VwGH 20.09.1983, 83/05/0061
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §129 Abs10 Satz1 BauRallg implizit |
RS 1 | Ein unbefugter Bau liegt auch dann vor, wenn von der erteilten Baubewilligung in einem Ausmaß abgewichen worden ist, dass das errichtete Gebäude als nicht mehr durch die Baubewilligung gedeckt anzusehen ist (Verschiebung einer Garage 2 m nach vorne und Verdrehung um ca 20 %). |
Normen | BauO Wr §129 Abs10 BauRallg implizit |
RS 2 | Aus §§ 64, 67, 70 und 73 BO ergibt sich, das jede Baubewilligung für ein durch seine Lage bestimmtes Vorhaben erteilt wird. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1365/79 E RS 2 |
Normen | BauO Wr §70 Abs2 BauRallg implizit |
RS 3 | Die Bewilligung bewilligungspflichtiger baulichen Maßnahmen kann gemäß § 70 Abs 2 der BauO für Wien nur in Form einer schriftlichen Erledigung (Bescheid) und nicht in Gestalt einer Art konkludenten Verhaltens der Bauaufsichtsorgane erteilt werden (Hinweis auf das zur BauO für Graz ergangene E , 0807/47, VwSlg 410 A/1948). |
Norm | BauO Wr §129 Abs10 |
RS 4 | Ob ein errichtetes Bauwerk der Beseitigung eines Übelstandes dient und ob die Beseitigung von Ufermauerwerk die Gefahr des Abrutschens von Grund und Boden mit sich bringt, ist bei der Auftragserteilung nach § 129 Abs 10 der BauO für Wien ohne Bedeutung. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 82/05/0148 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein den Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des Dr. KP in W, vertreten durch AB, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XIX-13/82, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom erteilte der Wiener Magistrat dem Beschwerdeführer den auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützten Auftrag, binnen drei Monaten die auf der Liegenschaft E Straße 8a errichtete Garage abzutragen. Zur Begründung führte die Baubehörde erster Instanz aus, die tatsächliche Ausführung weiche von der mit Bescheid vom erteilten Baubewilligung „in der Lage und bei der Einfahrt“ ab, sodaß die derzeit im Rohbau bestehende Garage als ein anderes Bauwerk anzusehen sei. Eine nachträgliche Baubewilligung könne im Hinblick auf die nunmehrige Widmung des Grundstückes als Grünland-Schutzgebiet-Wald- und Wiesengürtel nicht erteilt werden.
Auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung, in welcher der Beschwerdeführer u. a. die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung bestritt, ergänzte die Baubehörde zweiter Instanz das Ermittlungsverfahren. In einer eingeholten Stellungnahme führte ein Amtssachverständiger der Baubehörde erster Instanz aus, die Garage sei um ca. 70° verdreht und 2 m nach vorn verschoben worden, wodurch die Garage ca. 50 cm in das öffentliche Gut rage. In einer beigeschlossenen Skizze wurden die bewilligte Garage und die tatsächlich ausgeführte Garage im Maßstab 1 : 200 dargestellt. Das ergänzende Ermittlungsverfahren wurde dem Beschwerdeführer am niederschriftlich zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer verwies auf seine Ausführungen in der Berufung und darauf, daß die kurze Besichtigung dieser Skizze nicht die Möglichkeit gebe, dazu Stellung zu nehmen. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist zur Äußerung eingeräumt.
In seiner Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer vor, daß er die Feststellung des Amtssachverständigen infolge Krankheit und Auslandsaufenthalts nicht durch einen Zivilgeometer habe überprüfen lassen können. Mit absoluter Sicherheit könne jedoch festgestellt werden, daß die Garage keinesfalls um 70 Grad verdreht werden sei. Daß die Garage zu irgendeinem Teil auf öffentlichem Gut stehe, sei gleichfalls unrichtig. Aus den Unterlagen des „Vermessungsamtes der Stadt Wien“ gehe hervor, daß das Grundstück des Beschwerdeführers zwei Grenzlinien entlang der E Straße habe und daß entlang der äußeren Linie seit vielen Jahren ein Zaun bestehe. Die Garage befinde sich innerhalb dieses Zaunes. Sie sei während des Baues öfters besichtigt worden und es sei keine Beanstandung erfolgt. Im Zuge von Verhandlungen mit der Magistratsabteilung 48 sei dem Beschwerdeführer nahegelegt worden, im Zuge der Schaffung eines Umkehrplatzes die Garageneinfahrt nicht, wie genehmigt, zur Straße hin, sondern zum Umkehr. platz hin zu öffnen. Dies sei von den Vertretern der MA 37/19 (der Baubehörde erster Instanz) zustimmend zur Kenntnis genommen worden. Eine Änderung der Baubewilligung sei als nicht notwendig bezeichnet worden. Fundamentbeschau als auch Rohbaubeschau wären ohne Beanstandung erfolgt.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens vertrat die Baubehörde zweiter Instanz die Auffassung, das Ermittlungsverfahren habe eindeutig ergeben, daß die tatsächlich ausgeführte Garage mit der im Konsens vorgesehenen Garage nicht ident sei. Die vom Amtssachverständigen angefertigte Skizze über die Lage der Garage sei vom Beschwerdeführer nicht widerlegt worden. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher rechtmäßigerweise ergangen.
Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom , Zl. B 527/82, ablehnte; gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit. des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 129 Abs. 10, Satz 1, der Bauordnung für Wien sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Bei dieser Rechtslage hängt das Schicksal der Beschwerde, wie der Beschwerdeführer zutreffend erkannt hat, davon ab, ob die belangte Behörde zu Recht annehmen durfte, daß die errichtete Garage in einem Ausmaß von der erteilten Baubewilligung abweicht, welches das Gebäude als durch die Baubewilligung nicht mehr gedeckt beurteilen läßt. Nach dem im Zuge des Berufungsverfahrens erstellten Plan wurde das Gebäude nicht nur verdreht, sondern auch 2 m zur bestehenden Verkehrsfläche (nach vorne) verschoben. (Im Hinblick auf die bewilligte und die bestehende Einfahrt sprach der technische Amtssachverständige von einer Drehung von 70 Grad, während der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde eine Verschwenkung von 20 Grad einräumt.) Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß sowohl durch die Verschiebung des Gebäudes als durch die Art der Verdrehung die bestehende Garage durch die erteilte Baubewilligung als nicht mehr gedeckt zu beurteilen ist. In einem Fall der vorliegenden Art kann von einer geringfügigen Abweichung vom bewilligten Plan nicht mehr gesprochen werden. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand, daß der größte Teil der bewilligten Baufläche auch vom errichteten Bau erfaßt ist, weil ein Gebäude nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien ausschließlich an jener Stelle zu errichten ist, an welcher es baubehördlich bewilligt wurde (vgl. das gegenüber demselben Beschwerdeführer ergangene Erkenntnis vom , Zl. 1365/79). Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis darlegt, ist die Ursache der Abweichungen entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers in gleicher Weise rechtlich unerheblich wie die behauptete Zustimmung baubehördlicher Organe und die ohne Beanstandung durchgeführten Beschauten. Da die Bewilligung bewilligungspflichtiger baulicher Maßnahmen nach § 70 Abs. 2 der Bauordnung für Wien nur in der Form einer schriftlichen Erledigung (Bescheid) wirksam ist, kann die Baubewilligung nicht in Gestalt einer Art konkludenten Verhaltens der Bauaufsichtsorgane erteilt werden (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 410/A). Auch die Durchführung einer Beschau ohne Beanstandung bedeutet lediglich, daß in technischer Hinsicht gegen die betreffenden Bauteile keine Bedenken bestehen, nicht jedoch vermag eine Beschau eine erforderliche baubehördliche Bewilligung zu ersetzen. Auf Grund der dargelegten Erwägungen durfte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, daß ein vorschriftswidriger Bau im Sinne des § 129 Abs. 10, Satz 1, der Bauordnung vorliegt.
Soweit der Beschwerdeführer sich mit der Frage auseinandersetzt, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung im Hinblick auf eine in der Zwischenzeit er-folgte Änderung des Flächenwidmungsplanes in Betracht kommt oder nicht, erübrigte sich eine Erörterung dieser Problematik, weil die belangte Behörde im Rahmen des baubehördlichen Auftragsverfahrens nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien nicht zu prüfen hatte, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung in Betracht kommt oder nicht. Diese Frage wird erst in einem Baubewilligungsverfahren betreffend die Erwirkung einer nachträglichen Bau-bewilligung zu prüfen sein (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/05/0148; auf die Bestimmungen des Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, wird hingewiesen). Bezüglich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes hat daher die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend dargelegt, daß die Widmung der Grundfläche lediglich im Baubewilligungsverfahren von Bedeutung ist.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.
Bei dieser Situation erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Wr §129 Abs10 BauO Wr §129 Abs10 Satz1 BauO Wr §70 Abs2 BauRallg implizit |
Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1983:1983050061.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-60462