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VwGH 17.03.1986, 85/15/0180

VwGH 17.03.1986, 85/15/0180

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Der in der Vollmachtsurkunde aufgenommene Satz DURCH DIESE VOLLMACHT WERDEN NOCH ETWA BEI DER FINANZVERWALTUNG AUFLIEGENDE, VORHERGEHENDE VOLLMACHTEN AUßER KRAFT GESETZT kann nicht als unselbständiger Bestandteil einer uneingeschränkten Vollmacht angesehen werden, da einerseits zur Erteilung einer uneingeschränkten Vollmacht der Widerruf etwa noch bestehender Vollmachten nicht erforderlich war und andererseits ohne Bekanntgabe des Widerrufes etwaiger anderer Vollmachten die Behörde auch andere etwa noch bestehende Vollmachten weiterhin zu beachten gehabt hätte.
Norm
RS 2
Eine Schrift, wenn sie die Merkmale des gebührenpflichtigen Gegenstandes von mehr als einer Tarifpost des § 14 GebG aufweist, begründet Gebührenpflicht nach jedem in Frage kommenden Tarifposten (Hinweis E , 621/48).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

85/15/0183

Besprechung in:

AnwBl 1987/5, S 228;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Brauhart, über die Beschwerde des Dkfm. Mag. SG und des WH, beide in M und beide vertreten durch Dr. Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, Marktgasse 1 - 3, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zlen. GA 11-1657/84 und GA 11-500/1/85, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beiden Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am wurde dem Finanzamt Wiener Neustadt vom Erstbeschwerdeführer und am vom Zweitbeschwerdeführer je eine Vollmacht überreicht, die den gleichen Wortlaut aufweisen. Mit beiden Vollmachten wurde jeweils den Beschwerdeführern, die offenbar gemeinsam als Wirtschaftstreuhänder-Steuerberater tätig sind, von verschiedenen Personen die uneingeschränkte Vertretung in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden und Personen übertragen. Beide Vollmachtsurkunden enthalten am Ende des Textes den Satz: „Durch diese Vollmacht werden noch etwa bei der Finanzverwaltung aufliegende, vorhergehende Vollmachten außer Kraft gesetzt“. Jede Vollmacht war lediglich mit einer S 120,-- Bundesstempelmarke versehen.

Mit den Bescheiden vom 2. August und schrieb das Finanzamt in beiden Fällen den Beschwerdeführern für die in der jeweiligen Vollmachtsurkunde enthaltene Zurückziehung früherer Vollmachten gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 je eine Eingabengebühr in der Höhe von S 120,-- und die Erhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG im Ausmaß von 50 % der nicht entrichteten Gebühr zur Zahlung vor.

In den von den Beschwerdeführern gegen diese Vorschreibungen erhobenen Berufungen wendeten sie im wesentlichen ein, die Vorgangsweise des Finanzamtes entspreche nicht dem Gebot der ganzheitlichen Beurteilung eines Sachverhaltes. In den vorliegenden Fällen sei der objektive Sachverhalt die Erteilung einer Vertretungsvollmacht. Der in dieser Vollmacht enthaltene Vermerk „durch diese Vollmacht werden noch etwa bei der Finanzverwaltung aufliegende Vollmachten außer Kraft gesetzt“ sei daher nicht als eine Eingabe gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 anzusehen, sondern lediglich als ein schriftliches Festhalten „automatischer Folgen“ auf Grund der Vollmachtserteilung.

Nachdem das Finanzamt die Berufungen mit Berufungsvorentscheidungen vom 6. November und als unbegründet abgewiesen hatte, begehrten die Beschwerdeführer die Vorlage ihrer Rechtsmittel an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend zu den Berufungen führten sie übereinstimmend aus, schon aus der Bevollmächtigung zu einer „uneingeschränkten Vertretung“ ergäbe sich, daß alle vom Vollmachtnehmer gesetzten Handlungen uneingeschränkte Rechtswirksamkeit hätten. Dies bedeute, daß ab dem Zeitpunkt der Vollmachtserteilung nur mehr die Handlungen des letzten Vollmachtsnehmers rechtsverbindlich seien und daß schon auf Grund der neuen uneingeschränktenVollmachtserteilung jede früher erteilte Vollmacht nicht mehr wirksam sei. Daraus ergäbe sich, daß es sich bei der umstrittenen Formulierung nicht um die Erklärung über das Zurückziehen einer Vollmacht handle, sondern um die erweiternd formulierte Manifestation einer uneingeschränkten Vertretungsvollmacht.

Mit den nunmehr mit gemeinsamer Beschwerde angefochtenen Bescheiden vom wies die belangte Behörde beide Berufungen als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde gleichlautend aus, das Gebührengesetz sei ein streng formales Gesetz und die ihm unterliegenden Schriften seien nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und nicht nur nach ihrer Zweckbestimmung oder der Art der Erledigung zu beurteilen (vgl. z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2371/60). Im Gebührenrecht sei daher die formalrechtliche Beurteilung vorrangig, die wirtschaftliche Betrachtungsweise trete in den Hintergrund, weil die steuerbaren Tatbestände im wesentlichen an die äußere zivil- bzw. formalrechtliche Gestaltung anknüpfte (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 295/72). Das in den Streitfällen verwendete Vollmachtsformular enthalte nun neben der Beurkundung des Vollmachtsverhältnisses auch noch die Erklärung, daß durch diese Vollmacht noch etwa bei der Finanzverwaltung aufliegende, vorhergehende Vollmachten außer Kraft gesetzt werden. Diese Schrift unterliege nicht nur als Vollmacht der Gebühr nach § 14 TP 13 GebG, sondern im Zeitpunkt ihrer Überreichung bei der Behörde auch als Eingabe der Gebühr nach § 14 TP 6 GebG (siehe Kommentar zum Gebührengesetz von Fellner, § 14 TP 6, Seite 8/1B). Für Eingaben entstünde die Gebührenschuld gemäß § 11 Z. 1 GebG im Zeitpunkt der Überreichung. Alle die Gebührenpflicht begründenden oder sie befreienden Umstände müßten daher zu diesem Zeitpunkt aus der Schrift erkennbar sein. Das Gesetz verlange zur Herstellung der Gebührenpflicht keine Tätigwerden der Behörde. Auch die Übermittlung einer bloßen Willenserklärung an die Behörde sei in Anbetracht des weit gefaßten vom Gesetz gewählten Wortlautes unter § 14 TP 6 Abs. 1 GebG zu subsumieren. Die im Vollmachtsformular enthaltene Textstelle sei daher keine erweiternd formulierte Manifestation einer uneingeschränkten Vollmacht, sondern eine nach ihrem Inhalt zu beurteilende, von der Vollmacht getrennte Mitteilung. Die Festsetzung der Gebühr gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG erweise sich somit als zu Recht erfolgt.

Mit der gegen diese Bescheide von den Beschwerdeführern gemeinsam erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Wenngleich in der Beschwerde nicht ausdrücklich das Recht angeführt ist, in dem die Beschwerdeführer verletzt zu sein behaupten (Beschwerdepunkt), kann den Beschwerdeausführungen jedoch zweifelsfrei entnommen werden, daß die Beschwerdeführer sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt erachten, daß im vorliegenden Fall dem Grunde nach eine Gebühr nicht festgesetzt wird. Die Gebührenerhöhung wird von den Beschwerdeführern nicht bekämpft.

Die belangte Behörde hat zwei Gegenschriften erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde in beiden Fällen beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 (GebG) in der geltenden Fassung unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheit ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, einer festen Gebühr (S 120,--).

Im vorliegenden Fall wird von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt, daß die Bekanntgabe der Zurücknahme bzw. des Erlöschens einer erteilten Vollmacht an eine Behörde eine Eingabe im Sinne der soeben zitierten Gesetzesstelle darstellt und gebührenpflichtig ist. Bestritten wird von den Beschwerdeführern hingegen, daß der in den beiden Vollmachtsurkunden enthaltene Vermerk „durch diese Vollmacht werden noch etwa bei der Finanzverwaltung aufliegende, vorhergehende Vollmachten außer Kraft gesetzt“ eine solche Bekanntgabe sei. Dieser Vermerk sei bloß ein Bestandteil der Vollmacht und es liege keine von der Vollmacht getrennte Mitteilung vor. Dies ergebe sich schon daraus, daß mit der Urkunde eine uneingeschränkte Vollmacht erteilt worden sei, was das Erlöschen einer eventuell vorliegenden Vollmacht zur Folge habe. Im übrigen entspreche der Grundsatz der Einheitlichkeit eines wirtschaftlichen Vorganges der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gemäß § 21 BAO. Es sei undenkbar, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in seine untrennbaren Bestandteile aufzulösen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser Argumentation nicht anzuschließen. Zunächst muß schon der Ansicht der Beschwerdeführer, die Außerkraftsetzung etwa bei der Finanzverwaltung aufliegender vorhergehender Vollmachten sei eine „automatische Folge“ der uneingeschränkten Vollmachtserteilung, widersprochen werden. Die Beschwerdeführer übersehen nämlich einerseits, daß die Erteilung einer uneingeschränkten - in § 1007 ABGB unumschränkte Vollmacht genannt - nicht bedeutet, daß andere etwa noch bestehende Vollmachten „automatisch“ außer Kraft treten, sondern daß der Gewalthaber durch eine solche Vollmacht nur berechtigt wird, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu leiten (siehe leg. cit.). Überhaupt endet eine Vollmacht nur aus den im Gesetz (§ 1020 ff ABGB) aufgezählten Gründen. Daß das Erlöschen einer Vollmacht als Folge der Erteilung einer weiteren Vollmacht welcher Art auch immer eintreten soll, ist hiebei vom Gesetzgeber nicht normiert worden. Damit erweist sich aber die Ansicht der Beschwerdeführer, es handle sich bei der Erklärung über das Zurückziehen einer Vollmacht nur um eine erweiternd formulierte Manifestation einer uneingeschränkten Vertretungsvollmacht, als unhaltbar. Der in der Vollmachtsurkunde aufgenommene Satz „durch diese Vollmacht werden noch etwa bei der Finanzverwaltung aufliegende, vorhergehende Vollmachten außer Kraft gesetzt“ kann somit nicht als unselbständiger Bestandteil einer uneingeschränkten Vollmacht angesehen werden, da einerseits zur Erteilung einer uneingeschränkten Vollmacht der Widerruf etwa noch bestehender Vollmachten nicht erforderlich war und andererseits ohne Bekanntgabe des Widerrufes etwaiger anderer Vollmachten die Behörde auch andere etwa noch bestehende Vollmachten weiterhin zu beachten gehabt hätte. Mit der gegenständlichen Urkunde wurde die Behörde somit von zwei rechtlich voneinander unabhängigen Rechtsvorgängen in Kenntnis gesetzt, was aber zur Gebührenpflicht sowohl nach § 14 TP 6 Abs. 1 als auch nach § 14 TP 13 GebG führt. In diesem Zusammenhang vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung seit seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 421/F, die grundsätzliche Rechtsansicht, daß eine Schrift, wenn sie die Merkmale des gebührenpflichtigen Gegenstandes von mehr als einer Tarifpost des § 14 GebG aufweist, Gebührenpflicht nach jeder der in Frage kommenden Tarifposten begründet. Da nach dem Gesagten auch nicht erkennbar ist, zu welchem anderen Ergebnis im gegenständlichen Fall die Anwendung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wie sie von den Beschwerdeführern angestrebt wird, führen könnte, bedarf es keiner weiteren Erörterung der in diese Richtung zielenden Beschwerdeausführungen.

Die sohin unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 6096 F/1986
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1986:1985150180.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-62135