.

Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines im Wege der Post eingelangten Einspruches gegen eine Strafverfügung ist jener Zeitpunkt maßgeblich, in welchem die betreffende Briefsendung der Post tatsächlich zur Weiterbeförderung übergeben wurde. Dabei ist zur Beurteilung dieses Zeitpunktes, wie bereits erwähnt, grundsätzlich der auf der Briefsendung angebrachte Datumsstempel heranzuziehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1702/74, Slg. Nr. 8731/A). Entstehen - wie im Beschwerdefall - wegen Unleserlichkeit des Poststempels Zweifel darüber, so haben die Finanzstrafbehörden unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung zu beurteilen, ob der Einspruch rechtzeitig eingebracht worden ist oder nicht. Es ist aber unzulässig, diese Beweiswürdigung zu unterlassen und die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweismittel von vornherein als unerheblich mit der durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung, der Poststempel weise als Aufgabedatum den auf, abzutun. Damit nimmt die Behörde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, einen Gegenbeweis zu führen.

Damit verstieß die belangte Behörde gegen ihre in § 93 Abs. 3 lit. a BAO in Verbindung mit § 56 Abs. 2 FinStrG festgelegte Begründungspflicht und belastete daher aus diesem Grunde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; daß die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, liegt auf der Hand.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Artikel III Abs. 2.

Wien, am

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Normen
AVG §33 Abs3 impl;
BAO §108 Abs4;
BAO §167 Abs2;
PO §100;
VStG §51 Abs3 impl;
VStG §51 Abs3;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1985:1985160031.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-62191