VwGH 26.06.1984, 83/14/0252
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
83/14/0253
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der VB in Z, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Franz Wallentin in Zell am Ziller, Gerlosstraße 4 b, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 40.109-4/83, betreffend Zwangsstrafe, und vom , Zl. 40.250-4/82, betreffend Jahresausgleich für 1981, zu Recht erkannt:
Spruch
1) Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2) Der Bund hat der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Vertreters zur Verfahrenshilfe Aufwendungen in der Höhe von
S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
3) Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.
4) Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Da die Beschwerdeführerin 1980 von zwei Sozialversicherungsträgern je eine Pension bezog, wurde sie vom Finanzamt mittels Zusendung des betreffenden amtlichen Vordruckes zur Abgabe der Erklärung zur Durchführung des amtswegigen Jahresausgleiches sowie gleichzeitig darum ersucht, "diesen Vordruck vollständig auszufüllen und zu unterschreiben, die Lohnsteuerbescheinigungen bzw. die Bestätigungen über die Zeit der Nichtbeschäftigung (umseitig) einzuholen und Ihre Erklärung bis
längstens an das ... Finanzamt zu senden". Die
Beschwerdeführerin sandte das Erklärungsformular unausgefüllt dem Finanzamt zurück und fragte gleichzeitig an, "ab welcher Höhe der Jahresbezüge" sie "verpflichtet" sei, "einen Jahresausgleich zu beantragen". Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin "nochmals" auf, "die Jahreslohnzettel 80 von allen Ihren Bezügen bis spätestens " zu übermitteln. Darauf teilte die Beschwerdeführerin im Schreiben vom mit, daß ihre "Einkünfte im Jahr 1980 die S 100.000,-- Grenze nicht erreicht haben". Es erübrige sich daher ein amtswegiger Jahresausgleich. Mit forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin neuerlich auf, "einen Jahreslohnzettel 1980 zur 1. und 2. LSt.-Karte" vorzulegen und zwar bis längestens . Für den Fall der Nichterfüllung dieses Ersuchens wurde gleichzeitig die Festsetzung einer Zwangsstrafe von S 1.000,-- angedroht. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die angedrohte Zwangsstrafe fest. In der dagegen erhobenen Berufung vom verwies die Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen, die Grenze für die Durchführung eines amtswegigen Jahresausgleiches sei nicht erreicht, das habe sie dem Finanzamt bereits mitgeteilt. Das Finanzamt möge auf seine Kosten "einen Lohnzettel" anfordern, die Einkünfte der Beschwerdeführerin lägen unter dem Existenzminimum. Dem Berufungsschriftsatz waren allerdings die beiden umstrittenen Lohnsteuerbescheinigungen-Lohnzettel für 1980 mit dem Nachsatz angeschlossen, die Beschwerdeführerin habe "sie heute erhalten". In dem Schriftsatz, den die Beschwerdeführerin auf Grund einer abweisenden Berufungsvorentscheidung an die belangte Behörde richtete, führte sie aus, es hätte genügen müssen, daß die Beschwerdeführerin verbindlich erklärt habe, sie "liege unter S 100.000,--". Im Zweifelsfall hätte die Behörde die Möglichkeit gehabt, bei den ihr bekannten bezugsauszahlenden Stellen Erhebungen zu pflegen. In eventu bekämpfte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihr Einkommen auch die Festsetzung der Zwangsstrafe der Höhe nach.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Unter Bezugnahme auf § 111 BAO und § 72 Abs. 3 und Abs. 4 EStG 1972 begründete die belangte Behörde den Bescheid im wesentlichen damit, die Berufung könnte nur erfolgreich sein, wenn die geforderte Leistung auch durch einen Dritten hätte erbracht werden können, oder wenn das Finanzamt Anordnungen getroffen hätte, zu denen die gesetzliche Befugnis gefehlt hätte. Zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines amtswegigen Jahresausgleiches gegeben seien, werde vom Arbeitnehmer eine ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung unter Beischluß der Lohnzettel verlangt. Eine ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung unter Beischluß letzterer gebe dem Finanzamt Auskunft, ob auf Grund der Höhe der Einkünfte ein amtswegiger Jahresausgleich durchzuführen sei und auch darüber, ob allenfalls der Jahresausgleich zu unterbleiben habe, weil der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt werde. Da die Beschwerdeführerin trotz Belehrung das Erklärungsformular nicht unterfertigt dem Finanzamt zurückgesandt habe, hätten die genannten Voraussetzungen nicht überprüft werden können. Der Einwand der Beschwerdeführerin über die Kosten versage in Anbetracht der Erklärung, weil auch eine unterfertigte Erklärung kein höheres Porto ausgelöst hätte. Auch die durch die Anforderung der Lohnzettel erwachsenden Portospesen wären durchaus zumutbar (S 8,--). Mit den Angaben, die Einkünfte der Beschwerdeführerin hätten die Höhe von S 100.000,-- nicht erreicht, hätte sich das Finanzamt nicht zufriedengeben können, weil gemäß § 72 EStG 1972 das Wohnsitzfinanzamt verpflichtet sei, bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen den Jahresausgleich von Amts wegen durchzuführen. Dieser Verpflichtung gehe aber zwangsläufig eine entsprechende Sachverhaltsermittlung voraus. Ungeprüfte Angaben, die zudem noch unvollständig seien, könnten nicht als ausreichend angesehen werden.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid ab, mit dem der Jahresausgleich für 1981 durchgeführt worden war. Die Beschwerdeführerin hatte im Berufungsverfahren behauptet, das Ergebnis der vom Finanzamt durchgeführten Berechnung sei unrichtig, weil der Alleinverdienerabsetzbetrag bzw. der Alleinerhalterabsetzbetrag nicht gewährt worden sei; außerdem hatte die Beschwerdeführerin bemängelt, daß ihr der Freibetrag von S 8.500,-- für sonstige, insbesondere einmalige Bezüge nicht zur Gänze gewährt worden sei. Die Pension des Sozialversicherungsträgers, bei dem sich die Erste Lohnsteuerkarte befunden hätte, habe sonstige Bezüge in einem niedrigeren Betrag als S 8.500,-- enthalten, von den beiden anderen bezugsauszahlenden Stellen sei der Freibetrag überhaupt nicht berücksichtigt worden.
Dem hielt die belangte Behörde in der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides unter Berufung auf die in Betracht kommenden Vorschriften des § 67 Abs. 1, § 68 Abs. 1, § 69 und § 73 EStG 1972 entgegen, daß das Ergebnis des Jahresausgleiches durch die sonstigen Bezüge nicht beeinflußt werde, selbst wenn "während des Kalenderjahres bei der Besteuerung der sonstigen Bezüge die Lohnsteuer unrichtig berechnet worden wäre". Den Alleinerhalterabsetzbetrag könne die Beschwerdeführerin nicht begehren, weil dieser erst ab 1982 gesetzlich eingeführt worden sei. Der Alleinverdienerabsetzbetrag hingegen stehe alleinstehenden - auch verwitweten - Personen nicht zu.
Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom , B 374/83, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde samt der dazu im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Ergänzung erwogen:
1. Zwangsstrafe:
§ 83 EStG 1972 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Lohnsteuerbescheinigung auszustellen. § 84 leg. cit. ordnet an, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer oder dem Finanzamt über besondere Aufforderung für Zwecke der Einkommensteuerveranlagung, eines Jahresausgleiches oder einer Nachversteuerung von Sonderausgaben einen Lohnzettel nach dem Vordruck ausgefüllt zu übergeben hat.
§ 72 Abs. 3 EStG 1972 regelt, unter welchen Voraussetzungen das Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers einen Jahresausgleich von Amts wegen vorzunehmen hat. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Arbeitnehmer verpflichtet ist, zur Durchführung des amtswegigen Jahresausgleiches die vom Finanzamt abverlangte Erklärung abzugeben.
§ 111 Abs. 1 BAO ermächtigt die Abgabenbehörden, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin den Vordruck betreffend die Erklärung zur Durchführung des Jahresausgleiches, ohne ihn ausgefüllt zu haben und nicht unterfertigt, dem Finanzamt zurückgesendet. Die belangte Behörde hat die Festsetzung einer Zwangsstrafe durch die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber der Beschwerdeführerin mit Berufungsentscheidung (= erstangefochtener Bescheid) in Wahrheit nicht aus diesem Grund bestätigt, sondern deswegen, weil die Beschwerdeführerin die Lohnsteuerbescheinigungen bzw. Lohnzettel nicht vorgelegt hat.
Nach dem Inhalt der weiter oben wiedergegebenen §§ 83 und 84 EStG 1972 ist eindeutig, daß die Arbeitgeber (die bezugsauszahlenden Stellen) nicht nur in der Lage, sondern verpflichtet sind, Lohnsteuerbescheinigungen bzw. Lohnzettel dem Finanzamt zu übermitteln. Es handelte sich daher im Sinne des zitierten § 111 Abs. 1 BAO um "Leistungen", die "durch einen Dritten bewerkstelligt" werden konnten. Daraus aber folgt, daß die belangte Behörde die Berufung in Verkennung der Rechtslage abgewiesen hat.
Der erstangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2. Alleinverdienerabsetzbetrag und Freibetrag gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1972:
Die Beschwerdeführerin behauptet in der Ergänzung zur Beschwerde für das verwaltungsgerichtliche Verfahren, der zweitangefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Alleinverdienerabsetzbetrag bzw. den Alleinerhalterabsetzbetrag nicht zuerkannt habe. Näher begründet ist diese Behauptung nicht.
Was zunächst den Alleinerhalterabsetzbetrag anlangt, so ist darauf zu verweisen, daß dieser in das Einkommensteuergesetz 1972 erst durch das Abgabenänderungsgesetz 1981, BGBl. Nr. 620, eingefügt wurde (Ergänzung jeweils des § 33 Abs. 4 und des § 57 Abs. 2). Diese Neuregelung gilt jedoch gemäß der eben genannten Vorschrift erst ab der Veranlagung für 1982, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden, bzw. für den Jahresausgleich 1982. Im Beschwerdefall konnte sie somit nicht angewendet werden.
Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht gemäß § 57 Abs. 2 EStG 1972 jedem verheirateten Arbeitnehmer zu, wenn der von ihm nicht dauernd getrennt lebende unbeschränkte steuerpflichtige Ehegatte entweder keine Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 leg. cit. oder solche Einkünfte von insgesamt nicht mehr als S 10.000,-- jährlich erzielt. Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde ist die Beschwerdeführerin alleinstehend (verwitwet). Bei dieser Sachlage bedarf es angesichts des eindeutigen Gesetzesinhaltes keiner weiteren Begründung, daß die Voraussetzungen auch für den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht vorlagen.
Was schließlich die nur teilweise Berücksichtigung des Freibetrages von S 8.500,-- (§ 67 Abs. 1 EStG 1972) beim Lohnsteuerabzug angeht, so hat der Verwaltungsgerichtshof erst vor kurzem im Erkenntnis vom , Zl. 83/14/0088, ausgesprochen und begründet, daß eine Korrektur der Besteuerung sonstiger Bezüge - soweit sie nicht in den Jahresausgleich einzubeziehen sind - im Wege des Jahresausgleiches nicht erfolgen kann. Auch das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erweist sich somit als unbegründet.
Insgesamt leidet der zweitangefochtene Bescheid nicht an den von der Beschwerdeführerin behaupteten Mängeln. Die Beschwerde gegen ihn war daher gemäß § 42 Abs. 1. VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Der von der Beschwerdeführerin begehrte Ersatz an Umsatzsteuer war nicht zuzusprechen, da dieser Aufwand durch den pauschalen Schriftsatzaufwand bereits abgegolten ist.
Wien, am
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Normen | BAO §111 Abs1; EStG 1972 §33 Abs4 idF 1979/550; EStG 1972 §57 Abs2 idF 1979/550; EStG 1972 §67 Abs1 idF 1978/571; EStG 1972 §72 Abs3 idF 1980/563; EStG 1972 §83; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1984:1983140252.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-60801