VwGH 19.03.1986, 85/11/0059
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Ausführungen zur Auslegung eines gerichtlichen Vergleiches. |
Norm | IESG §1 Abs2 Z3 |
RS 2 | Nach dem Zweck des IESG, demzufolge versichertes Risiko im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare oder absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes (oder zumindest der Erfüllungsverzögerung) ihrer Entgeltansprüche in einer möglichen Insolvenz ihres Arbeitgebers ist, auf die sie typischerweise zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (Hinweis E , 82/11/0057), sind unter den "sonstigen Ansprüchen gegen den Arbeitgeber" iSd § 1 Abs 2 Z 3 IESG nicht nur solche Ansprüche zu verstehen, die ihren unmittelbaren Rechtsgrund im (ursprünglichen oder später modifizierten) Arbeitsvertrag haben, sondern es sind ihnen auch solche Ansprüche zuzurechnen, die ihren Rechtsgrund zwar in selbstständigen Rechtsgeschäften haben, aber mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden typischen wechselseitigen Haupt- und Nebenverbindlichkeiten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, dass gesagt werden kann, der Anspruch habe seinen Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (wie zB auf eine Novation oder ein konstitutives Anerkenntnis gestützte Ansprüche, denen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegen). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 83/11/0249 E VS VwSlg 11964 A/1985 RS 2 |
Normen | |
RS 3 | Ansprüche eines Arbeitnehmers, die aus der Gewährung eines Darlehens oder der Zurverfügungstellung der Darlehensvaluta aus einem im Auftrag des Arbeitgebers aufgenommenen Kredit erwachsen, sind nicht deshalb "sonstige Ansprüche" oder Schadenersatzansprüche" aus dem Arbeitsverhältnis, weil zwischen letzterem und der Darlehensgewährung bzw dem Auftragsverhältnis ein Motivationszusammenhang besteht (der Arbeitnehmer also deshalb das Darlehen gewährt oder in den Auftrag eingewilligt hat, um seinen durch den befürchteten Zusammenbruch des Betriebes seines Arbeitgebers gefährdeten Arbeitsplatz zu retten oder um eine für den Fall der Ablehnung der erbetenen oder geforderten Hilfe angedrohte Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2917/80 E VwSlg 10642 A/1982 RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Berger, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Kärnten vom , Zl. IVa 7022/7400 B-203/19/16B/84, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer begehrte mit der beim Arbeitsgericht eingebrachten Klage vom von der P GmbH die Bezahlung eines Betrages von S 353.811,28 samt näher bezeichneten Zinsen und Prozeßkosten. Nach der Klagserzählung sei er vom bis bei der P. GmbH als Bilanzbuchhalter beschäftigt gewesen. Aus diesem Dienstverhältnis bestehe noch ein Gehaltsrückstand von S 179.650,-- brutto sowie eine Forderung an Urlaubsabfindung für 41 Tage im Betrag von S 39.107,68 brutto. Da die P. GmbH im April 1981 nicht in der Lage gewesen sei, die „Umsatzsteuer 11/81“ zu bezahlen, habe ihr der Beschwerdeführer den Betrag von S 92.255,-- vorgeschossen, damit dann die Zahlungen fristgerecht erfolgen könnten. Darüber hinaus habe er der P. GmbH auch noch zur Ordnung der Exekutionsangelegenheit des Bezirkgsgerichtes einen weiteren Betrag von S 43.798,60 vorgestreckt. Diese Zahlungen schienen in der Bilanz der P. GmbH als Darlehen des Beschwerdeführers auf. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom beantragte die beklagte P. GmbH die Klagsabweisung im wesentlichen mit der Begründung, es stünden dem Beschwerdeführer nur mehr brutto S 3.867,05 an restlichem Gehalt und brutto S 39.107,68 an Urlaubsabfindung zu. Dagegen würden aber (näher präzisierte) Gegenforderungen von S 36.526,57 und S 25.000,-- eingewendet. Eine Umsatzsteuer habe der Beschwerdeführer für die P. GmbH ebensowenig bezahlt wie den von ihm in der Klage genannten Betrag in einem Exekutionsverfahren vorgestreckt. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom schränkte der Beschwerdeführer sein Klagebegehren auf S 180.000,-- s.A. ein. Darnach schlossen die Parteien nachstehenden
„Vergleich:
Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei den eingeschränkten Klagsbetrag von S 180.000,-- in 9 aufeinanderfolgenden gleichen Monatsraten von S 20.000,-- zu bezahlen, und zwar bis zum 10. eines jeden Monates, bei sonstigem Terminsverlust bei Nichtbezahlung auch nur einer Rate. Für den Fall des Eintrittes des Terminsverlustes verpflichtet sich die beklagte Partei, den Klagsbetrag bzw. den ausstehenden Betrag mit 10 % Zinsen zu bezahlen, dies alles zu Handen des Klagsvertreters ...
Mit der Bezahlung von S 180.000,-- sind die Ansprüche des Klägers für Kreditleistungen, die er der beklagten Partei erbracht hat, verglichen.
Hiemit sind überhaupt sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus welchem Titel auch immer verglichen.
Die Kosten werden gegenseitig aufgehoben.
Vergleichsinteresse: S 180.000,-
Vergleichs- und Gerichtsgebühren tragen beide Teile je zur Hälfte.“
Mit Beschluß des Landesgerichtes vom , wurde über das Vermögen der P. GmbH der Konkurs eröffnet.
Innerhalb der Frist des § 6 Abs. 1 IESG begehrte der Beschwerdeführer die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für nachstehende Forderungen gegen die P. GmbH:
Unter Hinweis auf den genannten Vergleich vor dem Arbeitsgericht an Lohn und Urlaubsabfindung S 180.000,-- netto, an Zinsen S 3.500,-- und an Kosten die Beträge von S 2.571,27 und S 2.610,74. Der Masseverwalter anerkannte in dem ihm übermittelten Forderungsverzeichnis nach § 6 Abs. 3 IESG die geltend gemachten Ansprüche.
Mit Bescheid vom erkannte das Arbeitsamt dem Beschwerdeführer Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 48.269,-- zu, und zwar nach dem dem Bescheid beigegebenen Beiblatt für Restgehalt von S 3.867,--, Urlaubsabfindung von S 38.325,--, Kosten von S 2.571,-- und S 2.611,-- sowie Verzugszinsen von S 895,--.
Mit einem weiteren Bescheid vom lehnte das genannte Arbeitsamt die vom Beschwerdeführer darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche gemäß § 1 Abs. 2 IESG ab. Begründet wurde dieser Bescheid im wesentlichen damit, daß es sich beim Differenzbetrag auf S 180.000,-- um ein Darlehen an den ehemaligen Arbeitgeber handle, für den mangels Vorliegens eines inneren Zusammenhanges mit dem ehemaligen Arbeitsverhältnis kein Insolvenz-Ausfallgeld gebühre.
In der gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde, die von ihm der P. GmbH gewährten Darlehen stellten keinen gesicherten Anspruch im Sinne des S 1 Abs. 2 Z. 3 IESG dar. Zwar sei er nicht verpflichtet gewesen, der P. GmbH Darlehen zu gewähren. Die Behörde übersehe aber, daß es seine Hauptpflicht im Betrieb der P. GmbH gewesen sei, eine Dienstleistung zu erbringen. Wenn er ihr daher mit seinen verdienten Geldern in Zahlungsschwierigkeiten ausgeholfen habe, so stelle dies einen sonstigen Anspruch im Sinne der genannten Gesetzesstelle dar. Das erstinstanzliche Verfahren sei aber auch insofern mangelhaft geblieben, als sich die Behörde nicht damit auseinandergesetzt habe, daß dem Beschwerdeführer ein Gehaltsrückstand von S 179.650,-- brutto zugestanden sei. Es gehe nicht an, den „Bescheid im stattgebenden Teil“ (gemeint den erstgenannten Bescheid) auf ein Anerkenntnis des Gemeinschuldners zu stützen, eine gerichtliche Entscheidung (auch ein gerichtlicher Vergleich sei eine solche) jedoch nicht zu beachten. Wäre ihm die P. GmbH keinen Lohn mehr schuldig gewesen und hätte er ihr keine Darlehen gewährt, so hätte sie auch keinen Vergleich auf der Basis von S 180.000,-- abzuschließen gehabt. Gerade daß sie aber einen Vergleich abgeschlossen habe, stelle ein Anerkenntnis des Bestehens der Schuld dar, wobei es dahingestellt sein möge, ob der Betrag von S 180.000,-- aus Darlehen oder aus restlichem Lohn bestanden habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Dabei ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus: Es sei der Aktenlage und den Berufungs-ausführungen zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer der P. GmbH, als sich diese in Zahlungsschwierigkeiten befunden habe, mit einem Darlehen im Gesamtbetrag von S 135.053,60 ausgeholfen habe. Dies werde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Laut der vorliegenden Klagsschrift habe er beim Arbeitsgericht einen Gehaltsrückstand und eine Urlaubsabfindung im Betrag von S 218.757,68 eingeklagt. Dieser Betrag sei bei der Verhandlung am von der P. GmbH aber nur mit S 3.867,05 als Gehaltsrückstand und mit S 39.107,-- als Urlaubsabfindung dem Grunde und der Höhe nach anerkannt worden. Bei der am stattgefundenen Verhandlung habe der Beschwerdeführer das Klagebegehren eingeschränkt und sodann den oben angeführten Vergleich geschlossen. Der Vergleichsinhalt bedeute bei richtigem Verständnis, daß in dem vom Beschwerdeführer auf S 180.000,-- eingeschränkten Klagsbetrag das Darlehen mit S 135.053,60 und die Urlaubsabfindung sowie das Restgehalt in der vom ehemaligen Arbeitgeber bei der Verhandlung vom (gemeint: 1983) anerkannten Höhe (brutto) enthalten sei. Die Urlaubsabfindung und das Restgehalt sei dem Beschwerdeführer aber mit Bescheid vom mit einem Nettobetrag von S 42.192,-- bereits zuerkannt worden. Für die gewährten Darlehen stehe ihm nach den Grundsätzen des Erkenntnisses der Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 11/2917/80, kein Insolvenz-Ausfallgeld zu.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 IESG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 580/1980 haben Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld Arbeitnehmer, ehemalige Arbeitnehmer und ihre Hinterbliebenen sowie die Rechtsnachfolger von Todes wegen dieser Personen (Anspruchsberechtigte) für die nach Abs. 2 gesicherten Ansprüche unter anderem dann, wenn über das Vermögen des Arbeitgebers (ehemaligen Arbeitgebers) im Inland der Konkurs eröffnet wird.
Gesichert sind nach § 1 Abs. 2 leg. cit. aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche (Abs. 3) aus dem Arbeitsverhältnis, auch wenn sie gepfändet, verpfändet oder übertragen worden sind, und zwar unter anderem Entgeltansprüche, insbesondere auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Z. 1), Schadenersatzansprüche (Z. 2) und sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber (Z. 3).
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, es sei in dem von ihm auf S 180.000,-- eingeschränkten Klagsbetrag „das Darlehen mit S 135.053,60 und die Urlaubsabfindung sowie das Restgehalt in der vom ehemaligen Arbeitgeber bei der Verhandlung vom anerkannten Höhe (brutto) enthalten“ gewesen. Zwar sei es richtig, daß im Vergleich ausgeführt sei, es werde ein Betrag von S 180.000,-- vom ehemaligen Arbeitgeber des Beschwerdeführers für Kreditrückzahlungen geleistet; es dürfe aber nicht übersehen werden, daß es im arbeitsgerichtlichen Verfahren nie um ein Darlehen auch nur in der Größenordnung von S 180.000,-- gegangen sei, sondern innerhalb der insgesamt eingeklagten Summe von S 353.811,28 nur um zwei Darlehen in der Gesamtgrößenordnung von S 135.053,60. Entgegen der Diktion des gerichtlichen Vergleiches seien nun im Verfahren nach dem IESG nur jene Beträge zuerkannt worden, die von seiten der P. GmbH im arbeitsgerichtlichen Verfahren anerkannt worden seien. Wenn ein Pauschalvergleich im arbeitsgerichtlichen Verfahren abgeschlossen werde, so seien richtigerweise die geltend gemachten einzelnen Klagspositionen in Relation zu setzen. Gehe man davon aus, daß rund S 210.000,-- an rückständigem Lohn und an rückständiger Urlaubsabfindung und ein Betrag von rund S 140.000,-¬an Darlehensgewährungen eingeklagt worden seien, dann seien auch bei richtiger rechtlicher Beurteilung die einzelnen Positionen in Relation zu setzen. Würde man die Ansicht der belangten Behörde teilen, daß der über den Betrag von S 48.249,-- zugesprochene Betrag, in dem natürlich auch Kosten enthalten seien, nur Darlehen umfasse, dann hätte auch der Betrag von S 48.269,-- nicht zugesprochen werden dürfen. Bei rechtlich richtiger Beurteilung hätte aber der Betrag von S 180.000,-- um einen Betrag von zwei Fünftel (72.000,--) gekürzt werden müssen, so daß insgesamt (auch bei Zutreffen der Rechtsauffassung der belangten Behörde zum fehlenden Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für Darlehen) ein Betrag von S 180.000,-- für Gehaltsrückstand und Urlaubsabfindung hätten zugesprochen werden müssen.
Bei der Beurteilung dieser Einwände ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer zwar in seinem Antrag vom unter Hinweis auf den genannten Vergleich vom Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 180.000,-- netto ausdrücklich nur für „Lohn und Urlaubsabfindung“ und nicht auch für Darlehensrückzahlungen begehrt hat, es aber in der Berufung dahingestellt sein ließ, ob dieser Betrag aus Darlehen oder aus restlichem Lohn bestanden habe. Im Hinblick auf die Unklarheit, ob der Beschwerdeführer damit zum Ausdruck bringen wollte, daß der Vergleichsbetrag von S 180.000,-- auch von der P. GmbH anerkannte Ansprüche auf Rückzahlung gewährter Darlehen umfaßt habe, oder ob er - seinem Antrag entsprechend - dabei blieb, daß der Vergleichsbetrag nur für Lohn und Urlaubsabfindung gebühre, hätte die belangte Behörde vor der Auslegung des Vergleiches den Beschwerdeführer zu einer entsprechenden Klarstellung und zu einer betragsmäßigen Aufschlüsselung der geltend gemachten Forderung vonS 180.000,-- netto auf Lohn und Urlaubsabfindung und allenfalls auf Darlehensrückzahlungen auffordern müssen. Dies wäre nur dann im Berufungsverfahren nicht mehr erforderlich gewesen, wenn, wie die belangte Behörde annimmt, die Aufgliederung des Vergleichsbetrages schon aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse mängelfrei und schlüssig festgestanden wäre. Dies war aber nicht der Fall.
Denn nach der herrschenden Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und nach einem Teil des Schrifttums hat der gerichtliche Vergleich zugleich den Charakter eines zivilrechtlichen Vertrages und einer Prozeßhandlung (vgl. dazu ausführlich Ertl in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 1380). Er ist daher nach den §§ 914 ff auszulegen. Darnach ist bei Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Schon nach dem Wortlaut des Vergleiches vom ist keineswegs klar, ob im verglichenen Betrag von S 180.000,-- die gesamten vom Beschwerdeführer behaupteten „Kreditleistungen“ im Betrag von S 135.053,60 von der P. GmbH anerkannt wurden. Denn die Wendung im Vergleich „Mit der Bezahlung von S 180.000,-- sind die Ansprüche des Klägers für Kreditleistungen, die er der beklagten Partei erbracht hat, verglichen“ läßt vom Wortlaut her offen, welche von diesen Ansprüchen die P. GmbH auch als bestehend anerkannt hat. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ergibt sich dies auch nicht aus dem geschilderten Prozeßverlauf. Denn die P. GmbH bestritt in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom nicht nur den S 3.867,05 brutto übersteigenden behaupteten Gehaltsrückstand von S 179.650,-- brutto, sondern auch die behaupteten Darlehen. Daß der Beschwerdeführer im Verfahren nach dem IESG vom Bestehen der Darlehen im genannten Betrag ausging, schließt nicht ein, daß die P. GmbH im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit der im Vergleich übernommenen Verpflichtung zur Zahlung von S 180.000,-- auch die Darlehensverbindlichkeiten in der Gesamthöhe von S 135.053,60 anerkannt habe. Derartiges hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch nie behauptet; er hat es vielmehr, wie bereits ausgeführt wurde, in der Berufung dahingestellt sein lassen, ob der verglichene Betrag von S 180.000,-- aus Darlehen oder aus restlichem Lohn bestanden habe. Die Feststellung der belangten Behörde, der verglichene Betrag von S 180.000,-- bestehe aus den Darlehen im Gesamtbetrag von S 135.053,60, dem Gehaltsrückstand von S 3.867,05 und der Urlaubsabfindung von S 39.107,-- beruht daher auf einem mangelhaften Verfahren und ist überdies insofern unschlüssig, als die Summe dieser Teilbeträge nicht den Betrag von S 180.000,-- ergibt, wenn es sich hiebei um einen Nettobetrag gehandelt haben sollte. Sollte hingegen der Vergleichsbetrag Brutto- und Nettobeträge (so wie das ursprüngliche Klagebegehren) umfaßt haben, so läßt der angefochtene Bescheid eine Überprüfung in der Richtung nicht zu, ob die Summe der Beträge von S 135.053,60, von S 3.867,05 und S 38.325,35 (Akt des Arbeitsamtes Seite 3 und 4) den Betrag von S 180.000,-- brutto ergibt. Die belangte Behörde hätte daher, sofern dies nach Durchführung des obgenannten Verfahrens auf Klarstellung und Präzisierung der geltend gemachten Ansprüche durch den Beschwerdeführer noch erforderlich gewesen wäre, - entsprechend den Grundsätzen des § 914 ABGB - insbesondere durch Vernehmung der Vergleichspartner klären müssen, aus welchen Beträgen sich der verglichene Betrag von S 180.000,--, für den Insolvenz-Ausfallgeld begehrt wird, zusammensetzt, und erst darnach - freilich ohne Bindung an ein allfälliges Anerkenntnis der P. GmbH (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 82/11/0057) - entscheiden dürfen, in welcher Höhe Insolvenz-Ausfallgeld gebühre.
Der Beschwerdeführer meint nun aber, es sei ihm auf jeden Fall „zur Gänze der Betrag von S 180.000,-- aus dem Insolvenz-Ausfall-Fond zuzusprechen“ gewesen. Denn die gewährten Darlehen seien in Absprache mit dem Geschäftsführer der P. GmbH gewährt worden und stehe dem Beschwerdeführer diesbezüglich auch ein Rückforderungsrecht zu. Er könne diese Ansprüche nur vor dem Arbeitsgericht einklagen, da es sich nach dem § 1 Arbeitsgerichtsgesetz um sonstige Ansprüche handle, die aus dem Dienstverhältnis herrührten. Aus diesem Grund sei ein innerer sachlicher Zusammenhang dieser Ansprüche mit dem Arbeitsverhältnis zu bejahen, weil er nie in die Lage gekommen wäre, der P. GmbH ein Darlehen zu gewähren, wenn er nicht bei ihr beschäftigt gewesen wäre.
Dieser Einwand ist, unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer zufolge der Beschränkung des Antrages auf Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 180.000,-- für Lohn und Urlaubsabfindung überhaupt ein Teilbetrag für andere Anspruchsarten zuerkannt werden könnte, unbegründet. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 83/11/0249, ausgesprochen hat, sind unter „sonstigen Ansprüchen gegen den Arbeitgeber“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 3 IESG zwar nicht nur solche Ansprüche zu verstehen, die ihren unmittelbaren Rechtsgrund im (ursprünglichen oder später modifizierten) Arbeitsvertrag haben, sondern sind ihnen auch solche Ansprüche zuzurechnen, die ihren Rechtsgrund in selbständigen Rechtsgeschäften haben, aber mit den das Arbeitsverhältnis kennzeichnenden typischen wechselseitigen Haupt- und Nebenverbindlichkeiten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, daß gesagt werden kann, der Anspruch habe seinen Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (wie z. B. auf eine Novation oder ein konstitutives Anerkenntnis gestützte Ansprüche, denen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegen). Denn auch in solchen Fällen sind Ansprüche betroffen, die ursprünglich ihren Rechtsgrund im Arbeitsvertrag hatten und insofern „aus dem Arbeitsverhältnis“ erwachsen sind. Daß hiefür nicht die Darlehensgewährung während des aufrechten Bestandes eines Arbeitsverhältnisses genügt, hat der Gerichtshof schon in früheren Erkenntnissen, unter anderem in dem von der belangten Behörde zitierten vom , Zl. 11/2917/80, Slg. Nr. 10.642/A, ausgesprochen.
Aus dem oben angeführten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243. Da der nach Art. I lit. a Z. 1 in Verbindung mit Art. III Abs. 2 dieser Verordnung gebührende Schriftsatzaufwand nur S 9.270,-- beträgt, war das diesbezügliche Kostenmehrbegehren auf Zuerkennung eines Schriftsatzaufwandes von S 13.299,-- abzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1986:1985110059.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-61888