VwGH 14.02.1984, 83/07/0135
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Ausführungen zur Frage des Verschuldens und der Eignung der geltend gemachten neuen Beweismittel, allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeizuführen. |
Normen | WRG 1934 §27 Abs1 lita; WRG 1934 §27 Abs1 litg; WRG 1959 §22; WRG 1959 §27; WRG 1959 §29; |
RS 2 | Ein Verzicht auf ein Wasserbenutzungsrecht gemäß § 27 Abs 1 lit a WRG ist dann rechtsunwirksam, wenn das Wasserrechtnachweislich bereits mehr als drei Jahre vor dem Eigentumserwerb des Verzichtenden gemäß § 27 Abs 1 lit g WRG 1959 erloschen ist (Hinweis E , 1257/72, E11.11.1980, 0978/80, VwSlg 10289 A/1980). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde des Dipl. Ing. E E in W, vertreten durch Dr. Karl Böck und Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwälte in Wien III, Invalidenstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Z1. III/1-19.954/7-33, betreffend Wiederaufnahme eines wasserrechtlichen Verfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Unter PZ. 347 des Wasserbuches der Bezirkshauptmannschaft N war das Wasserrecht für eine Wasserkraftanlage zur Erzeugung elektrischer Energie, verbunden mit den Bauparzellen Nr. 72 und Nr. 200, KG. P, eingetragen, zu welchem die unter PZ. 709 eingetragene, auch zwei weiteren Wasserrechten dienende Stauanlage gehörte. Eigentümer der beiden genannten Bauparzellen war früher die Fa. W in P, von welcher sie der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers, E M, bereits vor der für den Beschwerdefall bedeutsamen Zeit erworben hatte. Wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, hat der Beschwerdeführer diese beiden Bauparzellen von E M im Zuge einer exekutiven Versteigerung am erworben.
Bereits im Jahre 1974 hatte die Bezirkshauptmannschaft festgestellt, daß sich die Wasserkraftanlage nicht in konsensgemäßem Zustand befinde, weshalb es zwecks Überprüfung dieser Anlage am zu einer Verhandlung und am zu einem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft kam, mit welchem E M gemäß § 50 WRG die Durchführung verschiedener Maßnahmen aufgetragen wurde; ein Auftrag zur Wiederaufnahme des Betriebes gemäß § 27 Abs. 3 WRG wurde mit diesem Bescheid aber nicht ausgesprochen. Da es in der Folge nicht zur tatsächlichen Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen kam, führte die Bezirkshauptmannschaft ein Verfahren zur allfälligen Feststellung des Erlöschens der Wasserbenutzungsrechte PZ. 347 und PZ. 709 durch, an welchem sich E M jedoch trotz behördlicher Aufforderung nicht beteiligte. In der im Zuge dieses Verfahrens am an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung wurde u.a. festgestellt, daß sich der in der Verhandlungsschrift vom festgestellte Zustand noch weiter verschlechtert habe und daß die "genauen Erhebungen über den Betrieb M" ergeben hätten, "daß die Wasserkraftanlage M bis ca. Juni 1973 betriebsfähig war". In dieser Verhandlung wurden vom Amtssachverständigen auch jene Maßnahmen angeführt, die bei Löschung der Wasserrechte von den Wasserberechtigten zu treffen sein würden. In einer weiteren Verhandlung am wurde ausdrücklich festgestellt, daß die Sanierungsmaßnahmen der Verhandlungsschrift vom nicht durchgeführt worden seien, daß daher dem Wasserberechtigten an der PZ. 347 (der zur Verhandlung nicht erschienen war) nunmehr ein Auftrag zur ordnungsgemäßen Wiederinbetriebnahme der Anlage und zur Instandsetzung gemäß § 27 Abs. 3 WRG zu erteilen sein werde.
In dieses Verfahren wurde der Beschwerdeführer als Erwerber der Grundstücke und der damit verbundenen Wasserbenutzungsrechte erstmals durch eine Anfrage der Bezirkshauptmannschaft vom (zugestellt am ) einbezogen. Darin wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bekanntzugeben, ob er auf das gegenständliche Wasserrecht verzichte oder ob er die Anlage gemäß dem seinerzeitigen Instandsetzungsauftrag instandsetzen wolle; sollte keine Stellungnahme einlangen, würde sein Verzicht angenommen werden. Mit seiner Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer sodann, "da er auf einen Weiterbetrieb dieser Wasserkraftanlage keinen Wert legt", das hiefür vorgesehene Verfahren einzuleiten. Hierauf kam es im Beisein des Beschwerdeführers und seines damaligen Rechtsanwaltes am zu einer weiteren wasserrechtlichen Verhandlung zur "Klärung der Frage, ob das Wasserrecht PZ. 347 gelöscht werden kann bzw. welche erforderlichen Auflagen von den Wasserberechtigten anläßlich der Löschung durchzuführen sind". In dieser Verhandlung wurden ausgehend davon, daß auch der Beschwerdeführer mit der Löschung des Wasserrechtes einverstanden sei, die erforderlichen Löschungsmaßnahmen erörtert und niederschriftlich festgehalten.
Mit Bescheid vom stellte die Bezirkshauptmannschaft auf Grund der durchgeführten Verhandlungen fest, daß u.a. die Wasserbenutzungsrechte PZ. 347 und PZ. 709 gemäß § 27 Abs. 1 lit. a WRG erloschen seien. Gleichzeitig wurde den abtretenden Wasserberechtigten gemäß § 29 Abs. 1 WRG aufgetragen, die in der Verhandlungsniederschrift vom aufgetragenen Löschungsmaßnahmen duchzuführen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
In der Folge kam es jedoch nicht zur Erstellung des zur Durchführung der Erlöschensvorkehrungen erforderlichen Projektes. Vielmehr vertrat der Beschwerdeführer erstmals in einer Eingabe vom die Auffassung, das strittige Wasserbenutzungsrecht sei bereits vor seinem Erwerb am gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG kraft Gesetzes erloschen gewesen, weshalb die letztmaligen Vorkehrungen nicht vom Beschwerdeführer zu treffen seien. Diese Auffassung hielt der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom aufrecht, in welchem er unter Berufung auf vier Zeugen, von deren Beobachtungen in dieser Sache er erst anläßlich eines Gespräches am Kenntnis erlangt habe, vorbrachte, daß die zur Wasserbenutzung erforderlichen Anlagen bereits am Ende des Jahres 1972 betriebsunfähig gewesen seien, und daß deswegen auch der Betrieb durch seinen Rechtsvorgänger M eingestellt und nicht mehr aufgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer habe daher entgegen der Annahme der Behörde im wiederaufzunehmenden Verfahren das Wasserbenutzungsrecht gar nicht mehr erwerben und folglich darauf auch nicht mehr gültig verzichten können. Diese Umstände habe der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden im Verfahren noch nicht geltend machen können.
Diesen Wiederaufnahmsantrag wies die Bezirkshauptmannschaft mit ihrem Bescheid vom ohne Anhörung der vom Beschwerdeführer genannten Zeugen mit der Begründung ab, daß es dem Beschwerdeführer zum Verschulden zurechnen sei, wenn er die Zeugen erst jetzt nenne. Beim Kauf einer Liegenschaft, auf der Wasserrechte ruhten, sei es nämlich eine zwingende Notwendigkeit, vor dem Erwerb zu prüfen, ob diese Rechte aufrecht seien, ob sie ausgeübt würden und wie der Zustand der zur Wasserbenutzung notwendigen Vorrichtungen sei. Diese Prüfung umfasse sicher auch bei einer allfälligen Nichtausübung den Zeitpunkt des Stillstandes bzw. den technischen Zustand der Anlagen, da damit gegebenenfalls schwerwiegende Rechtsfolgen im Sinne des § 29 WRG verbunden sein könnten. Diese Prüfung habe der Beschwerdeführer schuldhaft unterlassen, sodaß er sie nun nicht mehr im Wege eines auf § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 gestützten Antrages nachholen könne.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde ein, welche vorerst die Einvernahme des vom Beschwerdeführer genannten Zeugen K G durchführte. Dieser Zeuge sagte u.a. aus, daß er Ende 1972 im Betriebsgelände der Fa. M in P gewesen sei. Damals seien die Betriebsräume verschlossen und offensichtlich nicht mehr in Benützung gewesen. Die Wasserkraftanlage habe er damals nicht besichtigt, doch habe die Wehranlage auf ihn einen desolaten und unbenützten Eindruck gemacht; ihre Inbetriebnahme wäre jedenfalls nicht ohne erheblichen finanziellen Aufwand möglich gewesen. In der Folge führte die belangte Behörde am eine Verhandlung durch, in welcher die Sachlage erörtert wurde. Zu den Ergebnissen dieser Verhandlung erstattete der Beschwerdeführer am eine Äußerung, in der er neuerlich betonte, er habe erst durch die im Wiederaufnahmeantrag genannten Zeugen erfahren, daß die Anlage nicht bis "ca. Juli 1973", sondern nur bis 1972 betriebsfähig gewesen sei, sodaß er seine Verzichtserklärung nach Ablauf der dreijährigen Frist des § 27 Abs. 1 lit. g WRG gar nicht mehr gültig habe abgeben können. Dieser Äußerung schloß der Beschwerdeführer schriftliche Erklärungen der weiteren drei in seinem Wiederaufnahmsantrag genannten Zeugen an, wonach die Anlage bereits 1972 in keinem betriebsfähigen Zustand mehr gewesen sei. Einer dieser drei Zeugen (L F) stellte allerdings in einer Eingabe vom richtig, "daß im Betrieb M jedenfalls 1973, möglicherweise aber auch noch 1974 gearbeitet wurde".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 98 WRG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 und § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde zu den Aussagen der Zeugen G, B und Gö aus, daß ihnen nicht entnommen werden könne, daß die Wasserkraftanlage bereits im Jahre 1972 nicht in Betrieb stand bzw. bereits zum damaligen Zeitpunkt Sanierungsmaßnahmen notwendig gewesen wären, um die Anlage in Betrieb zu nehmen. Keinesfalls sei diesen Aussagen zu entnehmen, daß bereits 1972 die zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen oder zumindest wesentliche Teile der Wasseranlage weggefallen oder zerstört gewesen seien; dies ergebe sich auch nicht aus den in den folgenden Jahren aufgenommenen Verhandlungsniederschriften. Hingegen habe der Beschwerdeführer selbst durch seine Verzichtserklärung vom das Gegenteil zum Ausdruck gebracht; dieses ergebe sich auch aus den im Verfahren eingeholten Stellungnahmen der Fachabteilung für Flußbauverwaltung und des Bürgermeisters von P. Rechtlich sei zwar von der Rechtzeitigkeit des vom Beschwerdeführer gestellten Wiederaufnahmsantrages auszugehen, doch habe die Prüfung dieses Antrages durch die belangte Behörde ergeben, daß den Beschwerdeführer ein Verschulden daran treffe, daß er die neuen Tatsachen und Beweismittel nicht bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren vorgebracht habe. Seine Fahrlässigkeit im Sinne des § 1294 ABGB ergebe sich daraus, daß, er trotz "achtsamen" Erwerbs der Grundstücke und des mit ihnen verbundenen Wasserbenutzungsrechtes unterlassen habe, bei der Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf amtswegige Überprüfung des aufrechten Bestandes oder Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes zu stellen. Die belangte Behörde komme daher zu der Ansicht, daß der Beschwerdeführer am in Kenntnis des aufrechten Bestandes des Wasserbenutzungsrechtes PZ. 347 die betreffenden Grundstücke erworben habe. In der Folge habe er Überlegungen darüber angestellt, welche Schritte er hinsichtlich dieses Wasserbenutzungsrechtes anstellen solle. Er sei dann mit rechtsfreundlicher Unterstützung zu dem Schluß gekommen, auf den "Weiterbetrieb", also auf das seiner Meinung nach damals noch aufrechte Wasserbenutzungsrecht, zu verzichten. Erst nach Kenntnis davon, mit welchen Kosten die Durchführung der ihm angelasteten letztmaligen Vorkehrungen verbunden sein würde, habe der Beschwerdeführer sichtlich einen Weg gesucht, von dieser Verpflichtung entbunden zu werden. Nachdem er von seinem Arbeitskollegen G und anderen Zeugen erfahren habe, daß die Wasserkraftanlage bereits 1972 nicht mehr in Betrieb gewesen sei, habe er in der irrigen Auslegung des § 27 Abs. 1 lit. g WRG eine Möglichkeit gesehen, das Verfahren im Wege einer Wiederaufnahme neu aufzurollen. Die irrige Auslegung des § 27 Abs. 1 lit. g WRG durch den Beschwerdeführer liege in der Ansicht, daß Wasserbenutzungsrechte schon kraft Gesetzes erlöschen würden, wenn die dafür nötigen Vorrichtungen nicht betrieben würden oder nicht betriebsfähig seien und die Unterbrechung der Wasserbenutzung über drei Jahre gedauert habe. Der Nichtbetrieb oder die nicht gegebene Betriebsfähigkeit von zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen stelle jedoch keinen Erlöschenstatbestand im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dar, sondern es erlösche ein Wasserbenutzungsrecht zufolge dieser Gesetzesstelle erst durch den Wegfall oder die Zerstörung der zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen, wenn die Unterbrechung der Wasserbenutzung über drei Jahre gedauert habe, wobei der Wegfall oder die Zerstörung wesentlicher Teile der Anlage dem gänzlichen Wegfall oder der gänzlichen Zerstörung gleichzuhalten sei. Der Eintritt dieser Voraussetzungen und damit ein Erlöschen des strittigen Wasserbenutzungsrechtes ex lege bereits im Jahre 1975 sei durch die im Wiederaufnahmsantrag namhaft gemachten Zeugen nicht nachgewiesen worden, sodaß dieser Antrag mangels Erfüllung der Voraussetzungen nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 keinen Erfolg habe zeitigen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrunde Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist nicht strittig, daß sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom abgeschlossenen Verfahrens richtet, gegen den ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist, und daß dieser Wiederaufnahmsantrag innerhalb der Fristen des § 69 Abs. 2 AVG 1950 eingebracht wurde. Unbestritten ist ferner, daß die vom Beschwerdeführer in diesem Wiederaufnahmsantrag erstmalig namhaft gemachten vier Zeugen neu hervorgekommene Beweismittel darstellen.
Strittig ist allerdings einerseits, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden daran trifft, daß diese Beweismittel nicht bereits im wasserrechtlichen Verfahren geltend gemacht wurden, und andererseits, ob die Aussagen dieser Zeugen allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz hat ihre Abweisung des Wiederaufnahmsantrages ohne Beweisaufnahmen ausschließlich auf ein Verschulden des Beschwerdeführers an der verspäteten Namhaftmachung dieser Zeugen gestützt. Die belangte Behörde hat zwar die beantragten Beweise zum Teil aufgenommen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides aber an der Auffassung festgehalten, daß ein Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne des § 1294 ABGB einem Erfolg seines Wiederaufnahmsantrages entgegenstehe. Die belangte Behörde hat dieses Verschulden jedoch nicht in der verspäteten Namhaftmachung der Zeugen, sondern darin erblickt, daß der Beschwerdeführer es unterlassen habe, bei der Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf amtswegige Überprüfung des aufrechten Bestandes oder Erlöschens des strittigen Wasserbenutzungsrechtes zu stellen. Diese Begründung eignet sich indes schon deshalb nicht zur Abweisung des Wiederaufnahmsantrages, weil sie außer acht läßt, daß im Zeitpunkt des Erwerbes der Grundstücke durch den Beschwerdeführer bereits ein einschlägiges amtswegiges Verfahren im Gange war, und weil sie die Frage, ob der Beschwerdeführer die nunmehr genannten Zeugen schuldhaft nicht bereits im damaligen Verfahren als Beweismittel geltend gemacht hat, überhaupt nicht berührt. Daß der Beschwerdeführer erst frühestens vierzehn Tage vor Einbringung seines Wiederaufnahmsantrages überhaupt Kenntnis davon erlangt hat, daß diese Zeugen über den Zustand der strittigen Wasserkraftanlage im Jahre 1972 für ihn günstig erscheinende Aussagen ablegen könnten, hat die belangte Behörde - wie schon ihre Bejahung der Rechtzeitigkeit des Antrages zeigt - nicht in Zweifel gezogen. Darüber hinaus übersieht die belangte Behörde bei ihrer Argumentation, daß der Beschwerdeführer am die Durchführung des "dafür vorgesehenen Verfahrens" ohnehin beantragt hat. Die Wasserrechtsbehörden haben jedoch trotz niederschriftlicher Berufung auf "genaue Erhebungen" keine überprüfbaren Feststellungen darüber getroffen, ob und seit wann die zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen der strittigen Anlage oder wesentliche Teile derselben weggefallen oder zerstört waren. Die ohne konkrete Bezugnahme auf das Vorhandensein aller "nötigen Vorrichtungen" getroffene Feststellung, die Wasserkraftanlage sei "bis ca. Juni 1973" betriebsfähig gewesen, läßt den vom Beschwerdeführer im Wege der Wiederaufnahme angestrebten Nachweis nicht als von vornherein aussichtslos erkennen.
Der Beschwerde ist ferner auch darin Recht zu geben, daß die belangte Behörde die Frage, ob die geltend gemachten neuen Beweismittel allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, auf Grund unzulänglicher Ermittlungen zu Ungunsten des Beschwerdeführers gelöst hat.
Hauptinhalt des Spruches im wasserrechtlichen Verfahren war die Feststellung des Erlöschens der Wasserbenutzungsrechte gemäß § 27 Abs. 1 lit. a WRG und die darauf gegründete Auferlegung der letztmaligen Vorkehrungen an den Beschwerdeführer als den auf Grund seines Verzichtes abtretenden Wasserberechtigten. Der Beschwerdeführer hat sich auf die vier in seinem Wiederaufnahmsantrag genannten Zeugen zum Nachweis darauf berufen, daß seine Verzichtserklärung deshalb keinen gültigen Erlöschensgrund dargestellt habe, weil, wie die Zeugen bestätigen. könnten, das Wasserbenutzungsrecht im Zeitpunkt dieser Verzichtserklärung bereits gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG, also durch den Wegfall oder die Zerstörung der zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen, bzw. wesentlicher Teile derselben, und wegen einer damals bereits abgelaufenen Unterbrechung der Wasserbenutzung durch mehr als drei Jahre vor dem Eigentumserwerb des Beschwerdeführers (§ 237 Abs. 1 EO), erloschen gewesen sei (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 816/63, vom , Zl. 1257/72, und vom , Zl. 978/80). Diese Argumentation konnte die belangte Behörde nicht allein damit entkräften, daß der im wasserrechtlichen Verfahren erklärte Verzicht des Beschwerdeführers die Ansicht rechtfertige, daß der Beschwerdeführer in Kenntnis des aufrechten Bestandes des Wasserbenutzungsrechtes PZ. 347 am jene Grundstücke erworben habe, mit welchen das Wasserbenutzungsrecht verbunden gewesen sei. Der Umstand des abgegebenen Verzichtes macht keinen unwiderlegbaren Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer ein Verschulden daran trifft, daß das bereits vor seinem Eigentumserwerb eingetretene Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes nicht geltend gemacht wurde; bemüht sich der Beschwerdeführer doch in seinem Wiederaufnahmsantrag gerade um den Nachweis, daß sein damaliger Verzicht rechtsunwirksam gewesen sei.
Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten neuen Beweismittel auf ihre Tauglichkeit, voraussichtlich einen im Hauptinhalt anders lautenden Bescheid herbeizuführen, zu prüfen. Weder der vorliegenden Zeugenaussage des K G noch den im Akt liegenden schriftlichen Stellungnahmen der drei weiteren Zeugen kann, wie dies die belangte Behörde versucht, von vornherein abgesprochen werden, daß sie geeignet sein könnten, das vom Beschwerdeführer gewünschte Beweisergebnis herbeizuführen. Ohne eingehende Befragung der Zeugen, welche Beobachtungen sie im einzelnen über den Zustand der Anlage im Jahre 1972 gemacht haben, kann mit der für die Entscheidung über den vorliegenden Wiederaufnahmsantrag erforderlichen Sicherheit nicht gesagt werden, diese Zeugen könnten äußerstenfalls einen bloßen Betriebsstillstand, nicht aber den für eine Beurteilung nach § 27 Abs. 1 lit. g WRG relevanten Wegfall oder die Zerstörung zumindest wesentlicher Anlagenteile bestätigen. Ein desolater Zustand der Wehranlage (Zeuge G), ein nicht betriebsfähiger Zustand (Bestätigung des Zeugen B), eine Stillegung der Anlage im Jahre 1972 wegen Böschungseinbrüchen des Werkskanals (Bestätigung des Zeugen Gö), stellen denn doch so bedeutsame Hinweise in dieser Richtung dar, daß sie bei der Beweiswürdigung, deren Ergebnis die Beantwortung der strittigen Frage in der einen oder anderen Richtung sein muß, durchaus ins Gewicht zu fallen hätten. Die belangte Behörde wird daher im fortzusetzenden Verfahren für eine eingehendere Befragung bzw. für eine persönliche Einvernahme dieser Zeugen, allenfalls im Beisein der Parteien, Sorge zu tragen haben. Dies trifft auch für den Zeugen F zu, der am eigenhändig bestätigt hat, daß die Wasserkraftanlage im Jahre 1972 nicht betriebsfähig gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt der Produktionsbetrieb eingestellt worden sei, während der "Widerruf" dieses Zeugen vom , wonach "im Betrieb M" noch 1973 und 1974 gearbeitet worden sei, über die Wasserkraftanlage selbst nichts aussagt und nur im Wege der Unterfertigung einer maschinschriftlich vorgefertigten Bestätigung erklärt wurde. Relevante Aufschlüsse über den Zustand der Wasserkraftanlage im entscheidenden Zeitpunkt werden allenfalls auch dem im fortzusetzenden Verfahren zweckmäßigerweise beizuschaffenden Versteigerungsakt zu entnehmen sein.
Um in einer dem Gesetz entsprechenden Weise über den Wiederaufnahmsantrag absprechen zu können, wird die belangte Behörde daher das Verfahren, ohne das Ergebnis der Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorwegzunehmen, entsprechend zu ergänzen haben.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren von S 100,-- war abzuweisen, da für die Vertretung des Beschwerdeführers vor dem Verwaltungsgerichtshof die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes ausreicht.
Wien, am
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Schlagworte | Verschulden |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1984:1983070135.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-60550