VwGH 28.03.1985, 84/16/0070
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | VwGG §42 Abs2 Z2 |
RS 1 | Durch die meritorische Erledigung einer Berufung, die zurückgewiesen hätte werden müssen, belastet die Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit, was vom VwGH von Amtswegen wahrzunehmen ist (Hinweis auf E vom , 0870/70, VwSlg 7902 A/1970) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerde der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17 - 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 11 - 1443/83, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Mit Punkt 2) des Beschlusses des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom , dg. GZ. A 395/80-37, war der reine Nachlaß nach der am verstorbenen AE infolge fruchtlosen Ablaufes der Frist zur Einberufung der unbekannten Erben gemäß § 130 AußStrG erblos erklärt und zufolge des Antrages der Finanzprokuratur dem Staat übergeben worden. Zu diesem Nachlaß hatte das Grundstück EZ. 583 des Grundbuches der KG. X mit einem Einfamilienhaus gehört (Einheitswert zum S 207.000,- - und S 49.000,--).
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien setzte (unter Verwendung eines Formulares ihrer Lager-Nr. GV 10) mit Bescheid vom gegenüber der "Finanzprokuratur Singerstraße 17 - 19 1011 Wien" mit dem Betreff: "Verlassenschaft
n. AE, gest. 1980" gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 256.000,-- - 8 % Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 20.480,-- fest, wobei es als sonstige Erläuterung lediglich folgendes anführte:
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"Erwerbsvorgang gem. § 1 (1)/2 |
EW: 207.000,-- |
49.000,-- |
256.000,-- |
Keine Gegenleistung, daher wird vom Einheitswert vorgeschrieben."
Gegen diesen Bescheid brachte die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, rechtzeitig Berufung ein.
Nachdem über diese Berufung die abweisende Berufungsvorentscheidung des genannten Finanzamtes vom erlassen und darauf von der Beschwerdeführerin rechtzeitig der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt worden war, wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den angeführten erstinstanzlichen Bescheid vom als unbegründet ab.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.
Nach § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Auf Grund des § 93 Abs. 3 lit. a BAO hat der Bescheid ferner eine Begründung zu enthalten, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt oder wenn er von Amts wegen erlassen wird. Der Spruch hat den Bescheidadressaten zu nennen, das ist bei Abgabenbescheiden derjenige, an den das Leistungsgebot gerichtet wird, von dem also die Erbringung der Leistung verlangt wird. Gegen Personen, die nicht als Bescheidadressat genannt sind, vermag der Bescheid keine Wirkung zu entfalten. Über die vom Bescheid namentlich Genannten hinausgehend begründet ein Bescheid ausnahmsweise nur dann Rechte und Pflichten, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (vgl. § 97 Abs. 2, § 191 Abs. 2 sowie die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge und der Gesamtschuldverhältnisse).
Abgesehen von den mit der Aufnahme eines Adressaten in den Bescheide verbundenen allgemeinen Wirkungen, auf die vorstehend hingewiesen wurde, gewinnt die spruchmäßige Bezeichnung des Bescheidempfängers im Abgabenverfahren auch die Bedeutung, daß nur gegen die vom Spruch des Leistungsgebotes erfaßten Personen aufgrund eines hinsichtlich der Nennung der Person des Schuldners gleichlautenden Rückstandsausweises Exekution geführt werden kann. Soll der Leistungsbescheid zwangsvollstreckt werden, muß der von der Abgabenfestsetzung Betroffene ebenso wie der im Rückstandsausweis Genannte prozessual rechtsfähig sein (§ 79 BAO). Im Hinblick auf die exekutionsrechtlichen Folgewirkungen kommt also von vornherein nur ein Bescheidadressat in Betracht, der fähig ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (siehe z. B. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Wien 1980, Seite 221).
Ganz abgesehen davon, daß die Finanzprokuratur nicht Abgabenschuldner sein kann, ist aus dem angeführten erstinstanzlichen Bescheid allein auch in keiner Weise zu entnehmen, daß er inhaltlich für die Republik Österreich bestimmt wäre, zumal die Finanzprokuratur nicht nur die Republik Österreich sondern auch die anderen in dem § 2 Abs. 1 ProkuraturG genannten Rechtsträger sowie die in den auf Grund des § 2 Abs. 2 desselben Gesetzes erlassenen zahlreichen Verordnungen jeweils angeführten juristischen Personen zu vertreten und zu beraten berufen bzw. ermächtigt ist.
Schon aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß die belangte Behörde die gegenständliche Berufung der Republik Österreich rechtmäßig gemäß § 278 BAO in Verbindung mit § 273 Abs. 1 lit. a BAO hätte zurückweisen und den erstinstanzlichen Bescheid aus Anlaß dieser Berufung in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes aufheben müssen (ein berichtigungsfähiger Fehler bzw. eine berichtigungsfähige Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides vom lag hier im Sinne des § 293 Abs. 1 BAO nicht vor).
Durch die vorliegende meritorische Erledigung der gegenständlichen Berufung belastete die belangte Behörde ihren nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit, was vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen ist (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 870/70, Slg. Nr. 7902/A, - in dem damals zu entscheidenden Fall hatte der Magistrat der Stadt Innsbruck einer Nichtperson eine Bewilligung "erteilt").
Aus allen dargelegten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §42 Abs2 Z2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1985:1984160070.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-61544