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VwGH 01.10.1985, 84/04/0155

VwGH 01.10.1985, 84/04/0155

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §59 Abs1;
GewO 1973 §74;
RS 1
Die Erledigung EINES Ansuchens um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage in der Form, dass zunächst die "Gesamtanlage" unter Ausschluss der "Einzelanlageteile" mit gesondertem Bescheid und sodann die "Einzelanlageteile" wieder in zwei getrennten Bescheiden genehmigt werden, ist rechtswidrig.
Norm
GewO 1973 §74 Abs2;
RS 2
Gegenstand der Prüfung durch die Gewerbebehörde im Verfahren nach den §§ 74 GewO 1973 sind nicht einzelne Maschinen und Geräte oder beim Betrieb vorkommende Tätigkeiten, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. (Hinweis auf E vom , Budw. 7694 A) Nur durch eine solche Gesamtbetrachtung kann das gegenseitige Ineinanderwirken der einzelnen Anlagenteile in ihren Auswirkungen auf die Umwelt umfassend beurteilt und damit der vom Gesetz angestrebte umfassende Nachbarschaftsschutz bewirkt werden.
Norm
GewO 1973 §74 Abs2;
RS 3
Es ist unzulässig, in einer Art Grundsatzentscheidung dem Grunde nach die Zulässigkeit einer nur der Type nach bestimmte Betriebsanlage an dem in Frage kommenden Standort zu genehmigen.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

84/04/0157

84/04/0167

84/04/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Berger, über die Beschwerde 1) des Dipl. Ing. FK in J, 2) des Ing. SK in A, 3) der EP in P, 4) des GZ in P, 5) der AZ in P, 6) des Ing. HE in J und 7) der KE in J, alle vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, Herrengasse 18, gegen den Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom , Zl. 305.925/1-III-3/84, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Z Aktiengesellschaft in P, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 15/II), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid, welcher in seinem Spruchteil II als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem Spruchteil I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Dipl. Ing. FK und Ing. SK

Aufwendungen in der Höhe von S 9.990,--, der Beschwerdeführerin EP

Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,--, den Beschwerdeführern GZ und AZ Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,-- und den Beschwerdeführern Ing. HE und KE Aufwendungen in der Höhe von S 9.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom beantragte die mitbeteiligte Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung der neuen Sulfatanlage in P, welche aus folgenden wesentlichen Einrichtungen bestehe:

"a) Faserlinie, bestehend aus Kocherei, Vorsortierung, Sauerstoffbleiche, Druckdifuseurwäsche, Verdrängungsbleiche, Nachsortierung mit anschließender Zellstofftrocknung und Verpackung

b)

Eindampfanlage

c)

Kraftblock, beinhaltend den Sodakessel, die Dampfturbinenanlage mit Transformatoren und Schaltanlagen, Kompressoranlage

d)

Zentralwartengebäude zwischen Faserlinie und Kraftblock

e)

Kaustifizierung und Kalk- Schlammregenerierung

f)

Bleich-Chemikalienstation

g)

Geruchsentsorgung."

Mit Bescheid vom erteilte die Bezirkshauptmannschaft Judenburg der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 77 bis 81 in Verbindung mit § 359 Abs. 1 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes und den §§ 49 und 50 Forstgesetz 1975 die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung der Sulfatzellstoffabriksanlage in P, bestehend aus Faserlinie, Laugenlinie, Zusatzanlagen (Bleichchemikalienanlagen, Zusatzchemikalienaufbereitung, kraft- und elektrotechnische Anlagen und Geruchsentsorgungsanlagen) im Sinne des verfahrenstechnischen Befundes auf den näher bezeichneten Grundstücken "nach Maßgabe der Projektunterlagen, der im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Judenburg erstellten Umweltverträglichkeitsprüfung der Sulfatzellstoffanlage P durch das Institut für Umwelthygiene der Universität Wien" unter Vorschreibung einer Vielzahl von Auflagen. Gleichzeitig sprach die Bezirkshauptmannschaft Judenburg jedoch aus, daß "die

Einzelanlagenteile dieser Sulfatzellstoffanlage ... noch einer

gewerbebehördlichen Genehmigung zuzuführen" sind. Im Rahmen der in den Spruch dieses Bescheides aufgenommenen Betriebsbeschreibung führt die belangte Behörde hiezu aus, daß die einzelnen Anlagenteile der Sulfatzellstoffabriksanlage infolge ihres großen Umfanges nur in gesonderten gewerbebehördlichen Genehmigungsverhandlungen "abgeführt" werden könnten. Gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 wurde die Betriebsbewilligung vorbehalten und ein Probebetrieb von 2 Jahren zugelassen.

Mit Schriftsatz vom  legte die mitbeteiligte Partei der Bezirkshauptmannschaft Judenburg "unter Bezugnahme auf

den ... erlassenen Bescheid vom ... die auf den neuesten

Stand gebrachten und ergänzten Einreichunterlagen für den Teilbereich Faserlinie, bestehend aus Kocherei, Vorsortierung, MC-Sauerstoffbleiche mit Druckdifuseuren, 5-Stufen-Verdrängungsbleicherei, Nachsortierung, Entwässerung, Trocknung und Verpackung" vor. Darüber erging der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom , womit der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 77 bis 81 in Verbindung mit § 389 Abs. 1 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes und den §§ 49 und 50 Forstgesetz 1975 "unter Zugrundelegung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom " die gewerbebehördliche Genehmigung für den Teilbereich Faserlinie, bestehend aus Kocherei, Vorsortierung, MC-Sauerstoffbleiche mit Druckdifuseuren, 5-Stufen-Verdrängungsbleicherei, Nachsortierung, Entwässerung, Trocknung und Verpackung in der neuen Sulfatzellstoffanlage in P auf den näher bezeichneten Grundstücken unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt wurde. Gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 wurde die Betriebsbewilligung vorbehalten und ein Probebetrieb von 2 Jahren zugelassen.

Mit Schriftsatz vom  legte die mitbeteiligte Partei der Bezirkshauptmannschaft Judenburg "unter Bezugnahme auf

den ... erlassenen Bescheid vom ... die auf den neuesten

Stand gebrachten und ergänzten Einreichunterlagen über den Teilbereich Laugenlinie, bestehend aus Eindampfanlage, Laugenkessel, Kaustifizierung und Kalkofen; den Teilbereich Zusatzanlagen, bestehend aus Bleichchemikalienaufbereitung, Turbinenanlage und Kraftzentrale, Rohwasseraufbereitung, Kühlturmstation, Abwasserreinigung, Speisewasser- und Druckluftstation, Geruchsgasentsorgung, Mess- und Regeltechnik und Elektrik" vor. Darüber erging der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom , mit dem der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 71 bis 81 in Verbindung mit § 389 Abs. 1 GewO 1973, im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes und den §§ 49 und 50 Forstgesetz 1975 "unter Zugrundelegung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom " die gewerbebehördliche Genehmigung für den Teilbereich Laugenlinie (bestehend aus Eindampfanlage, Laugenkessel, Kaustifizierung und Kalkofen) und den Teilbereich Zusatzanlagen (bestehend aus Bleichchemikalienaufbereitung, Turbinenanlage und Kraftzentrale, Rohwasseraufbereitung, Kühlturmstation, Abwasserreinigung, Speisewasser- und Druckluftstation, Geruchsgasentsorgung, Mess- und Regeltechnik und Elektrik) in der neuen Sulfatzellstoffanlage in P auf den näher bezeichneten Grundstücken unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt wurde. Gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 wurde die Betriebsbewilligung vorbehalten und ein Probebetrieb von 2 Jahren zugelassen.

Gegen die angeführten drei Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Judenburg erhoben neben anderen Verfahrensbeteiligten auch die Beschwerdeführer Berufungen, denen der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom teilweise Folge gab und die angefochtenen Bescheide insoweit abänderte, daß zum Bescheid vom zusätzliche Auflagen vorgeschrieben und hinsichtlich aller angefochtenen Bescheide die von der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vorgeschriebenen Auflagen teilweise abgeändert und ergänzt wurden. Gleichzeitig wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 allenfalls eingebrachten Berufungen gegen diese Entscheidungen die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer neben anderen Verfahrensbeteiligten wiederum Berufung.

Mit Bescheid vom gab der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie den Berufungen gegen die Sachentscheidung keine Folge (Spruchteil I). Den Berufungen gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde dagegen Folge gegeben und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufungen behoben (Spruchteil II). Begründend führte der Bundesminister aus, die Gewerbebehörde erster Instanz sei auf Grund eines ordnungsgemäß und erschöpfend durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere gestützt auf das Ergebnis der von der Bezirkshauptmannschaft Judenburg in Auftrag gegebenen Umweltverträglichkeitsprüfung der Sulfatzellstoffanlage P vom Jänner 1983 und auf die schlüssigen Gutachten der beigezogenen Sachverständigen aller erforderlichen Fachrichtungen zu der Auffassung gelangt, daß bei konsensgemäßer Errichtung der beantragten Anlage, insbesondere bei Erfüllung bzw. Einhaltung der im wesentlichen dem Nachbarschaftsschutz dienenden Auflagen, eine Gefährdung der Nachbarn ausgeschlossen und eine Belästigung der Nachbarn auf ein zumutbares Maß beschränkt werde. Dies vor allem auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich nach dem Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung die SO2-Belastung durch die neue Sulfatzellstoffanlage gegenüber der derzeitigen SO2- Belastung durch die alte Papiererzeugung (Ist-Situation) deutlich verbessern werde. Des weiteren ergebe sich aus der Umweltverträglichkeitsprüfung, daß das eingereichte Projekt hinsichtlich der Technologie für die Zellstofferzeugung, insbesondere hinsichtlich der vorgeschriebenen Geruchsentsorgung, dem Stand der Technik entspreche. Der von der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vorgeschriebene Probebetrieb für die Dauer von zwei Jahren sei erforderlich, um die Anlage genauest einstellen zu können und um Erfahrungen mit der Anlage zu gewinnen. Im Betriebsbewilligungsverfahren könnten noch zusätzliche Forderungen, welche im Rahmen des Probebetriebes für notwendig erachtet würden, gestellt werden. Zum weiteren Schutz der Nachbarn sei bedungen, daß der Probebetrieb mit einfacher Anordnung der Genehmigungsbehörde untersagt werden könne, wenn Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft dies erforderlich machten.

Diese Ansicht der Vorinstanzen werde auch von der belangten Behörde geteilt. Die von den Vorinstanzen eingeholten Gutachten seien schlüssig und widersprächen nicht den Denkgesetzen. Sei aber bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen eine Gefährdung ausgeschlossen und werde eine Belästigung der Nachbarn durch Lärm, Geruch und Staub auf ein zumutbares Maß beschränkt, so bestehe ein Rechtsanspruch der Konsenswerberin auf die Genehmigung der Betriebsanlage. Daß die erlassenen Auflagen technisch nicht durchführbar seien, hätten die Berufungswerber gar nicht behauptet. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, die vorliegenden Gutachten durch die Beibringung von auf gleicher fachlicher Ebene stehenden Privatgutachten zu entkräften. Die bloße Behauptung, daß Gutachten unrichtig seien, reiche jedenfalls nicht aus, um Gutachten zu entkräften. Die Dauer des Probebetriebes sei in der Umweltverträglichkeitsprüfung begründet, aus welcher hervorgehe, daß der Zeitraum von zwei Jahren erforderlich sei, um die Anlage genauest einstellen zu können und allfällige Störfälle hintanzuhalten. Die Durchführung weiterer Ermittlungen bzw. die Einholung neuer Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, da die vorliegenden Gutachten, die auch durch die Berufungsausführungen in ihrer Gesamtheit nicht entkräftet werden könnten, vollkommen ausreichend seien, um eine Entscheidung in der Sache treffen zu können. Im übrigen wäre die Durchführung weiterer Ermittlungen im Interesse der Raschheit, Einfachheit und Zweckmäßigkeit eines Verfahrens auch gar nicht gerechtfertigt gewesen. Mit der Zumutbarkeit der geplanten Anlage unter Berücksichtigung der Widmung der Liegenschaften habe sich bereits die Umweltverträglichkeitsprüfung in eingehender Weise auseinandergesetzt, dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die gegenständliche Sulfatzellstoffanlage die alte in Betrieb befindliche Zellstofferzeugungsanlage der Papierfabrik P ersetze und somit die örtlichen Verhältnisse wesentlich von der bestehenden Anlage, welche nach Inbetriebnahme der neuen Anlage stillgelegt werde, bestimmt würden und sich eben aus der Umweltverträglichkeitsprüfung ergebe, daß es nach Inbetriebnahme zu einer deutlichen Verbesserung der bisherigen SO2-Belastung (Reduzierung etwa auf die Hälfte der bisherigen SO2-Belastung) kommen werde. Es stehe außer Zweifel, daß diese Verbesserungen der SO2-Belastung auch im Interesse der betroffenen Region unbedingt erforderlich seien und somit auch im Interesse der Berufungswerber liegen. Es werde die Aufgabe der Bezirkshauptmannschaft Judenburg sein, die Erfüllung bzw. Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen, insbesondere während der Zeit des Probebetriebes, genauestens zu überwachen. (Es folgen sodann Ausführungen zu der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht bedeutsamen Frage der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufungen.)

Gegen diesen Bescheid, und zwar - nach ihrem Inhalt - nur gegen dessen Spruchteil I, richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und - nach dem gesamten Beschwerdevorbringen - auch Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich nach ihrem gesamten Vorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem in den §§ 74 bis 84 GewO 1973 normierten Recht auf Nachbarschutz verletzt.

In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringen die Beschwerden unter anderem vor, das Verwaltungsverfahren sei in unzulässiger Weise in verschiedene Teilabschnitte zergliedert worden. Wesentlich wäre die Beurteilung der gesamten Anlage, da nur auf diese Art der Umfang und die Art der Emissionen festgestellt hätte werden können und durch die maschinentechnische Prüfung festzustellen gewesen wäre, in welchem Ausmaß eine Kontrolle der Emissionen möglich ist, um unzulässige Immissionsbeeinträchtigungen im Bereiche der Nachbarn zu vermeiden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften und beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, wegen des sachlichen Zusammenhanges die Beschwerden gemeinsam zu behandeln.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG 1950 hat der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in der Regel zur Gänze zu erledigen. Nur wenn der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zuläßt, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 243/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Gemäß § 77 leg. cit. ist die Betriebsanlage erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen zu genehmigen, wenn überhaupt oder bei Einhaltung der Auflagen zu erwarten ist, daß eine Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 ausgeschlossen ist und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Unter der Betriebsanlage im Sinne dieser Bestimmungen ist - wie sich schon aus dem gesetzlichen Erfordernis ergibt, wonach im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Genehmigung "unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen" erteilt werden kann -, die (projektierte) Betriebsanlagen in allen ihren - aus den Antragsbelegen (vgl. § 353) ersichtlichen - Einzelheiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 3150/78) zu verstehen.

Gegenstand der Prüfung durch die Gewerbebehörde im Verfahren nach den §§ 74 ff GewO 1973 sind daher nicht einzelne Maschinen und Geräte oder beim Betrieb vorkommende Tätigkeiten, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Budw. 7694/A (1910).

Nur durch eine solche Gesamtbetrachtung kann das gegenseitige Ineinanderwirken der einzelnen Anlagenteile in ihren Auswirkungen auf die Umwelt umfassend beurteilt und damit der vom Gesetz angestrebte umfassende Nachbarsschutz bewirkt werden. Diese Zielrichtung des Gesetzes erhellt insbesondere aus der Bestimmung des § 81 letzter Satz GewO 1973, wonach die Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen hat, soweit sich die Änderung auf sie auswirkt. Im Falle der Änderung einer Betriebsanlage ist somit nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzes immer die Gesamtanlage (soweit sie von der Änderung berührt wird) Gegenstand des Prüfungsverfahrens.

Die von der Behörde im vorliegenden Fall gewählte Vorgangsweise, zunächst die "Gesamtanlage" (?) unter Ausschluß der "Einzelanlageteile" mit gesondertem Bescheid zu genehmigen und sodann die "Einzelanlageteile" wiederum in zwei Gruppen zu teilen, getrennt einem Genehmigungsverfahren nach §§ 74 ff GewO zu unterziehen und sie sodann wieder in getrennten Bescheiden zu genehmigen, findet daher schon aus diesen Gründen im Gesetz keine Deckung. Dazu kommt noch, daß durch diese Vorgangsweise völlig unklar bleibt, was nun tatsächlich mit dem die "Gesamtanlage" betreffenden Bescheid vom genehmigt wurde. Sollte die Behörde damit beabsichtigt haben, in einer Art Grundsatzentscheidung dem Grunde nach die Zulässigkeit einer nur der Type nach bestimmten "Sulfatzellstoffabriksanlage" an dem fraglichen Standort zu genehmigen, so kann der Verwaltungsgerichtshof für eine solche Vorgangsweise eine gesetzliche Grundlage nicht erkennen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Damit war es entbehrlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243. Das Schriftsatzaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der im Gesetz hiefür vorgesehene Ersatz ein pauschalierter ist, welcher von der Zahl der eingebrachten Schriftsätze unabhängig ist. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Höhe der Eingabengebühr vom Umfang der Eingabe unabhängig ist und die zusätzlich zur Beschwerde nachträglich eingebrachten Schriftsätze zur Rechtsverwirklichung nicht notwendig waren. Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §59 Abs1;
GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §74;
Sammlungsnummer
VwSlg 11888 A/1985
Schlagworte
Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1985:1984040155.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-61007