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VwGH 06.12.1984, 83/06/0053

VwGH 06.12.1984, 83/06/0053

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
GdPlanungsG Krnt 1970 §2 Abs4
GdPlanungsG Krnt 1970 §2 Abs5
RS 1
Ein Gebäude oder Gebäudeteil, der der Beherbergung von Fremden dient, ist im Wohngebiet (§ 2 Abs 4 des Krnt. Gemeindeplanungsgesetzes 1970) nicht unzulässig.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1929/75 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. Anton Knees, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz Nr. 31/1, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR 1-151/5/1982, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: JP und AP in X, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, Klagenfurter Straße 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom hatte der Bürgermeister der Gemeinde S als Baubehörde erster Instanz den nunmehrigen beiden Mitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung einer Pension mit Ferienwohnungen auf dem als „Bauland-Wohngebiet“ gewidmeten Grundstück Nr. 1074/38, KG. S, unter einer Reihe von Auflagen erteilt. Nach den der Bewilligung zugrunde liegenden Plänen war die Errichtung eines Gebäudes mit Kellergeschoß, Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß vorgesehen, wobei Erde und Obergeschoß neben Küche, Frühstückszimmer und Nebenräumen acht Wohneinheiten enthielten. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Die Mitbeteiligten errichteten jedoch anstelle des vorgesehenen Dachgeschosses ein Vollgeschoß, worauf die Baubehörde mit Bescheid vom die sofortige Einstellung der Bauarbeiten verfügte.

Mit Eingabe vom beantragten die Mitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung eines zweiten Obergeschosses bei dem eingangs angeführten bewilligten Bauvorhaben.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung versagte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde als Baubehörde erster Instanz gemäß § 15 der Kärntner Bauordnung die beantragte Baubewilligung, und zwar im Hinblick auf § 5 Abs. 2 des Bebauungsplanes, wonach außerhalb des Bauland-Kurgebietes (das vorliegende Grundstück liegt im Wohngebiet) die Geschoßzahl mit maximal zwei Geschossen festgelegt sei; nur in jenen Bereichen, wo eine dreigeschossige Bebauung zu keiner Beeinträchtigung des Ortsbildes führe, sei eine dreigeschossige Bebauung zulässig. Da aber das Grundstück der Mitbeteiligten im Südosten, Osten und Norden an unbebaute Baugrundstücke, im Westen an die Landesstraße und im Südwesten an ein mit einem Geschoß bebautes Grundstück anschließe, würde eine dreigeschossige Bebauung die Entwicklung unterbrechen und eine weitere dreigeschossige Bebauung nach Osten und Norden einleiten.

In der dagegen erhobenen Berufung wendeten die Mitbeteiligten unter anderem ein, daß sich in unmittelbarer Nähe mehrere Baulichkeiten mit zwei Obergeschossen befänden, so daß durch die Errichtung des beantragten Vorhabens keine Störung des Ortsbildes eintreten würde.

Die Berufungsbehörde holte eine Reihe von Stellungnahmen und Äußerungen ein und erörterte in der mündlichen Berufungsverhandlung auch die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan. Der Erstmitbeteiligte führte dabei auch aus, daß er beabsichtige, mit seiner Familie den ordentlichen Wohnsitz nach Fertigstellung des Objektes auf dieses Grundstück zu verlegen, weshalb die Bauführung auch den Bestimmungen des Gemeindeplanungsgesetzes entsprechen würde; seine Kinder würden gleichfalls ihren Wohnsitz mit ihren Familien in diesem Objekt begründen. Eine Projektsänderung wurde jedoch nicht vorgenommen.

Mit Bescheid vom gab der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde der Berufung der Mitbeteiligten keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid der Baubehörde erster Instanz. Die Berufungsbehörde ging davon aus, daß das Gebäude in einem als „Bauland-Wohngebiet“ gewidmeten Bereich errichtet werden solle, so daß es dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde S und den Intentionen des Gemeindeplanungsgesetzes 1970 widerspreche. Aus diesem Grund gehe die Berufungsbehörde auf die vorgebrachten Einwendungen hinsichtlich der Bebauungsplanverordnung nicht näher ein, da es darauf nicht mehr ankomme. Der Einwand der Konsenswerber, daß das geplante Bauvorhaben nach dessen Fertigstellung auch von den Konsenswerbern und deren Kindern für Wohnzwecke beansprucht werde, träfe nicht zu, da Verwendung und Nutzung der Ferienwohnungen überwögen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde auf Grund der Vorstellung der nunmehrigen Mitbeteiligten den Bescheid des Gemeindevorstandes auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde zurück. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1929/75, wonach auch ein der Fremdenbeherbergung dienendes Gebäude im Wohngebiet nicht unzulässig sei; die Gesetzeslage hätte sich seither insofern verändert, als unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Wohngebiet örtlich unzumutbare Umweltbelastungen ausgeschlossen worden seien. Nach den Verfahrensergebnissen befänden sich im gegenständlichen „Wohngebiet“ hauptsächlich Fremdenverkehrsbetriebe; es bedürfe keiner weiteren Begründung, daß die zusätzliche Errichtung von fünf Wohneinheiten im Hinblick auf den Charakter des gegenständlichen Wohngebietes keine unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen könne. Daß und inwiefern das Bauvorhaben nicht vorwiegend den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes dienen würde, sei nicht behauptet bzw. dargelegt worden. Die Berufungsbehörde sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß das Bauvorhaben - Errichtung eines zweiten Obergeschosses - dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan widerspreche.

Da sich die gemeindebehördliche Berufungsbehörde, ausgehend von der Rechtsansicht, daß das Bauvorhaben bereits dem Flächenwidmungsplan widerspreche, mit der Einhaltung der Bebauungsplanverordnung nicht mehr auseinandersetzte, prüfte die belangte Behörde in der Folge den Standpunkt, den die Baubehörde erster Instanz zu dieser Frage eingenommen hatte, und kam zum Ergebnis, auf Grund der Überlegungen der ersten Instanz sei „keineswegs als erwiesen anzunehmen“, daß das gegenständliche Bauvorhaben das Ortsbild wesentlich störe. Schon im Vorprüfungsverfahren sei seitens des Bauanwaltes bzw. des Baubezirksamtes der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt keine solche Störung geltend gemacht worden. Der hochbautechnische Sachverständige der belangten Behörde habe in seinem Gutachten ausgeführt, daß nach der Bestimmung des § 5 Abs. 2, letzter Satz, des Bebauungsplanes das Vorhaben nicht abgelehnt werden könne. Anläßlich der örtlichen mündlichen Verhandlung vom habe derselbe Sachverständige (- damit im Widerspruch zur vorigen Aussage -) darauf hingewiesen, daß das Bauvorhaben in dominanter Weise in Erscheinung trete und das Ortsbild wesentlich störe. Die Begründung hiefür sei jedoch weder ausreichend noch schlüssig. Ob ein Bauvorhaben das Ortsbild wesentlich störe, müsse nämlich durch ein in Befund und Gutachten gegliedertes Sachverständigengutachten, welches die Einflüsse des Gebäudes auf das Ortsbild darlege und die getroffenen Schlußfolgerungen eingehend begründe, erwiesen werden. Des weiteren beschränkte sich der angefochtene Bescheid darauf darzulegen, was nicht Sache des Bürgermeisters oder der Anrainer sei, ohne selbst Feststellungen zur Frage des Ortsbildes zu treffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich in dem Recht verletzt, eine dem Gesetz nicht entsprechende Baubewilligung zu versagen.

Sowohl die belangte Behörde als auch die Mitbeteiligten erstatteten je eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Absätze 2 bis 5 des § 2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1970, Kärntner LGBl. Nr. 1/1970 in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 57/ 1972, 8/1977 und 78/1979, (GPlG) - die Wiederverlautbarung LGBl. Nr. 51/1982 wurde erst am kundgemacht - lauten:

„(2) Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Erfordernissen in Baugebiete zu gliedern. Als Baugebiete kommen in Betracht: Dorfgebiete, Wohngebiete, Kurgebiete, gemischte Baugebiete, Geschäftsgebiete, Leichtindustriegebiete, Schwerindustriegebiete.

(3) Als Dorfgebiete sind jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Gebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, im übrigen aber für Gebäude bestimmt sind, die den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner desDorfgebietes und dem Fremdenverkehr dienen, wie Wohngebäude, Gebäude für gewerbliche Kleinbetriebe, Kirchen, Gebäude für die Gemeindeverwaltung, Schulgebäude, Dorfgemeinschaftshäuser, und die unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Dorfgebiet keine örtlich unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen, wie landwirtschaftliche Produktionsstätten industrieller Prägung (Schweinezüchtereien, Geflügelverwertungsanstalten, Maistrocknungsanlagen u.ä.).

(4) Als Wohngebiete sind jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Wohngebäude, im übrigen aber für Gebäude bestimmt sind, die überwiegend den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes dienen, wie Geschäftshäuser, Sammelgaragen für Personenkraftwagen, Sanatorien, Kirchen, Schulgebäude, Kindergärten, und die unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Wohngebiet keine örtlich unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen.

(5) Als Kurgebiete sind jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Gebäude von Gast- und Beherbergungsbetrieben, im übrigen aber für Wohngebäude und für Einrichtungen und Gebäude, die dem Fremdenverkehr dienen, bestimmt sind und die unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Kurgebiet keine örtlich unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen. ...“

Zu Recht beruft sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zur Frage der Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1929/75, worin grundsätzlich Wohngebäude mit den der Fremdenbeherbergung dienenden Gebäuden gleichgesetzt werden, so daß nach dem in § 2 Abs. 4 GPlG umschriebenen Begriff des Wohngebietes auch ein der Fremdenbeherbergung dienendes Gebäude nicht unzulässig sei. Dieses Erkenntnis erging im wesentlichen zur gleichen Rechtslage (die Novelle LGBl. Nr. 78/1979 fügte lediglich jeweils den letzten Halbsatz in den Absätzen 3, 4 und 5 ein, dem für die Lösung der vorliegenden Frage keine Bedeutung zukommt). Wohl könnte aus dem reinen Gesetzeswortlaut, nämlich der Gegenüberstellung der Dorfgebiete, der Wohngebiete und der Kurgebiete, allenfalls abgeleitet werden, daß in allen drei Gebieten Wohngebäude zulässig sind, jedoch nur im Dorfgebiet und Kurgebiet „Gebäude, die dem Fremdenverkehr dienen“, was gegen die im genannten Erkenntnis vorgenommene Gleichsetzung von Wohngebäuden und Gebäuden, die dem Fremdenverkehr dienen, spräche. Dies führte jedoch zu dem dem Landesgesetzgeber nicht zusinnbaren Ergebnis, daß in Städten, in denen keine Kurgebiete vorgesehen sind, keinerlei dem Fremdenverkehr dienenden Gebäude, also auch nicht Hotels u.dgl., errichtet werden dürften; die im Wohngebiet vorgesehene Ausnahme bezieht sich ja lediglich auf die den wirtschaftliche, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes dienenden Gebäude, umfaßt also nicht solche, die Fremden zur Beherbergung dienen. Mangels einer dem Gesetz zu entnehmenden Abgrenzung der Möglichkeit derartiger der Fremdenbeherbergung dienender Gebäude (Hotels u.dgl.) von Fremdenverkehrseinrichtungen, wie sie nur in typischen Fremdenverkehrsgebieten auftreten (sollen), sah der Gerichtshof keine Möglichkeit, von der zitierten Rechtsprechung abzugehen, wonach unter „Wohngebäuden“ im Sinne des § 2 Abs. 4 GPlG auch der Fremdenbeherbergung dienende Gebäude zu verstehen sind. Insofern hat die belangte Behörde daher zu Recht der beschwerdeführenden Gemeinde aufgetragen, von diesem Abweisungsgrund Abstand zu nehmen.

Hinsichtlich der Übereinstimmung mit der Bebauungsplanverordnung übersah die belangte Behörde aber bei Würdigung des Sachverständigengutachtens offensichtlich, daß es nicht Sache des Sachverständigen ist, die Behörde von der Richtigkeit seiner Ausführungen zu überzeugen, sondern es Sache der Behörde ist, den richtigen Sachverhalt zu ermitteln und sie sich zu diesem Zweck eines Sachverständigen zu bedienen hat; soweit sie gegen die Schlüssigkeit des Gutachtens Bedenken hat und Unklarheiten auch durch entsprechende Befragungen und Ergänzungsaufträge nicht aufklären kann, hat sie ein zusätzliches Gutachten einzuholen oder den Bescheid der obersten Gemeindebehörde aufzuheben und ihr die Klärung des Sachverhaltes aufzutragen. Ob der Bauanwalt im Hinblick auf eine Störung des Ortsbildes einen Versagungsgrund geltend gemacht hat, oder wie im vorliegenden Fall, dies unterlassen hat, kann ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren nicht entbehrlich machen. Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Da der pauschalierte Schriftsatzaufwand alle Aufwendungen des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Beschwerde abgilt, kann dieser weder einen Einheitssatz noch die Umsatzsteuer verrechnen; weiters ist die Gemeinde im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises - wie hier - von der Entrichtung von Gebühren befreit (§ 2 Z. 2 GebG).

Wien, am

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Normen
GdPlanungsG Krnt 1970 §2 Abs4
GdPlanungsG Krnt 1970 §2 Abs5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1984:1983060053.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-60508