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VwGH 05.10.1982, 82/14/0127

VwGH 05.10.1982, 82/14/0127

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Lohnsteuer hat der Arbeitgeber in eben jenem Zeitpunkt einzubehalten, in welchem er in dieser Eigenschaft Geldbeträge unter dem Rechtstitel von Arbeitslohn bezahlt. Das ist im Falle von Zahlungen durch das Arbeitsamt nach §§ 1 ff IESG nicht der Zeitpunkt der Flüssigmachung (Anweisung) dieser Zahlungen sondern der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber (die Masse) die ohne Änderung des Rechtsgrundes an den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergegangene Lohnforderung an diesen bezahlt.
Normen
RS 2
Daß nach § 4 Abs 2 lit a Z 3 BAO der Abgabenanspruch schon im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte an den Arbeitnehmer als den Abgabepflichtigen entstanden war, ist für die Frage der Fälligkeit der Zahlung seitens eines abfuhrpflichtigen Arbeitgebers (die nur nach den § 78 und § 79 EStG 1972 zu beurteilen ist) nicht von Bedeutung. Die besondere Konstruktion des Insolvenz-EntgeltsicherungsG führt nämlich dazu, daß die um die gesetzlichen Abzüge verminderten (Nettobeträge) Lohnbeträge den Arbeitnehmern in der Regel früher zufließen als im Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die korrespondierende Lohnzahlung leistet. Erst der letztgenannte Zeitpunkt aber ist mangels anderweitiger Regelung allgemein und daher auch hier maßgebend für die Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers und den Fälligkeitszeitpunkt für die Abfuhr der einbehaltenen Beträge.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Dr. GM, Rechtsanwalt in S, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma T Transport GesmbH & Co. KG in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 56.014-5/82, betreffend Säumniszuschläge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen der T. Transport GesmbH & Co. KG (im folgenden abgekürzt "Gesellschaft") wurde mit der Konkurs eröffnet, der Beschwerdeführer ist der in diesem Konkurs bestellte Masseverwalter. Da die am fällig gewesene Lohnsteuer für Lohnzahlungen für die Monate September bis Dezember 1980 von S 34.105,-- und der am gleichen Tag fällig gewesene Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds von S 18.411,-- bis zum Fälligkeitstag nicht entrichtet worden waren, schrieb das Finanzamt mit Bescheid vom Säumniszuschläge von S 682,-- bzw. S 368,-- vor.

In seiner Berufung dagegen behauptete der Beschwerdeführer, zu berücksichtigen sei, daß auf Grund der Unzulänglichkeit der Konkursmasse noch keine Zahlungspflicht bestehe, da voraussichtlich nach § 47 Abs. 2 KO vorgegangen werden müsse, sodaß nur ein Anteil der Forderungen bezahlt werden könne. In seinem Antrag auf Vorlage der Berufung an die belangte Behörde nach Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt wies der Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, Zahlungen dürften erst geleistet werden, wenn feststehe, daß die Masseforderungen voll befriedigt werden könnten; diesbezüglich hätten die Bestimmungen der Konkursordnung zu gelten. Da die Masse wahrscheinlich zur Zahlung aller Masseforderungen nicht ausreiche, könnten die Forderungen des Finanzamtes erst in der III. Gruppe der in § 47 KO genannten Zahlungen berücksichtigt werden. Da vor Abschluß des Konkursverfahrens nicht festgestellt werden könne, ob die Masse reiche oder nicht, könne auch noch keine Fälligkeit eingetreten sein.

Mit der an die Gesellschaft zu Handen des Beschwerdeführers gerichteten Berufungsentscheidung vom wies die belangte Behörde diese Berufung im wesentlichen mit der Begründung ab, bei den Lohnabgaben handle es sich um Masseforderungen im Sinne des § 46 KO. Massegläubiger seien gemäß § 124 Abs. 1 KO ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen, sobald ihre Ansprüche feststünden und fällig seien. Anders als bei den Konkursforderungen werde hier die abgabenrechtliche Fälligkeit nicht berührt. So sei auch die Aufrechnung von Masseforderungen gegen Forderungen der Masse zulässig und unterliege keinen konkursrechtlichen Beschränkungen. Nach Petschek-Reimer-Schiemer im Kommentar "Das Österreichische Insolvenzrecht", Ausg. 1973, S. 529 ff, träten für die Masse Verzugsfolgen ein, wenn sie fällige Masseforderungen nicht pünktlich erfülle; die Rechtslage bei Masseforderungen unterscheide sich grundsätzlich nicht von jener, die bestünde, wenn sie nicht "die Richtung gegen die Konkursmasse" hätte. Daß, wenn die vorhandene Masse zur vollen Befriedigung der zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigenden Masseforderungen nicht ausreiche, diese nach besonderer Regelung zu befriedigen seien, habe nichts mehr mit der Frage ihrer Fälligkeit, sondern nur mehr mit der Frage ihrer Einbringlichkeit zu tun.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Daß im angefochtenen Bescheid als Adressat die Gesellschaft angeführt ist, wird von der Beschwerde selbst als eine bloß fehlerhafte Bezeichnung qualifiziert, die weder - wie die Beschwerde richtig bemerkt - die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers berührt noch eine vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechtswidrigkeit des Bescheides begründet. Abfuhrpflichtig in Ansehung der Lohnsteuer (§ 79 EStG 1972) bzw. abgabepflichtig in Ansehung des Dienstgeberbeitrages und damit in beiden Fällen zur Entrichtung spätestens am Fälligkeitstag verpflichtet war materiell die Masse im Konkurs der Gesellschaft, deren Masseverwalter der Beschwerdeführer ist. An ihn erfolgte die Zustellung des angefochtenen Bescheides, der keinen Zweifel darüber läßt, daß die darin ausgesprochene Zahlungsverpflichtung die Masse trifft. Damit liegt in diesem Punkt kein Verstoß gegen Vorschriften des Abgabenverfahrensrechtes vor, bei dessen Unterbleiben die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid kommen konnte. Die Fragen, die sich allgemein aus der dem Masseverwalter eingeräumten Parteistellung für abgabenrechtliche Verfahren ergeben, haben daher hier auf sich zu beruhen.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der von ihm nach § 36 Abs. 8 VwGG 1965 abgeforderten schriftlichen Äußerungen der Verfahrensparteien klargestellt, daß sämtliche Lohnzahlungen an Arbeitnehmer für die Monate September bis Dezember 1980 nicht vom Masseverwalter aus Mitteln der Masse, sondern nach den Bestimmungen des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 324/1977, in der geltenden Fassung, erfolgt waren. Über Aufforderung des Finanzamtes erstattete der beschwerdeführende Masseverwalter mit Schreiben vom eine Lohnsteueranmeldung für die Zeiträume September bis Dezember 1980 unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß sich diese Anmeldung auf die nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz ausbezahlten Lohnbeträge beziehe. Die an den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergegangenen Ansprüche wurden vom Masseverwalter durch eine am vorgenommene Überweisung eines Betrages von S 465.184,82 teilweise befriedigt.

Für die in diesem Verfahren streitentscheidende Frage, wann für den Beschwerdeführer, bzw. die von ihm vertretene Masse, die Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge fällig geworden sind, ergibt sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Tatsachen folgendes:

Nach § 78 Abs. 1 EStG 1972 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten, d.

h. in eben jenem Zeitpunkt, in welchem er als Arbeitgeber Geldbeträge unter dem Rechtstitel von Lohn bezahlt. Abzuführen hat der Arbeitgeber nach § 79 Abs. 1 leg. cit. die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am zehnten Tag nach Ablauf des Kalendermonates. Für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sind Bestimmungen entsprechenden Inhalts in den §§ 41 Abs. 3 und 43 Abs. 1 FLAG 1967 enthalten.

Die Zahlungen von Insolvenz-Ausfallgeld nach den Bestimmungen der §§ 1 ff des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes an Arbeitnehmer erfolgten durch das Arbeitsamt und waren für den Arbeitgeber (die Masse) keine von ihm (ihr) getätigten Lohnzahlungen; daher konnten diese Zahlungen für den Arbeitgeber weder eine Einbehaltungsverpflichtung nach § 78 Abs. 1 EStG 1972 noch eine Abfuhrverpflichtung nach § 79 Abs. 1 leg. cit. auslösen. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß die erwähnten Zahlungen keineswegs zum Untergang von gegen den Arbeitgeber bestehenden Lohnforderungen, sondern im Gegenteil dazu führten, daß diese Forderungen ohne Änderung des Rechtsgrundes nach § 11 Abs. 1 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergingen. Erst die Erfüllung dieser übergegangenen Forderungen durch Zahlungen an den eben erwähnten Fonds war für den Arbeitgeber "Lohnzahlung" im Sinne des § 78 Abs. 1 EStG 1972 und erst bei diesen Zahlungen bestand die Verpflichtung, die auf sie entfallende Lohnsteuer der Arbeitnehmer einzubehalten und danach gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1972 abzuführen. Da erst von da an "einzubehaltende Lohnsteuer" vorlag, wurde auch die in § 82 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1972 vorgesehene Haftung des Arbeitgebers erst ab diesem Zeitpunkt wirksam.

Daß nach § 4 Abs. 2 lit. a Z. 3 BAO der Abgabenanspruch schon im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte an den Arbeitnehmer als den Abgabepflichtigen entstanden war, ist für die hier allein entscheidende Frage der Fälligkeit der Zahlung seitens eines abfuhrpflichtigen Arbeitgebers (die nur nach den §§ 78, 79 EStG 1972 zu beurteilen ist) nicht von Bedeutung. Die besondere Konstruktion des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes führt nämlich dazu, daß die um die gesetzlichen Abzüge verminderten (Netto-)Lohnbeträge den Arbeitnehmern in der Regel früher zufließen als im Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die korrespon-dierende Lohnzahlung leistet. Erst der letztgenannte Zeitpunkt aber ist mangels anderweitiger Regelung allgemein und daher auch hier maßgebend für die Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers und den Fälligkeitszeitpunkt für die Abfuhr der einbehaltenen Beträge.

Dieser Zeitpunkt war im gegebenen Fall keinesfalls vor dem , nämlich der erstmaligen Bezahlung der in Rede stehenden Lohnforderungen durch den Arbeitgeber an den Legalzessionar, eingetreten. Da die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 1 BAO nur eintritt, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, entbehrte die Vorschreibung dieses Zuschlages sowohl durch den Bescheid des Finanzamtes vom als auch durch den nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid der belangten Behörde vom der gesetzlichen Grundlage. Der angefochtene Bescheid mußte also wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1982:1982140127.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-60182