VwGH 11.09.1986, 85/06/0097
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauG Vlbg 1972 §31 Abs3 idF 1982/002 BauRallg |
RS 1 | Ortsbild- und Denkmalschutz erfassen jeweils andere Interessen und sind nicht deckungsgleich. |
Normen | BauG Vlbg 1972 §34 idF 1982/002 BauRallg |
RS 2 | Im Falle der Verlängerung einer befristeten Baulandbewilligung hat die Behörde neu zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Aufstellung (hier: Würstelstand) gegeben sind, und zwar auch in Richtung Ortsbild. Die einmal erteilte befristete Bewilligung vermag keine Bindungswirkung zu erzeugen. |
Normen | BauG Vlbg 1972 §22 idF 1982/002 BauRallg |
RS 3 | Ein nicht völlig einheitliches Ortsbild verwehrt nicht die Möglichkeit, einer mit einer weiteren Störung der Ortsbilder verbundenen Bauführung entgegenzutreten (Hinweis E , 1009/65). |
Normen | BauG Vlbg 1972 §22 idF 1982/002 BauRallg |
RS 4 | Auch aus dem Umstand, dass bereits einzelne, das Ortsbild störende Objekte vorhanden sind, kann nicht abgeleitet werden, dass ein weiterer Eingriff nicht mehr als störend angesehen werden könnte, soweit überhaupt ein schutzwürdiges Ortsbild vorhanden ist (Hinweis E , 1843/79). |
Norm | BauG Vlbg 1972 §22 idF 1982/002 |
RS 5 | Die Qualifikation einer "gröblichen" Beeinträchtigung des Ortsbildes kennt das BauG nicht (Hinweis E , 85/06/0166). |
Normen | |
RS 6 | Wird die Verlängerung der Baubewilligung für einen Würstelstand (Wohnanhänger) und zweitens die (nachträgliche) Baubewilligung zur Errichtung eines größeren Windschutzes beantragt, so können diese Anträge nicht allein mit der Begründung, dass beide Anlagen zusammen dem Ortsbild widersprechen, abgelehnt werden. Vielmehr ist daneben zu prüfen, ob der Stand allein bewilligungsfähig ist (trennbare Angelegenheit). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richteramtsanwärter Dr. Spira, über die Beschwerde der GK und des AK in F, vertreten durch Dr. Hubert Fitz, Rechtsanwalt in Feldkirch, Bahnhofstraße 14, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. VIIa 410.268, betreffend die Versagung einer Baubewilligung und einen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadt F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom wurde JB gemäß § 34 Abs. 1 BauG, LGBl. Nr. 39/1972, die baubehördliche Bewilligung zur Aufstellung eines Würstelstandes (einachsiger, für Verkaufszwecke adaptierter Kfz-Anhänger im Ausmaß von 3,30 m x 2,00 m) auf der Gp. 54/6, KG. F (Grundeigentümer sind die Beschwerdeführer), an der W Gasse bis zum Widerruf der Zustimmung durch die Grundeigentümer, längstens jedoch für die Dauer eines Jahres, unter verschiedenen Auflagen erteilt.
Am wurde festgestellt, daß der Verkaufsstand mit einem vorgesetzten Windschutz (mit Dach und Wänden, nach der Ausgabeseite hin offen) versehen worden sei, obwohl hiefür keine Bewilligung vorliege.
Mit einer mit datierten, am bei der mitbeteiligten Partei eingelangten Eingabe stellten die Beschwerdeführer ein Ansuchen um Verlängerung der mit einem Jahr befristeten Baubewilligung hinsichtlich des Kioskes und weiters um Bewilligung des Windschutzes mit Dach, der freistehend und jederzeit demontierbar sei. Die Konstruktion bestehe aus Stahlrohrrahmen mit Spanplatten.
In einem Amtsvermerk vom hielt der bautechnische Amtssachverständige (zuständig auch für Ortsbildpflege) fest, es sei der Vorbau im Ausmaß größer als der bewilligte Stand. Stand und Vorbau bildeten gestalterisch eine Einheit. Die Einbindung eines derartigen Kioskes sei aus ortsbildgestalterischen Gründen nicht möglich. In der Umgebung seien bereits verschiedene Gebäude saniert, die Parkplätze bepflanzt worden. Das Erscheinungsbild dieses Bereiches werde durch den Kiosk beeinträchtigt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom wurde 1. gemäß § 31 Abs. 5 in Verbindung mit § 34 BauG die beantragte Baubewilligung(-sverlängerung) versagt und 2. ausgesprochen, daß das Bauwerk im Sinne des Spruchpunktes 1/9 der Baubewilligung vom in Verbindung mit § 41 Abs. 3 BauG binnen einer Woche nach Rechtskraft dieses Bescheides vom Baugrundstück zu entfernen sei. Es stünden dem Vorhaben öffentliche Rücksichten, nämlich solche der Gesundheit und des Ortsbildschutzes, entgegen. Bezüglich der Gesundheit wurde auf die Störung der Nachtruhe der Nachbarn und hygienische Mißstände (Verrichtung der Notdurft durch Besucher im Freien) verwiesen. Weiters beeinträchtige der ohne Bewilligung errichtete Windschutz das Ortsbild wesentlich, wie das (bereits genannte) Gutachten des Amtssachverständigen vom zeige.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wurde insbesondere vorgebracht, die Behörde hätte, wenn sie den Windschutz als für das Ortsbild störend erachte, nötigenfalls gesondert die Bewilligung für diesen zu versagen und dessen alleinige Beseitigung zu verfügen gehabt. Es gehe aber nicht an, das Verlängerungsansuchen unter Hinweis auf den nicht bewilligten Windschutz, der angeblich das Ortsbild beeinträchtige, abzuweisen.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung vom wurde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Erstbehörde habe über beide Anträge unter einem abgesprochen. Hauptgegenstand sei der Würstelstand, der Windschutz nur ein Zubehör. Der Amtssachverständige habe, was in der Begründung des Erstbescheides zu wenig deutlich zum Ausdruck komme, festgestellt, daß die Einbindung eines derartigen Kioskes (Stand mit Zubau) in die Umgebung nicht vertreten werden könne. Da nach Inbetriebnahme des Würstelstandes gesundheitliche Mißstände und die Beeinträchtigung des Ortsbildes klar zutage getreten seien, habe die Erstbehörde diese von ihr ursprünglich vielleicht zu wenig berücksichtigten Umstände im Verlängerungsverfahren berücksichtigen müssen.
In der dagegen erhobenen Vorstellung wurde vorgebracht, daß es wegen der angeblichen Belästigungen der Nachbarn nie behördliche Anstände gegeben habe. Auch lägen keine hygienischen Mißstände vor. Das sogenannte Gutachten vom stelle mangels eines ausreichenden Befundes keine ordentliche Beurteilungsgrundlage dar. Der Stand befinde sich auf einem langgezogenen asphaltierten Parkplatz (lediglich 5 % mit Gras bewachsen). Eine Seite grenze an die W Straße, die andere an ein langgezogenes, ca. 2,5 m hohes Garagengebäude (mittelmäßiger äußerer Zustand). Sodann folgen Ausführungen über die Baulichkeiten der Umgebung sowie der Hinweis auf die Nähe des Bahnhofes mit Geleisen und den Umstand, daß es sich um ein vorwiegend gewerblich genutztes Gebiet handle, dessen äußeres Erscheinungsbild nur geringen Ansprüchen gerecht werde. Ebenso wurde auf das Vorbringen in der Berufung Bezug genommen.
Der Amtssachverständige für Raumplanung und Baugestaltung der belangten Behörde führte in seinem Gutachten vom folgendes aus:
„Der Kiosk befindet sich an der W Straße im Nahbereich des J-platzes. Die ortsbildliche Situation in diesem Bereich ist gekennzeichnet durch die hier befindlichen und bereits stark durchgrünten Parkierungsflächen sowie durch die hinsichtlich Baualter und Gestaltungsform zwar heterogenen aber maßgeblich dennoch intakten Umgebungsbaukörper. Zusammen mit der aus verschiedenen Sichtrichtungen dominant in Erscheinung tretenden S-burg ergibt sich hier somit ein prägnantes und durchaus qualitätsvolles Gesamterscheinungsbild, das gegenüber störenden Veränderungen besonders empfindlich ist.
Der gegenständliche Kiosk weist zwar hinsichtlich der Baumasse eine eher untergeordnete Größenordnung auf, auf Grund der vorhandenen Kombination eines mobilen Anhängers mit einer Leichtbaukonstruktion in Pultdachform ergibt sich jedoch eine gestalterisch äußerst unbefriedigende Sonderform, die sich nicht in die bauliche Umgebung integrieren läßt.
Das Erscheinungsbild dieses Bereiches, insbesondere aus der Sicht von Nordosten mit dem dominanten Hintergrund der S-burg wird daher durch den Kiosk nachteilig beeinflußt. Diese Störwirkungen können auch durch etwaige Auflagen nicht entscheidend gemindert werden.
Im Hinblick auf die notwendige ortsbildliche Beruhigung in diesem Bereich ist daher ... eine grundlegende Neuplanung unter Verwendung klarer und einfacher Gestaltungselemente erforderlich.“
Hiezu erwiderten die Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom , es fehle noch immer ein ausreichender Befund. Weiters wurde eine Mitteilung des Bundesdenkmalamtes Bregenz vom vorgelegt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer nicht Folge gegeben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 34 BauG sei die Aufstellung von Anlagen nach § 23 Abs. 1 lit. i (Wohnwagen und ähnliche bewegliche Einrichtungen) auf eine bestimmte Zeit, höchstens aber auf die Dauer von drei Jahren, zu bewilligen, wenn u. a. Interessen der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht entgegenstehen. Eine Verlängerung der Baubewilligung sei bis zu jeweils drei Jahren für die Dauer der Notwendigkeit des Bestandes der Anlage zulässig. Auf Grund der Erhebungen sei davon auszugehen, daß die Belästigungen der Nachbarn durch die Gäste des Standes nicht ein Ausmaß erreichen, das die Gesundheit der Nachbarn gefährde. Es sei demnach insoweit kein Versagungsgrund für die Baubewilligung bzw. die Verlängerung gegeben. Hinsichtlich des Ortsbildes wurde unter Bezugnahme auf das Gutachten vom sowie die Stellungnahme der Beschwerdeführer vom dargelegt, das Gutachten des Amtssachverständigen decke sich mit dem von der Gemeinde eingeholten und sei schlüssig. Hinsichtlich der Umgebung des Standes sei der Akt durch Fotos ergänzt worden, sodaß die Aussagen des Amtssachverständigen überprüfbar seien. Das Gebiet sei nicht vorwiegend gewerblich genutzt. Dem Schreiben des Bundesdenkmalamtes (vom ) könne nur entnommen werden, daß der Kompetenzbereich dieser Behörde durch die gegenständliche Bauangelegenheit nicht berührt werde. Die Versagung gründe sich aber auf Interessen des Ortsbildschutzes. Der Begriff „Ortsbild“ gehe weiter als der Umgebungsschutz nach dem Denkmalschutzgesetz. Die Auffassung des Amtssachverständigen, wonach die S-burg einen dominierenden Bestandteil des Ortsbildes darstelle, werde durch die Fotos eindeutig belegt. Da das Gesamterscheinungsbild des Bereiches durch den gegenständlichen Würstelstand, der als baulicher Fremdkörper empfunden werde, erheblich beeinträchtigt sei, müsse die Baubewilligung versagt werden. Hinsichtlich der Behandlung des Würstelstandes und des Vorbaues als eine Anlage schließe sich die Bezirkshauptmannschaft der Auffassung der Stadtvertretung an. Würstelstand und Vorbau stellten optisch und funktionell eine Einheit dar.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung, wobei sie insbesondere (neuerlich) darauf hinwiesen, daß nach dem vorliegenden Gutachten lediglich der gesamte Kiosk das Ortsbild wesentlich beeinträchtige.
Der Amtssachverständige der belangten Behörde ergänzte sein Gutachten am durch eine detaillierte Beschreibung der Umgebung und führte weiters aus:
„Das Erscheinungsbild dieses Bereiches wird weiters sehr wesentlich durch die dominant in Erscheinung tretende S-burg (Entfernung zum Kiosk ca. 200 m), durch den bewaldeten Hangbereich im Südosten sowie auch durch die hochstämmige Bepflanzung der Parkierungsflächen im Nahbereich des J Platzes bestimmt, die eine kleinteilige räumliche Gliederung und Abkammerung der einzelnen Nutzungsbereiche zur Folge hat.
Insgesamt ergibt sich somit aufgrund der hier vorhandenen Bausubstanz, der raumwirksamen und gliedernden hochstämmigen Bepflanzung sowie der aus verschiedenen Sichtbeziehungen dominant in Erscheinung tretenden S-burg ein prägnantes und durchaus qualitätsvolles Gesamterscheinungsbild, das gegenüber störenden Veränderungen besonders empfindlich ist.
Der hier befindliche Kiosk besteht aus einem weißgrauen Wohnanhänger sowie einem daran angesetzten, größeren Pultdachgebäude in Stahlrahmenkonstruktion mit einer Wandverkleidung aus braun gefärbelten Spanplatten, Drahtglaselementen und Skobalitplatten. Zugeordnet zum Wohnanhänger befinden sich zwei rote Gasflaschen, eine davon ist mit einer Blechhaube abgedeckt. Die Anlage ist an den Eckpunkten auf Ziegelsteinen aufgesetzt. In den Zwischenraum zwischen Baukörper und Gelände ist teilweise Schutt eingelagert, ebenso sind vor den Außenwänden diverse Kisten und Schachteln abgestellt.
Der Gesamte Kiosk vermittelt einen desolaten, vernachlässigten Eindruck und stellt aufgrund der Anhäufung verschiedenartigster Formelemente und Materialien eine gestalterisch äußerst unbefriedigende Sonderform dar, die keine auch nur annähernde Bezugnahme auf die Typologie der hier vorhandenen Bebauung aufweist und sich daher auch nicht in die bauliche Umgebung integrieren läßt. Das Erscheinungsbild dieses Bereiches, insbesondere aus der Sicht von Nordosten mit dem dominanten Hintergrund der S-burg, wird daher durch den Kiosk nachteilig beeinflußt und erfährt somit eine erhebliche Beeinträchtigung. ......“
Dem traten die Beschwerdeführer am entgegen und legten in der Folge auch eine Mitteilung des Bundesdenkmalamtes vom vor, wonach sich auch im Hinblick auf das ergänzende Gutachten des Amtssachverständigen vom keine Änderung aus der Sicht der Denkmalpflege ergebe. Die Belange des Ortsbildes gehörten nicht in die Belange der Denkmalpflege, so lange nicht denkmalgeschützte Objekte oder Objekte mit Denkmalqualität betroffen seien, was gegenständlich nicht zutreffe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde der Berufung nicht Folge gegeben. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie der Berufung und des ergänzenden Gutachtens vom dargelegt, wenn von den Beschwerdeführern bemängelt werde, daß es den Grundsätzen der Rechtskraft eines Bescheides widerspreche, wenn ein und derselbe Sachverhalt im zweiten Verfahren anders beurteilt werde als im rechtskräftigen Baubescheid vom , sei dem entgegenzuhalten, daß mit dem Bescheid vom die Baubewilligung für den Stand nur für ein Jahr erteilt worden sei. Der Bescheid sei am durch Zustellung rechtswirksam geworden. Da dem Antrag auf Verlängerung des Bescheides vor Ablauf der Gültigkeitsdauer nicht entsprochen worden sei, sei der Bescheid am unwirksam geworden. Über diesen Zeitpunkt hinaus vermöge der Bescheid keine Bindungwirkung zu erzielen, insbesondere nicht, daß die Behörde an die Beurteilung des Sachverhaltes im seinerzeitigen Bescheid gebunden sei. Dazu komme, daß Gegenstand des seinerzeitigen Bescheides ein Kiosk gewesen sei, während sich die Behörde nunmehr mit einem Kiosk samt größerem Zubau zu befassen habe. Schon allein deshalb sei ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich der ortsbildlichen Auswirkungen durchzuführen und das Bauobjekt, das Gegenstand des neuen Bauantrages sei, im Hinblick auf dessen Auswirkungen auf das Ortsbild zu beurteilen gewesen. Der Amtssachverständige habe schlüssig dargetan, daß der relevante Bereich ein prägnantes und durchaus qualitätsvolles Erscheinungsbild aufweise, das gegenüber störenden Veränderungen besonders empfindlich sei. Der gesamte Kiosk in seiner gestalterisch äußerst unbefriedigenden Sonderform lasse sich deshalb auch nicht integrieren. In Übereinstimmung mit den Unterinstanzen sei davon auszugehen, daß die Anlage das Erscheinungsbild insbesondere aus der Sicht von Nordosten mit dem dominanten Hintergrund der S-burg nachteilig beeinflusse und zu einer Störung des Ortsbildes führe. Unter dem Begriff „Ortsbild“ sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Slg. N. F. Nr. 7538/A) die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles innerhalb der Gemeinde unter Einschluß der bildhaften Wirkung, die von Grünanlagen, Parkanlagen, Schloßbergen, udgl. ausgeht, zu verstehen.
Der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch sei darin zu folgen, daß der Begriff „Ortsbild“ weiter gehe als der Umgebungsschutz nach dem Denkmalschutzgesetz. Dem Schreiben des Bundesdenkmalamtes könne lediglich entnommen werden, daß dessen Kompetenzbereich vorliegend nicht berührt werde. Es treffe zwar zu, daß die Fotos nur den bei weitem schönsten Teil des Erscheinungsbildes der Umgebung zeigen und daß insbesondere in Richtung der langgestreckten Garage hinter dem Objekt dieses Bild weniger attraktiv sei. Dies vermöge aber der Gesamtbeurteilung keinen Abbruch zu tun. Zudem würde sich in Richtung Garage ein wesentlich verbessertes Bild ergeben, wenn diese saniert werde. Für die Beurteilung des Ortsbildes könne nicht maßgebend sein, ob dessen Beeinträchtigung in einem Teilbereich weniger in Erscheinung trete. Es komme vielmehr auf die Auswirkungen auf das Gesamterscheinungsbild an, wobei aber eine Beeinträchtigung von Interessen des Ortsbildes bereits dann gegeben sei, wenn das Ortsbild in bezug auf die attraktivste Blickrichtung, wie dies vorliegend im Hinblick auf die S-burg der Fall sei, betroffen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei hat unter Vorlage von Fotos gleichfalls eine Gegenschrift erstattet und einen gleichlautenden Antrag gestellt. Die Beschwerdeführer haben mit einem ergänzenden Schriftsatz ebenfalls Fotos vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der Fassung des LGBl. Nr. 2/1982, von Bedeutung:
„§ 23
(1) Einer Baubewilligung bedürfen
............
i) die Aufstellung von Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Einrichtungen, wenn sie auf demselben Grundstück länger als einen Monat, bei Baustellen länger als ein Jahr dauert (ausgenommen die Aufstellung von Wohnwagen auf Campingplätzen: vgl. § 21 des Campingplatzgesetzes, LGBl. Nr. 34/1981);
...............“
„§ 34
(1) Die Errichtung von Bauwerken für vorübergehende Zwecke, wie bei Veranstaltungen, Baustellen, außerordentlichen Verhältnissen, sowie die Aufstellung von Anlagen nach § 23 Abs. 1 lit. i und j hat die Behörde auf eine bestimmte Zeit, höchstens aber auf die Dauer von drei Jahren, zu bewilligen, wenn Interessen der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Fremdenverkehrs sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht entgegenstehen. Eine Verlängerung der Bewilligung bis zu jeweils drei Jahren ist für die Dauer der Notwendigkeit des Bestandes des Bauwerkes bzw. der Anlage zulässig.
(2) Bei einer Bewilligung gemäß Abs. 1 kann die Behörde von den Bestimmungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen abweichen, soweit dagegen vom Standpunkt der Sicherheit oder Gesundheit keine erheblichen Bedenken bestehen und Rechte der Nachbarn (§ 30 Abs. 1) nicht über das zumutbare Ausmaß hinaus beeinträchtigt werden. Der Bauantrag muß jedoch den Vorschriften der §§ 25 bis 27 entsprechen.“
„§ 2
(1) Das Landschafts- und Ortsbild ist insbesondere dadurch zu schützen, daß die Landschaft in ihrer Eigenart vor störenden baulichen Eingriffen bewahrt wird und nur in die Landschaft passende Bauwerke errichtet sowie geschichtlich oder gestalterisch wertvolle bauliche Ansichten eines Ortes oder Ortsteiles innerhalb der Gemeinde unter Einschluß der bildhaften Wirkung, die von der Landschaft ausgeht, erhalten werden.
............“
Aus der Bestimmung des § 31 Abs. 3 BauG ergibt sich des weiteren, daß neben den öffentlichen Interessen des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes auch die des Denkmalschutzes bestehen. Ortsbild- und Denkmalschutz erfassen jeweils andere Interessen und sind nicht deckungsgleich.
Soweit die Beschwerdeführer darauf verweisen, daß eine nennenswerte Beeinträchtigung des Ortsbildes schon deshalb nicht gegeben sein könne, weil der Bürgermeister seinerzeit mit Bescheid vom die Aufstellung des Würstelstandes (Wohnanhänger) befristet bewilligt habe, ist ihnen zu entgegnen, daß im Fall einer Verlängerung der Bewilligung jeweils von der Behörde neu zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Aufstellung gegeben sind, und die einmal erteilte befristete Bewilligung keine Bindungswirkung zu erzeugen vermag, worauf bereits die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend Bezug genommen hat.
Wenn die belangte Behörde die Auffassung vertritt, es stelle der Wohnanhänger zusammen mit dem größeren, als Windschutz errichteten Pultdachgebäude zufolge der Anhäufung verschiedenartigster Elemente und Materialien eine erhebliche Beeinträchtigung des Ortsbildes dar, so wird dies vom Verwaltungsgerichtshof uneingeschränkt geteilt. Konnte sich doch die belangte Behörde insoweit auf das einen ausführlichen Befund aufweisende ergänzende Gutachten des Amtssachverständigen vom stützen, der eine, insbesondere auch durch die in den Verwaltungsakten erliegenden Fotos gedeckte, nachvollziehbare Beurteilung geliefert hat, die die belangte Behörde zu Recht ihrer Entscheidung zugrunde legen durfte. Mag auch in Teilbereich der Umgebung das Erscheinungsbild wegen sanierungsbedürftiger Fassaden nicht von gleicher Qualität sein, worauf der Amtssachverständige ausdrücklich Bezug genommen hat, so bedeutet dies - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keinesfalls, daß deshalb von keiner relevanten Beeinträchtigung des Ortsbildes mehr gesprochen werden könne. Auch eine nicht völlige Einheitlichkeit des gegebenen Ortsbildes verwehrt der Behörde nicht die Möglichkeit, einer mit einer weiteren Störung des Ortsbildes verbundenen Bauführung entgegenzutreten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1009/65, Slg. Nr. 6884/A). Auch aus dem Umstand, daß einzelne Objekte vorhanden sind, die das Ortsbild stören, kann nicht abgeleitet werden, daß ein weiterer Eingriff nicht mehr als störend angesehen werden könnte, soweit überhaupt ein schutzwürdiges Ortsbild vorhanden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1843/79, Slg. Nr. 9966/A), was hier aber, wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, zweifellos zutrifft. Wenn der Amtssachverständige insbesondere auch die dominant in Erscheinung tretende S-burg in seine Erwägungen mit einbezog, so kann darin kein rechtswidriges Vorgehen erblickt werden. Mit der Frage, warum es für den Ortsbildschutz ohne Bedeutung ist, daß das Bundesdenkmalamt in diesem Zusammenhang erklärt habe, daß Interessen des Denkmalschutzes nicht betroffen seien, haben sich bereits die Aufsichtsbehörden ausreichend beschäftigt. Soweit in der Beschwerde von einer „gröblichen“ Beeinträchtigung des Ortsbildes die Rede ist, ist dem zu erwidern, daß diese Qualifikation nach der hier gegebenen Rechtslage nicht erforderlich ist; kommt es doch, wie die maßgebenden Bestimmungen zeigen, vor allem darauf an, daß öffentliche Interessen des Ortsbildes dem Vorhaben nicht entgegenstehen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/06/0166). Daß dies aber der Fall ist, hat der Amtssachverständige überzeugend dargelegt. Auf Grund der eingehenden Befundaufnahme durch den Amtssachverständigen und der vorliegenden Bilder bedurfte es auch insoweit keines Lokalaugenscheines oder der Anfertigung weiterer Aufnahmen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch dennoch aus folgenden Gründen als rechtswidrig:
Die Beschwerdeführer haben einerseits um die Verlängerung der Baubewilligung für den eigentlichen, seinerzeit befristet bewilligten Stand (Wohnanhänger) und andererseits um die Erteilung der (nachträglichen) Bewilligung für den später errichteten sogenannten Windschutz in Form eines größeren „Pultdachgebäudes“ angesucht. Hiebei handelt es sich um trennbare Angelegenheiten, worauf die Beschwerdeführer bereits im Verfahren vor den Gemeindebehörden verwiesen haben. Wird daher durch den eigentlichen Stand das Ortsbild noch nicht beeinträchtigt, sondern nur aus der Gesamtschau mit dem sogenannten Windschutz, so kann die Verlängerung der Bewilligung für den eigentlichen Stand nicht unter Bezugnahme auf § 22 BauG versagt werden. In einem solchen Fall ist vielmehr lediglich der Antrag auf (nachträgliche) Bewilligung des sogenannten Windschutzes unter Hinweis auf die Interessen des Schutzes des Ortsbildes abzulehnen und seine Beseitigung anzuordnen.
Sowohl die Gemeindevertretung als auch, ihr folgend, die Bezirkshauptmannschaft und die belangte Behörde (vgl. insbesondere die Darlegungen auch in der Gegenschrift) sind jedoch in Verkennung der obigen Darlegungen davon ausgegangen, daß Stand und Windschutz eine untrennbare Einheit darstellen und es nur darauf ankomme, ob dem Stand samt dem sogenannten Windschutz, also aus der Gesamtschau betrachtet, Interessen des Schutzes des Ortsbildes entgegenstehen. Auch dem Gutachten des Amtssachverständigen samt Ergänzung vom kann nicht entnommen werden, es habe sich dieser (auch) mit der Frage auseinandergesetzt, ob schon allein durch den Stand an sich (ohne den sogenannten Windschutz als Vorbau) Interessen des Schutzes des Ortsbildes verletzt werden. Vielmehr hat auch er, zumindest lassen seine Darlegungen nichts anderes erkennen, auf die Gesamtschau (Stand und Windschutz) abgestellt.
Die belangte Behörde hat daher insoweit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Im fortgesetzten Verfahren wird daher der Sachverständige aufzufordern sein, sein Gutachten dahin zu ergänzen, ob auch der eigentliche Stand allein auf Grund seiner Gestaltung mit den Interessen des Schutzes des Ortsbildes nicht in Einklang zu bringen ist oder dies, etwa zufolge seiner untergeordneten Größenordnung, nicht der Fall ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am
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Normen | AVG §59 Abs1 BauG Vlbg 1972 §22 idF 1982/002 BauG Vlbg 1972 §31 Abs3 idF 1982/002 BauG Vlbg 1972 §34 idF 1982/002 BauRallg |
Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1986:1985060097.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-61784