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VwGH 05.06.1984, 84/05/0088

VwGH 05.06.1984, 84/05/0088

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauO Wr §71 idF 1976/018;
BauRallg impl;
RS 1
Ausführungen zum Vorliegen eines Ausnahmegrundes nach § 71 der BauO für Wien.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

84/05/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der MM in W, vertreten durch Dr. Martin Eder, Rechtsanwalt in Wien IX, Wasagasse 29, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XXIII-95/83, betreffend die Versagung der nachträglichen Bewilligung für ein Bauvorhaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit dem angefochtenen Bescheid entnommen werden kann, hat die Beschwerdeführerin ohne Erwirkung der hiefür erforderlichen Baubewilligung an der linken Grundgrenze ihrer Liegenschaft in W, S-straße 135, im Vorgarten ein Vordach vor den bestehenden Garagenboxen im Ausmaß von 6,78 x 6,00 m, bestehend aus fünf Stahlbetonstützen, einer Betonwand und einem Dach aus einer Stahlbetonfertigteildecke mit einem Kipptor, an der Baulinie errichtet. Ihr Ansuchen vom um Erteilung der nachträglichen Baubewilligung hat sie damit begründet, daß die extreme Lage des Objektes die Garageneinfahrt besonders starkem Windanfall aussetze, wodurch wiederholt Schäden am Einfahrtstor entstanden seien; das leicht zu entfernende Vordach würde diesem Übel abhelfen.

Der Wiener Magistrat hat mit Bescheid vom diesem Vorhaben die nachträgliche Bewilligung gemäß §§ 70 und 71 der Bauordnung für Wien versagt.

In ihrer dagegen eingebrachten Berufung hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen dargelegt, bei dem ausgeführten Bau handle es sich lediglich um ein Vordach zu den bestehenden Garagenboxen. Dieses Vordach sei unter teilweiser Verwendung von Fertigteilen so errichtet worden, daß es jederzeit kurzfristig mit geringem bautechnischem Aufwand entfernt werden könne. Auf der nördlich angrenzenden Liegenschaft seien eine Umspannanlage und ein Materialdepot errichtet worden, die im wesentlichen an die straßenseitige Grundgrenze heranreichten und einer kurzfristig durchzuführenden Verbreiterung der Straße sicherlich mehr hinderlich wären als das von der Beschwerdeführerin errichtete Vordach. Im übrigen befinde sich an der Grundgrenze der Beschwerdeführerin eine dichte Umzäunung, sodaß das Vordach von der Straßenseite her gar nicht sichtbar sei und keine Beeinträchtigung des äußeren Bildes herbeiführen könne. Es würden nur wenige Quadratmeter des Vorgartens beansprucht, während sich auf der nördlichen Nachbarliegenschaft überhaupt kein Vorgarten befinde, so daß das Vordach keineswegs in eine vorhandene Grünzone hineinrage. Sollte es tatsächlich zu einer Verbreiterung der Straße kommen, würde die Beschwerdeführerin selbstverständlich das Vordach sofort entfernen. Eine Rückfrage bei der zuständigen Straßenbauabteilung werde sicherlich darüber Klarheit schaffen, ob und wann eine Verbreiterung der Straße vorgesehen sei. Aus diesen Darlegungen ergebe sich, daß offenbar kein Anlaß bestehe, für das Vordach eine Genehmigung gemäß § 71 der Bauordnung zu verweigern. Die Beschwerdeführerin beantrage daher, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und das Vordach gemäß § 71 der Bauordnung für Wien zu bewilligen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung als unbegründet ab. Die Baubehörde zweiter Instanz vertrat die Auffassung, die Erteilung einer Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien setze das Vorliegen eines Ausnahmefalles voraus. Erst dann, wenn das Vorliegen eines Ausnahmefalles bejaht werde, sei die Frage zu prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung gegeben seien. In der Berufung würden zwar ausführlich Umstände dargelegt, die nach Meinung der Beschwerdeführerin für das Vorliegen dieser weiteren Bewilligungsvoraussetzung sprächen, doch würden Hinweise auf das Vorliegen eines Ausnahmefalles fehlen. Die diesbezüglichen im Bauansuchen dargelegten Gründe seien nicht geeignet darzutun, daß sich die Situation der Beschwerdeführerin von der anderer Garagenbesitzer in objektiver Hinsicht derart unterscheide, daß von einem Ausnahmefall gesprochen werden könne. In einer ähnlichen Lage befänden sich alle Besitzer von Garagenboxen, die wegen einer im Flächenumwidmungsplan und Bebauungsplan festgesetzten vorderen Baufluchtlinie nicht bis an die Baulinie heranbauen könnten. Wollte man in allen diesen Fällen eine Ausnahmesituation annehmen, dann wäre die Festsetzung von Vorgärten im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ganz allgemein in Frage gestellt. Zur Vermeidung des Vorwurfes einer willkürlichen Vorgangsweise müßte die Baubehörde dann in allen Fällen die Bewilligung für Überdeckungen im Vorgartenbereich erteilen. Dies hätte aber unweigerlich zur Folge, daß das öffentliche Interesse an der Freihaltung der Vorgärten von Baulichkeiten nicht mehr gewahrt werden könnte. Aus dem tatsächlichen Vorhandensein des Vordaches dürfe aber nicht abgeleitet werden, es liege ein Ausnahmefall vor, weil ein solches Ergebnis einer Belohnung rechtswidrigen Verhaltens gleichkomme.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof versucht die Beschwerdeführerin darzutun, daß auf Grund der extremen Lage des Grundstückes, welches extremem Windanfall ausgesetzt sei, in der Vergangenheit die Garagentüre bereits mehrfach durch den Wind aus ihrer Verankerung gerissen und auf die Straße geschleudert worden sei, wobei bisher nur auf Grund glücklicher Umstände keinerlei Personen- oder Sachschaden erfolgt sei. Es müsse darauf hingewiesen werden, daß in der Straße starker Pkw-Verkehr und Schienenverkehr herrsche. Um ein neuerliches Wegreißen der Garagentüre zu verhindern, müßte das Garagentor ständig geschlossen gehalten werden, was jedoch zur Folge hätte, daß die Beschwerdeführerin oder ihre Hausmitbewohner, die die Garage täglich mehrmals frequentieren, unter Beeinträchtigung des Verkehrs und Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer vor dem Einfahren in die Garage oder nach dem Ausfahren aus der Garage jeweils den Pkw anhalten müßten, um die Öffnung oder Schließung des Garagentors vorzunehmen. Durch die an sich einfache Konstruktion des errichteten Vordaches würde die Gefahr des Windandranges so stark reduziert, daß seitdem keinerlei Schäden an der Torkonstruktion verursacht worden seien. Überdies beabsichtige die Beschwerdeführerin zur Erleichterung der Ein- und Ausfahrt den Einbau eines Rolltores im Vordach, so daß in Zukunft jegliche Gefahr von Windschaden ausgeschlossen werden könnte. Aus all diesen Umständen müßte sehr wohl zwingend von einem Ausnahmefall gesprochen werden, der die Erteilung einer Baubewilligung rechtfertigen würde. Keinesfalls könne daher die Meinung der Bauoberbehörde für Wien geteilt werden, daß sich in einer ähnlichen Lage alle Besitzer von Garagenboxen befänden, da sowohl örtliche Höhenlage als auch besondere Verkehrssituationen selten in einer derart ausgeprägten Weise vorlägen. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Nach § 71 der Bauordnung für Wien, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976, kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Im Beschwerdefall ist die Frage strittig, ob die belangte Behörde das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles zu Recht verneint hat. Die Beschwerdeführerin hat behauptet, im Hinblick auf die extreme örtliche Lage des Grundstückes seien die von ihr errichteten Garagenboxen einem extremen Windanfall ausgesetzt, weshalb die Garagentüre mehrmals aus ihrer Verankerung gerissen worden sei, so daß, um ein neuerliches Wegreißen der Garagentüre zu verhindern, das Garagentor ständig geschlossen gehalten werden müßte, was zur Folge hätte, daß die Garagenbenützer unter Beeinträchtigung des Verkehrs und Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer von dem Einfahren in die Garage oder nach dem Ausfahren aus der Garage jeweils den Pkw anhalten müßten, um die Öffnung oder Schließung des Garagentores vorzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß diese Umstände einen begründeten Ausnahmefall im Sinne des § 71 der Bauordnung für Wien für die Verbauung des von jeder Verbauung freizuhaltenden Vorgartens dartun können. Keinesfalls kann im dichtverbauten Gebiet von Wien zu Recht eine so extreme örtliche Lage eines Grundstückes behauptet werden, daß wegen extremen Windanfalles eine Verbauung des Vorgartens gerechtfertigt erscheint. Dies wollte offensichtlich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck bringen, wenn sie ausführte, daß in einer ähnlichen Lage sich alle Besitzer von Garagenboxen befänden. Soweit aber die Beschwerdeführerin darauf verwiesen hat, daß eine bestehende Garagentüre aus ihrer Verankerung gerissen worden sei, kann diesem Übel auch auf andere Weise als durch eine Verbauung des Vorgartens und sohin der vor dieser Garagentür befindlichen Freiräume begegnet werden, sei es, daß überhaupt eine andere Konstruktion gewählt wird, sei es, daß eine sich automatisch öffnende und schließende technische Einrichtung gewählt wird, wenn schon tatsächlich, wie erstmals in der Beschwerde behauptet wurde, die vorübergehende Abstellung eines zu- oder abfahrenden Pkws im Vorgartenbereich im Hinblick auf die derzeitige Art des Garagentores nicht möglich sein sollte. Die belangte Behörde hat jedenfalls keine Rechtsverletzung begangen, wenn sie in dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keinen begründeten Ausnahmefall im Sinne des § 71 der Bauordnung für Wien erblickte. Vielmehr läßt schon der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, so daß die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen war.

Bei dieser Situation erübrigte sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauO Wr §71 idF 1976/018;
BauRallg impl;
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1984:1984050088.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-61039