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VwGH 03.11.1983, 83/06/0088

VwGH 03.11.1983, 83/06/0088

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3
RS 1
Ausführungen zur Frage, ob ein Bauvorhaben den Abstand zur Grundgrenze laut bewilligten Bauplan nach dem vorliegenden vermessungstechnischen Gutachten einhält.
Norm
RS 2
Hat die betroffene Partei die Prämissen des eingeholten Gutachtens bekämpft, darf sich die Behörde nicht mit der Begründung begnügen, das Gutachten hätte nicht erschüttert werden können.
Norm
RS 3
Auch zu einer Ergänzung des Sachverständigengutachtens ist gemäß § 45 Abs 3 AVG Parteiengehör zu gewähren.
Norm
BauPolG Slbg 1973 §16 Abs1
RS 4
Wird der gesetzliche Mindestabstand nach § 25 Abs 3 Slbg BebauungsgrundlagenG unterschritten, liegt keine geringfügige Abweichung nach § 16 Abs 1 Slbg BauPolG vor.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

83/06/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Unfried, über die Beschwerde des KT in G, vertreten durch Dr. GS, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. XXX, betreffend Einstellung eines Bauvorhabens (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde G), nach der am heutigen Tage durchgeführten mündlichen Verhandlung, und zwar nach Anhören des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. GS, des Vertreters der belangten Behörde, Landesregierungsrat Dr. MK, des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Bürgermeister FS, und des Beschwerdeführers, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 18.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde G vom wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf der Gp. 181/84, KG G, erteilt. Der dieser Baubewilligung zugrundegelegte Lageplan sah einen Mindestnachbarabstand von 4,05 m zur Gp. 781/86, KG G, vor. Dieser Bescheid ist rechtskräftig.

Mit Bescheid vom des Bürgermeisters der Marktgemeinde G wurde gemäß § 16 des Baupolizeigesetzes (BauPolG) die Einstellung der Ausführung der baulichen Maßnahmen mit sofortiger Wirkung verfügt und einer dagegen einzubringenden Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Als Begründung wurde angeführt, daß anläßlich einer (durch den betroffenen Nachbarn veranlaßten) Überprüfung vom festgestellt worden sei, die bauliche Maßnahme sei nicht plan- und bescheid gemäß erfolgt, weil der Nachbarabstand nicht eingehalten worden sei. Einer dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde G vom nicht stattgegeben.

Einer Vorstellung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom Folge gegeben, der Bescheid der Gemeindebehörde zweiter Instanz wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde G zurückverwiesen.

Über Beschluß der Gemeindevertretung der Marktgemeinde G vom wurde die strittige Grundgrenze von Dipl. Ing. Dr. techn. K, Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, vermessen; demnach habe der Minimalabstand des Mauerwerkes beim Neubau des Beschwerdeführers - bezogen auf die rekonstruierte Grenzlinie - 3,82 m betragen. Zu dem umfangreichen Gutachten hat der Beschwerdeführer eine Äußerung erstattet, in welcher er u.a. die Prämisse des Gutachtens in mehrfacher Hinsicht in Zweifel zog und auch das Gutachten selbst bekämpfte. Hiezu eingeholte ergänzende Stellungnahme des Gutachters wurde dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde G vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom abgewiesen und damit begründet, daß der rekonstruierte Minimalabstand 3,82 m betrage, der bescheid- und planmäßige Grenzabstand jedoch mit 4,05 m festgesetzt Und daher um 23 cm unterschritten worden sei.

In der gegen diesen Bescheid an die belangte Behörde erhobenen Vorstellung wandte sich der Beschwerdeführer vor allem gegen das vom Sachverständigen erstellte Vermessungsoperat, das die Gemeindebehörde zweiter Instanz ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hatte.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, es habe der Beschwerdeführer anläßlich einer Vorsprache beim Amte der Salzburger Landesregierung am  mitgeteilt, daß seiner Meinung nach der Nachbarabstand um 14 cm größer sei als im Vermessungsoperat, somit 3,96 m betrage, und im übrigen die Art der Vermessung (durch den Sachverständigen) auch deshalb mangelhaft sei-, weil kein Rückschluß auf die Gesamtgröße der Grundparzelle 781/84, KG G möglich wäre, sodaß genaue Angaben über den Grenzverlauf an der nördlichen Grundgrenze nicht, beziehungsweise nur sehr ungenau, möglich wären.

Es sei - so führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides weiter aus - in der Baubewilligung für das Objekt auf Gp. 781/84, KG G., ein Mindestnachbarabstand von 4,05 m zur Gp. 781/86, KG G, festgesetzt worden. Selbst wenn man von der Bauplatzerklärung für das gegenständliche Objekt, welche lediglich einen Nachbarabstand von 4 m vorsehe, ausgehe, so sei eine Unterschreitung des Nachbarabstandes um zumindest 4 cm zu der Gp. 781/86 sicher gegeben. Obwohl von der belangten Behörde das vermessungstechnische Gutachten des Dr. K nicht angezweifelt werde, sei jedoch auch unter der Voraussetzung der Anerkennung der Stellungnahme des Beschwerdeführers (Mindestabstand zur Gp. 781/86, KG G von 3,96 m) der gesetzlich geforderte Nachbarabstand unterschritten. Da der Beschwerdeführer nicht um die Ausnahmegenehmigung zur Unterschreitung des Nachbarabstandes angesucht habe, sei die Baueinstellung durch die Marktgemeinde G zu Recht erfolgt und die eingebrachte Vorstellung als unbegründet abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird in der Beschwerde ausgeführt, es sei die Rechtsmeinung der belangten Behörde, daß selbst dann, wenn man von der Bauplatzerklärung für das gegenständliche Objekt, welche einen Nachbarabstand von 4 m vorsehe, und der Tatsache ausgehe, daß eine Unterschreitung des Nachbarabstandes um 4 cm daher sicher gegeben sei, eine Einstellung des Baues gemäß § 16. des Salzburger Baupolizeigesetzes gerechtfertigt sei, unrichtig. § 16 Abs. 1 BauPolG normiere:

„Stellt die Baubehörde fest, daß die Ausführung einer baulichen Maßnahme nicht dem Inhalt der Bewilligung einschließlich der auf die bauliche Maßnahme bezughabenden baurechtlichen Vorschriften, der Pläne und technischen Beschreibung entsprechend erfolgt, so hat sie die Einstellung der Ausführung der baulichen Maßnahme zu verfügen; es sei denn, daß die Abweichung geringfügig Ist. Eine Abweichung vom Inhalt der Bewilligung ist jedenfalls dann nicht mehr als geringfügig anzusehen, wenn hiedurch die in den raumordnungs- oder baurechtlichen Vorschriften enthaltenen Bestimmungen verletzt werden oder für die Änderung selbst eine Bewilligungspflicht besteht.“

Eine Abweichung von 4 cm bei einem einzuhaltenden Abstand von 4 m sei ebenso geringfügig wie eine Abweichung von 23 cm, bei Einhaltung eines Mindestabstandes von 4,05 m. Die im schlechtesten Fall für den Beschwerdeführer gegebene Abweichung von 23 cm bei einem vorgesehenen Abstand von 4,05 m sei geringfügig und könne als nichts anderes bezeichnet werden, zumal sich aufgrund des Planes bzw. der Vermessung des Dr. R ergebe, daß diese Unterschreitung ja nicht über die gesamte Bauflucht gegeben sei, sondern nur zu einem geringfügigen Teil. Die Unterschreitung sei bei 4 cm ein Prozent, bei 23 cm nicht ganz sechs Prozent. Raumordnungs- oder baurechtliche Vorschriften würden dadurch nicht verletzt und es seien derartige Bedenken weder vom Bürgermeister noch von der Gemeindevertretung noch von der Vorstellungsbehörde releviert worden. Diesbezüglich sei auch darauf hinzuweisen, der Beschwerdeführer habe bereits in der Vorstellung vom darauf hingewiesen, daß die Baueinstellung dann nicht durchgeführt werden dürfe, wenn die Abweichung geringfügig ist. Gemäß § 16 Abs. 1 BauPolG sei die Einstellung der Bauführung nur als „ultima ratio“ vorgesehen und sogar ausdrücklich verboten, wenn die Abweichung geringfügig ist. Dazu komme noch, daß selbst in dem wesentlich krasseren Fall, daß eine bauliche Anlage ohne Bewilligung ausgeführt wurde, die Baubehörde dem Veranlasser oder Eigentümer zunächst aufzutragen habe, binnen einer angemessenen Frist entweder um die nachträgliche Bewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage zu beseitigen. Dies gelte aber auch für die Fälle, daß die Ausführung des Baues aufgrund einer baubehördlichen Bewilligung erfolge, aber von deren Inhalt nicht nur geringfügig abweiche. Für den Fall geringfügiger Abweichungen der Ausführung der baulichen Anlage vom Inhalt der Bewilligung normiere dann auch noch § 16 Abs. 5 BauPolG, daß die Baubehörde solche geringfügigen Abweichungen tunlichst im überprüfungsbescheid nachträglich zu genehmigen habe. Damit sei aber auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ohnedies der ganzen Rechtsordnung inneliege, ausdrücklich normiert. Es sei auch gegen diesen Grundsatz ebenso verstoßen worden wie gegen § 16 Abs. 1 BauPolG, der eine Einstellung ausdrücklich untersage, wenn die Abweichung geringfügig ist. Entgegen der im gegenständlichen Verfahren vertretenen Meinung der belangten Behörde sei sie im Rahmen dieser ihrer Funktion nach Art. 119 a B-VG durchaus berechtigt, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, um sich darüber Gewißheit zu verschaffen, ob ein Vorstellungswerber durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einem Recht verletzt worden ist. Ein Vorstellungswerber könnte etwa auch durch eine falsche Sachverhaltsermittlung in seinen Rechten verletzt werden; dies wäre von der Aufsichtsbehörde wahrzunehmen (VfSlg 6602). Im gegenständlichen Fall habe die Behörde offenbar ein solches ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, denn nicht anders könne die im angefochtenen Bescheid erwähnte Vorsprache des Beschwerdeführers gewertet werden. Wenn man von dem zugrundegelegten Sachverhalt ausginge, ergäbe sich lediglich eine Differenz von 4 cm bzw. 9 cm, dies bei einer Breite von vorgesehenen 4 m bzw. 4,05 m. Damit seien aber doch berechtigte Zweifel an dem eingeholten Gutachten aufgekommen, zumal dort auch eine Meßungenauigkeit von 3 cm zugestanden werde. Es wäre daher auf jeden Fall die Pflicht der belangten Behörde gewesen, ein ergänzendes bzw. auch beantragtes zweites Gutachten einzuholen. Da die belangte Behörde dies unterlassen habe, bedürfe der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkte einer Ergänzung. Wenn man davon ausgehe, daß im gegenständlichen Fall schon mehrere Messungen durchgeführt und die Abstände schon mehrfach verschieden vermessen worden seien, nämlich mit 3,70 m (am ) bzw. 3,74 bzw. 3,82 m bzw. 3,96 m, so wäre es insbesondere im Hinblick auf die gegen die Richtigkeit der Vermessung des Dr. K in der Äußerung erstatteten Bedenken jedenfalls erforderlich gewesen, ein zweites Gutachten einzuholen, was vom Beschwerdeführer durch seinen Vertreter auch beantragt worden sei. Eine Ergänzung sei insbesondere im Hinblick darauf erforderlich, daß ja nicht festgestellt werde, die Unterschreitung des Abstandes sei hinsichtlich eines geringfügigen Teiles der Bauflucht gegeben.

Es seien aber auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen worden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Es wäre aufgrund der Bedenken gegen die Qualität des eingeholten Gutachtens die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich gewesen bzw. (wörtliches Zitat:) „hätte die belangte Behörde in ihrem ergänzenden Ermittlungsverfahren, zu dem sie gar nicht verpflichtet ist, wenn sie es aber durchführt und von ihrem Rechte, eigene Ermittlungen über den Sachverhalt durchzuführen, Gebrauch macht, den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers von diesen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Mitteilung machen müssen bzw. ihm zur Kenntnisnahme Gelegenheit geben müssen. Darin besteht eine Verletzung des Parteiengehörs und es ist daher der auf diese Ermittlungen gestützte Vorstellungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.“

Durch die neuere und noch geringfügigere Meßdifferenz im ergänzenden Ermittlungsverfahren wäre die Behörde bei den nun bereits vorliegenden vier verschiedenen Meßdaten verpflichtet gewesen, ein ergänzendes Gutachten bzw. eine ergänzende Vermessung anzuordnen.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:

Die belangte Behörde hat ihre, die Vorstellung abweisende Entscheidung zunächst auf ein Anerkenntnis des Beschwerdeführers gestützt, wonach der Abstand des strittigen Bauwerkes von der Grundgrenze 3,96 m betrage. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof haben der Beschwerdeführer und sein Vertreter ausdrücklich bestritten, der Beschwerdeführer habe eine solche Erklärung im Zuge des Vorstellungsverfahrens abgegeben. Hiezu ist zu bemerken, daß über das Ergebnis der Vorsprache des Beschwerdeführers beim Amt der Salzburger Landesregierung am keine Niederschrift aufgenommen wurde, sondern lediglich ein Aktenvermerk. In diesem Aktenvermerk ist nun, entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides, aber nicht davon die Rede, daß das eingeholte strittige Gutachten (Vermessungsoperat) zu Ungunsten des Beschwerdeführers um 14 cm von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche, vielmehr heißt es dort, daß das Vermessungsoperat um mindestens 14 cm von dem „richtigen“ Vermessungsergebnis abweiche. Damit hat aber der Beschwerdeführer - entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides - nicht anerkannt, daß das von ihm errichtete Objekt den gesetzlich erforderlichen Nachbarabstand um mindestens 4 cm unterschreite. Durfte sohin die belangte Behörde nicht von einem Anerkenntnis des Beschwerdeführers ausgehen, dann erweist sich die von ihr dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Rechtauffassung über die Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Zuge des Vorstellungsverfahrens als inhaltlich rechtswidrig.

Ausgehend von dieser unrichtigen Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur unzureichend mit dem eingeholten vermessungstechnischen Gutachten auseinandergesetzt, führte sie doch lediglich aus, sie zweifle dieses Gutachten nicht an. Da aber der Beschwerdeführer auf Gemeindeebene nicht nur das Gutachten selbst bekämpft hat, sondern auch dessen Prämissen, also den Befund, in Zweifel gezogen hat, konnten die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, das Gutachten hätte durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht erschüttert werden können, nicht ausreichen, eine dem Gesetz (§ 60 AVG 1950) entsprechende Be-gründung darzustellen. In diesem Zusammenhang gewinnt Bedeutung, daß die Gemeindebehörde zweiter Instanz aufgrund der Stellungnahme des Beschwerdeführers zu dem Gutachten eine ergänzende Äußerung des Gutachters eingeholt hat, welche sie dem Beschwerdeführer, entgegen der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG 1950, nicht zur Kenntnis gebracht hat. Da die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides hiezu überhaupt nichts aussagte, erweist sich nicht nur die Begründung dieses Bescheides als mangelhaft, vielmehr hat damit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer weiteren inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weil sie den auf Gemeindeebene unterlaufenen Verfahrensmangel offensichtlich in seiner rechtlichen Relevanz verkannte.

Soweit aber die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf den Umstand hinweist, daß der Beschwerdeführer nicht um die Ausnahmegenehmigung zur Unterschreitung des Nachbarabstandes angesucht habe, ist festzustellen, daß nach Auffassung des Beschwerdeführers eine solche Ausnahmegenehmigung gar nicht erwirkt werden mußte, weil ja das Ermittlungsverfahren nicht zu Recht ergeben habe, der gesetzliche Mindestabstand sei nicht eingehalten. Eine Verpflichtung zur Stellung eines Antrages auf Gewährung einer Ausnahmegenehmigung kennt das Gesetz nicht.

Abschließend sei aus Gründen der Prozeßökonomie noch auf die insbesondere in der Beschwerde aufgeworfene Frage eingegangen, ob nicht eine Abweichung von 4 cm, wie sie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides annahm, jedenfalls als eine geringfügige Abweichung im Sinne des § 16 Abs. 1 BauPolG zu qualifizieren und daher schon aus diesem Grunde zu Unrecht eine Baueinstellung erfolgt sei. Nach § 16 Abs. 1 des genannten Gesetzes ist die Einstellung einer baulichen Maßnahme zu verfügen, wenn die Ausführung des Bauwerkes nicht dem Inhalt der Bewilligung einschließlich der auf die bauliche Maßnahme bezughabenden rechtlichen Vorschriften, der Pläne und technischen Beschreibung entsprechend erfolgt ist, es sei denn, daß die Abweichung geringfügig ist.

Eine Abweichung vom Inhalt der Bewilligung ist jedenfalls dann nicht mehr als geringfügig anzusehen, wenn hiedurch die in den raumordnungs- oder baurechtlichen Vorschriften enthaltenen Bestimmungen verletzt werden. Die im Beschwerdefall anzuwendende baurechtliche Vorschrift des § 25 Abs. 3 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes sieht einen Mindestabstand von 4 m zum benachbarten Grund vor. Aus dieser Rechtslage ergibt sich, daß eine Abweichung vom Inhalt der erteilten Baubewilligung jedenfalls dann nicht mehr als geringfügig anzusehen ist, wenn der gesetzliche Mindestabstand von 4 m im Sinne des § 25 Abs. 3 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz nicht eingehalten ist. Auch ein Abstand von 3,96 m von der Nachbargrundgrenze würde daher, entgegen dem Beschwerdevorbringen, eine Baueinstellung rechtfertigen. Lediglich insoweit, als in der erteilten Baubewilligung ein größerer Abstand (4,05 m) als der gesetzliche Mindestabstand (4,00 m) von der Nachbargrundgrenze vorgesehen ist, könnte ein Abweichen von der erteilten Bau-bewilligung als geringfügig beurteilt werden.

Aufgrund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Mit der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich auch eine gesonderte Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B, Z. 4,5 und 6 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am

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Normen
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
BauPolG Slbg 1973 §16 Abs1
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Parteiengehör Sachverständigengutachten
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1983:1983060088.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-60515