Suchen Hilfe
VwGH 21.11.1985, 85/06/0042

VwGH 21.11.1985, 85/06/0042

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Allg Krnt 1982 §94 Abs1;
RS 1
Hat die Bezirksverwaltungsbehörde in einer zum eigenen Wirkungsbereich gehörenden Bausache, wenn auch vor Inkrafttreten der B-VG Novelle 1962, als erste Instanz entschieden, so kann über die Berufung dagegen nur die Landesregierung entscheiden, uzw nach der B-VG Nov 1962 nur durch Aufhebung des Bescheides des Bezirkshauptmannes, damit die zuständigen Gemeindebehörden über das Bauansuchen entscheiden können (Hinweis E , 307/67, VwSlg 7348 A/1968).
Normen
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg;
RS 2
Jeder Grundeigentümer hat, soweit nicht zivilrechtliche Ansprüche bestehen, für eine ausreichende Belichtung und Belüftung seiner Bauten auf seinem Grundstück Sorge zu tragen und kann nicht etwa durch einfaches Zuvorkommen damit das Nachbargrundstück belasten (Hinweis E , 83/06/0253 und E , 82/06/0092).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde der LS in V, vertreten durch Dr. Giselher Arko, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Alter Platz 18, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR1-72/6/1984, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. SK, vertreten durch Dr. Valentin Kakl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, 8.-Mai-Straße 20, 2. Marktgemeinde V, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Erstmitbeteiligten eine neuerliche Bewilligung zum Umbau des auf dem Grundstück Nr. nn1 bestehenden Hauses nach §§ 12 und 13 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969. Die Beschwerdeführerin erhob nicht nur gegen diesen Bescheid, sondern aus diesem Anlaß auch gegen eine frühere Umbaubewilligung (Bescheid des Bürgermeisters der ehemaligen Gemeinde A vom ) Berufung, in der sie geltend machte, daß ihr Vater als Rechtsvorgänger und Eigentümer der an das Grundstück Nr. nn1 angrenzende Grundfläche (Nr. nn2 der KG A) im Ermittlungsverfahren zur Erteilung der ersten Umbaubewilligung nicht beigezogen und ihm ein Bewilligungsbescheid nicht zugestellt worden sei. Nach einer Aufhebung des darauf ergangenen Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde wurde die Vorstellung gegen einen neuerlichen Berufungsbescheid schließlich mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob die nunmehrige Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zur Zl. B 404/78. In diesem Verfahren stellte sich heraus, daß nicht die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A erteilte Baubewilligung, sondern die mit dem - weder in Urschrift noch in Ausfertigung vorhandenen -

Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom erteilte Baubewilligung konsumiert wurde und daher aufrecht ist. Mit Erkenntnis vom , Zl. B 404/78-24, hob der Verfassungsgerichtshof daher den Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde mit der Begründung auf, daß die mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A vom erteilte Baubewilligung nach § 27 der Bauordnung 1866 unwirksam geworden sei, so daß mangels Vorhandenseins einer erstinstanzlichen Entscheidung die dagegen erhobene Berufung zurückzuweisen gewesen wäre. Da die belangte Behörde, statt den Bescheid wegen Unzuständigkeit des Gemeindevorstandes aufzuheben, meritorisch entschieden habe, habe sie die Inanspruchnahme der dem Gemeindevorstand nach dem Gesetz nicht mehr gegebenen Zuständigkeit nicht wahrgenommen; die Beschwerdeführerin sei daher in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin, ihr den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom zuzustellen, und erhob - ungeachtet der bisher nicht erfolgten Zustellung - gegen diesen Bescheid Berufung mit der Begründung, daß weder sie noch ihr Rechtsvorgänger dem Verfahren beigezogen worden seien; der Bescheid sei ihnen auch nicht zugestellt worden.

Die von der Gemeinde zunächst der Kärntner Landesregierung übermittelte Berufung wurde jener ohne formellen Bescheid mit dem Bemerken zurückgestellt, daß seit der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205/1962, über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeindevorstand endgültig entscheide. Diese Regelung habe sich durch die Allgemeine Gemeindeordnung 1982, LGBl. Nr. 8/1982, nicht geändert.

Nach zahlreichen Vorhalten, Äußerungen und Stellungnahmen erging schließlich der Bescheid des Gemeindevorstandes vom , mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom abgewiesen wurde.

Die dagegen erhobene Vorstellung wies belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Auch in diesem Bescheid ging die belangte Behörde davon aus, daß auf Grund der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205, und der Bestimmungen der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, LGBl. Nr. 8, der Gemeindevorstand zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom zuständig gewesen sei, wobei jedoch im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 48 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, die Vorschriften der Kärntner Bauordnung vom 13. März 1866, LGBl. Nr. 12, anzuwenden seien. Meritorisch mache die Beschwerdeführerin lediglich geltend, daß ihr Bauantrag gemeinsam mit der gegenständlichen Angelegenheit hätte behandelt werden müssen, was jedoch nicht zutreffe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , Zl. B 869/84-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten vor allem dadurch verletzt, weil in diesem abgeschlossenen Baugenehmigungsverfahren auf ihr eigenes Baugesuch keine Rücksicht genommen worden sei.

Sowohl die belangte Behörde als auch die Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte erstatteten je eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vor Eingehen in die Sache war zu prüfen, ob die belangte Behörde mit Recht von der Zuständigkeit des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde zur Entscheidung über eine Berufung gegen die Bezirkshauptmannschaft Villach ausgegangen ist.

Die belangte Behörde erkannte zwar richtig, daß sie als Landesbehörde (von ihren Rechten als Aufsichtsbehörde und im Rahmen der Anrufung mittels Vorstellung abgesehen) seit Inkrafttreten der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205, keine Zuständigkeit zu meritorischer Entscheidung hat. Sie hat jedoch übersehen, daß andererseits keinerlei Vorschrift den Gemeindevorstand berechtigt, über Berufungen gegen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft zu entscheiden, möge auch in erster Instanz nunmehr der Bürgermeister zuständig sein. Während § 36 Abs. 2 Z. 42 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1957, LGBl. Nr. 56, den Gemeinderat zur Entscheidung über die Berufung gegen Bescheide des Bürgermeisters im Rahmen der Selbstverwaltung berief, normierte § 83 Abs. 1 der mit in Kraft getretenen Allgemeinen Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 1, (nunmehr § 94 Abs. 1 der wiederverlautbarten Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 8/1982) daß über Berufungen gegen die Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches (also nicht etwa gegen jedwede Bescheide in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches) der Gemeindevorstand endgültig entscheidet. Übergangsbestimmungen sehen hinsichtlich der Behördenzuständigkeit nichts vor; § 48 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, sieht zwar vor, daß auf anhängige Verfahren in Angelegenheiten, die in diesem Gesetz geregelt sind, die bisherigen Bestimmungen Anwendung zu finden haben, doch kann dies in verfassungskonformer Auslegung nur auf die materiell-rechtlichen Vorschriften bezogen werden. Die Weitergeltung des § 13 der Kärntner Bauordnung vom 13. März 1866, LGBl. Nr. 12, auf die sich die seinerzeitige Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft stützte, stünde mit den geltenden Vorschriften der Bundesverfassung über den eigenen Wirkungsbereich in eindeutigem Widerspruch.

Daraus ergibt sich die fehlende Zuständigkeit des Gemeindevorstandes über eine Berufung gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft, sei es auch in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, zu entscheiden. Vielmehr ist die Landesregierung als zweite Instanz zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörden berufen. Sie darf zwar darüber nicht meritorisch entscheiden, sondern hat den in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft aufzuheben, um die Erledigung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu ermöglichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. NF Nr. 7348/A).

Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie über die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes meritorisch entschieden hat, statt dessen Unzuständigkeit aufzugreifen und den Bescheid aufzuheben, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde - nach Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes wegen Unzuständigkeit - über die Berufung der Beschwerdeführerin in der Weise zu entscheiden haben, daß sie auch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach, mit dem die Baubewilligung erteilt worden war, wegen Unzuständigkeit behebt, wonach über das Bauansuchen der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde zu entscheiden hat.

Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof genötigt darauf hinzuweisen, daß die Kärntner Bauordnung - wie auch alle übrigen österreichischen Bauordnungen - einen Anspruch auf gemeinsame Entscheidung über Bauansuchen von Nachbarn und auf eine wechselseitige Bedachtnahme nicht vorsieht. Vielmehr ist jedes Bauansuchen für sich getrennt zu sehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof (z. B. zur Tiroler Bauordnung) mehrfach (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 82/06/0092, und vom , Zl. 83/06/0253, BauSlg. Nr. 169) ausgesprochen hat, hat jeder Grundeigentümer, soweit nicht zivilrechtliche Ansprüche bestehen, für eine ausreichende Belichtung und Belüftung seiner Bauten auf seinem Grundstück Sorge zu tragen und kann nicht etwa durch einfaches Zuvorkommen damit das Nachbargrundstück belasten.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere deren Art. III.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Allg Krnt 1982 §94 Abs1;
Schlagworte
Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde (siehe auch B-VG Art118 Abs2
und Abs3)
Behörden eigener Wirkungsbereich der Gemeinde örtliche Baupolizei
und örtliche Raumplanung B-VG Art15 Abs5 BauRallg2/2
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1985:1985060042.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-61769