VwGH 02.07.1986, 85/03/0093
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Wenn jemand ein Schriftstück - hier Verzicht auf eine Berufung - unterschreibt, so ist davon auszugehen, dass er seinen Inhalt kennt und das Schriftstück vor Unterfertigung gelesen hat. Er kann sich nachträglich nicht rechtwirksam auf einen Irrtum oder auf eine mangelnde Anleitung durch die Behörde über die mit der Unterschrift verbundenen Rechtsfolgen berufen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Riha, über die Beschwerde des FP in W, vertreten durch Dr. Gerhard Maurer, Rechtsanwalt in Wörgl, Speckbacherstraße 14, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIb2-V- 4397/1-1985, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges, als dessen Zulassungsbesitzer der Beschwerdeführer ausgeforscht wurde, wurde der Bundespolizeidirektion Innsbruck angezeigt, weil er am um 12.40 Uhr in Innsbruck, Autobahn A 12, auf der Höhe km 73 (Ampasserhof) in Fahrtrichtung Osten fahrend es trotz Nebel/Schneefall unterlassen habe, die Scheinwerfer (Abblendlicht) und Leuchten einzuschalten (§ 60 Abs. 3 StVO).
Am teilte der Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel, an die die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 29a VStG abgetreten worden war, mit, daß er das in der Anzeige angeführte Kraftfahrzeug zur Tatzeit am Tatort selbst gelenkt habe. Schneefall und Nebel habe es nicht gegeben, sodaß er sich eine Übertretung der Verkehrsvorschriften auch nicht vorstellen könne.
Im Anschluß an dieses Schreiben des Beschwerdeführers findet sich in den Verwaltungsstrafakten die Durchschrift des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom , in dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird, das in der Anzeige angeführte Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt und es trotz Schneefall unterlassen zu haben, die Scheinwerfer, Abblendlicht und Leuchten einzuschalten, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 60 Abs. 3 StVO begangen zu haben. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG 1950 wurde dem Beschwerdeführer eine Ermahnung erteilt. Am Ende dieses Bescheides findet sich nach der Begründung der Vermerk: "Auf ein Rechtsmittel wird verzichtet."
und unmittelbar darunter: "Kitzbühel, " sowie die Unterschrift des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom Berufung. Die Tiroler Landesregierung wies mit Bescheid vom die Berufung "gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache" zurück. Zur Begründung führte die Berufungsbehörde aus, auf dem Bescheidkonzept der Behörde erster Instanz habe der Beschwerdeführer am ausdrücklich auf die Erhebung eines Rechtsmittels verzichtet. Dennoch habe er die am zur Post zur Beförderung übergebene Berufung eingebracht. Nach § 63 Abs. 4 AVG 1950 sei eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündigung des Bescheides ausdrücklich - wie im gegenständlichen Fall - auf die Berufung verzichtet habe. Damit sei der Bescheid in Rechtskraft erwachsen. Es habe daher die Berufung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 zurückgewiesen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem gesamten Beschwerdevorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß bei der gegebenen Sach- und Rechtslage seine Berufung nicht zurückgewiesen werde. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, er habe in dieser Angelegenheit am bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vorgesprochen. Anläßlich dieser Vorsprache habe ihm der dort zuständige Beamte erklärt, daß in diesem Falle mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden könne. Der Beschwerdeführer sei daher der Meinung gewesen, daß mit der Ermahnung durch den zuständigen Beamten der Bezirkshauptmannschaft für ihn die Sache ein für alle mal erledigt sei. Aus diesem Grunde habe er sich auch gar keine Gedanken darüber gemacht, als er von dem Beamten bei Verlassen der Diensträume aufgefordert worden sei, im Nebenzimmer zu unterschreiben. Da der Beschwerdeführer der Meinung gewesen sei, daß nunmehr diese Angelegenheit erledigt sei, habe er auch das Schriftstück, welches er unterzeichnet habe, nicht beachtet. Erst bei Verlassen der Bezirkshauptmannschaft habe er festgestellt, daß er den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei anläßlich seines Erscheinens bei der Bezirkshauptmannschaft am in keiner Weise darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Ermahnung in Form eines Bescheides erfolgen werde. Er sei immer der Meinung gewesen, daß eine solche Ermahnung lediglich mündlich erfolgen werde. Bei seiner Unterschriftsleistung am sei er in keiner Weise von irgendjemandem darauf hingewiesen worden, daß er einen Rechtsmittelverzicht unterschreibe. Wenn der Beschwerdeführer gewußt hätte, daß seine Unterschrift einen Rechtsmittelverzicht bedeute, so hätte er diese Unterschrift niemals geleistet. Der Beschwerdeführer habe von seinem Rechtsmittelverzicht erst im Berufungserkenntnis erfahren. Von einem ausdrücklichen Berufungsverzicht, wie dies § 63 Abs. 4 AVG vorsehe, könne in seinem Fall keine Rede sein. Es wäre Aufgabe des zuständigen Beamten der Bezirkshauptmannschaft gewesen, den Beschwerdeführer auf seine Rechte aufmerksam zu machen und nicht bloß zu erklären, daß nach der Leistung einer Unterschrift im Nebenzimmer die Sache erledigt sei.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Gemäß § 63 Abs. 4 AVG 1950 ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündigung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.
Vorweg ist zu bemerken, daß die belangte Behörde die Zurückweisung der Berufung zu Unrecht auf § 68 Abs. 1 AVG 1950 gestützt hat, weil es sich bei der Berufung um kein "Anbringen" im Sinne dieser Gesetzesstelle handelt. (Vgl. dazu auch Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, Band 1, Seite 426 f, und Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, Seite 371.) Vielmehr hätte die belangte Behörde die Berufung im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 gemäß § 63 Abs. 4 leg. cit. zurückweisen müssen. Der Beschwerdeführer wurde aber durch diesen Rechtsirrtum der belangten Behörde in keinem subjektiven Recht verletzt.
Die belangte Behörde ging von der in den Verwaltungsstrafakten gedeckten Annahme aus, daß der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift ausdrücklich auf die Einbringung einer Berufung verzichtete. Die Unterschrift des Beschwerdeführers findet sich - wie vorstehend dargelegt - unmittelbar unter dem auf dem Durchschlag des Bescheides vom mit Maschinschrift angebrachten Rechtsmittelverzicht. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, er habe das Schriftstück, das er unterzeichnet hat, nicht beachtet, so geht dies zu seinen Lasten. Wenn jemand ein Schriftstück unterschreibt, so ist - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zu Recht bemerkte - davon auszugehen, daß er seinen Inhalt kennt und das Schriftstück vor Unterfertigung gelesen hat. Dazukommt, daß der Beschwerdeführer - wie er selbst ausführt - mit der Erteilung einer Ermahnung durch den Beamten ja grundsätzlich einverstanden war und dies auch dem Beamten gegenüber dadurch bekundete, daß er sich bereit erklärte, über dessen Aufforderung im Nebenzimmer dafür zu unterschreiben. Für die Behörde bestand daher gar keine Veranlassung, dem Beschwerdeführer weitere Rechtsbelehrung zu erteilen, insbesondere ihn nach Ausfolgung des Bescheides noch darauf hinzuweisen, daß er mit seiner Unterschrift auf ein Rechtsmittel dagegen verzichtet. Mag der Beschwerdeführer zunächst auch irrtümlich der Ansicht gewesen sein, daß bereits die Erklärung des Beamten, in diesem Falle könne mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden, die Sache für ihn erledigt sei, so stand jedenfalls mit der Ausfertigung des Bescheides an ihn fest, daß die Ermahnung in Form eines Bescheides erfolgte, wobei der Beschwerdeführer jedoch auch dieses Schriftstück, bevor er die Unterschrift leistete, nach seinem eigenen Vorbringen nicht gelesen hat. Bei diesem Sachverhalt kann er sich nachträglich nicht rechtswirksam auf einen Irrtum oder auf eine mangelnde Anleitung durch die Behörde über die mit der Unterschrift verbundenen Rechtsfolgen berufen. Die auf der dem Beschwerdeführer ausgefolgten Ausfertigung des Bescheides vom enthaltene Rechtsmittelbelehrung stand dem Rechtsmittelverzicht nicht entgegen.
Da sich die Beschwerde sohin zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1986:1985030093.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-61687