VwGH 17.03.1983, 82/08/0070
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | ASVGNov 21te Art4 Abs1 letzter Satz ASVGNov 23te Art2 Abs19 vorletzter Satz GSVGNov 03te Art3 Abs2 Satz1 |
RS 1 | Die - zu Art 4 Abs 1 letzter Satz der 21.Nov zum ASVG, BGBl 1968/6, und zu Art 2 Abs 1 vorletzter Satz der 23.Nov zum ASVG, BGBl 1969/17, unterschiedliche - Formulierung des Art 3 Abs 2 erster Satz der 3.Nov zum GSVG bewirkt, dass (weil die Wendung "bei sonstigem Ausschluss" vom Gesetzgeber nicht gebraucht wurde) die in der letztgenannten Bestimmung festgesetzte Frist eine verfahrensrechtliche ist. |
Normen | ASVGNov 21te Art4 Abs1 letzter Satz ASVGNov 23te Art2 Abs19 vorletzter Satz AVG Teil1 Abschn5 GSVGNov 03te Art3 Abs2 Satz1 |
RS 2 | Die Wertung einer Frist als materiellrechtliche muss vom Gesetzgeber unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden, weil sonst von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen ist. |
Norm | |
RS 3 | Im Falle der Berufung gegen einen Bescheid, der einen Parteiantrag zurückgewiesen hat, darf die Berufungsbehörde nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den zurückgewiesenen Antrag entscheiden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1843/50 E VwSlg 2066 A/1951 RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Mag. Öhler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Serajnik, über die Beschwerde der A, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich, betreffend Antrag auf Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (mitbeteiligte Partei: B), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Eingangsstampiglie der Beschwerdeführerin langte bei ihr am der schriftliche, mit der Post beförderte und mit datierte Antrag des Mitbeteiligten gemäß Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl. Nr. 586/1980, auf Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz ein. Das Aufgabedatum kann aus dem im Akt der Beschwerdeführerin befindlichen Briefumschlag nicht eindeutig ersehen werden.
Dieser Antrag des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid der Beschwerdeführer vom als verspätet zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, daß der Antrag des Mitbeteiligten erst am bei der Beschwerdeführerin eingelangt sei.
In seinem dagegen erhobenen Einspruch legte der Mitbeteiligte eine Fotokopie des Aufgabenscheines bei, aus dem hervorgeht, daß der gegenständliche Antrag am bei der Post eingeschrieben aufgegeben wurde. Nach der im Einspruch vertretenen Meinung des Mitbeteiligten handle es sich bei der im Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz festgesetzten Frist um eine verfahrensrechtliche, sodaß die Zeit des Postenlaufes in diese Frist einzurechnen sei.
Die Beschwerdeführerin erklärte in ihrer Stellungnahme zu diesem Einspruch des Mitbeteiligten, es ergebe sich aus dem Wortlaut des Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, daß es sich um eine materiell-rechtliche Frist handle und daher der gegenständliche Antrag spätestens am bei der Beschwerdeführerin hätte einlangen müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch des Mitbeteiligten Folge gegeben und der Bescheid der Beschwerdeführerin vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz und § 33 AVG 1950 aufgehoben. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei die Frage, wie Fristen zu berechnen seien, immer wieder Gegenstand der Judikatur gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof sei im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 1711/75 (Slg. N. F. Nr. 9758/A), zur Ansicht gekommen, daß es Fristen gebe, die sowohl materiell-rechtlichen als auch prozessualen Charakter hätten und daß § 33 Abs. 2 AVG 1950 auch auf Verjährungsfristen anzuwenden sei. Verfahrensrechtliche Fristen seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes solche Fristen, die für die Vornahme von Verfahrenshandlungen gesetzt seien. Als Verfahrenshandlungen könnten solche Handlungen qualifiziert werden, die auf die Erzeugung eines Bescheides gerichtet seien, wie z. B. Antragsfristen. Die für solche Handlungen normierten Fristen stellten also verfahrensrechtliche Fristen dar. Der Versuch, die verfahrensrechtlichen Fristen in der Weise zu bestimmen, daß sich diese auf Handlungen bezögen, die im Zuge eines anhängigen Verfahrens zu setzen seien, sei verfehlt. Zweifellos sei ein Antrag auf Befreiung von der Pflichtversicherung auf die Erlassung eines Bescheides gerichtet. Die Antragstellung sei im § 13 AVG 1950 geregelt und deshalb eine Verfahrenshandlung. Das Antragsrecht sei Verfahrensrecht. Nach der Rechtsprechung und den einschlägigen Abhandlungen in der Literatur könne die im Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz angeführte Frist als eine verfahrensrechtliche qualifiziert werden. Es ergebe sich also, daß die Beschwerdeführerin den Befreiungsantrag des Mitbeteiligten zu Unrecht zurückgewiesen habe, sodaß die belangte Behörde als Einspruchsbehörde lediglich die Aufhebung des mit Einspruch bekämpften Bescheides der Beschwerdeführerin aussprechen könne. Es werde Aufgabe der Beschwerdeführerin sein, eine Sachentscheidung zu treffen.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach dem Beschwerde-vorbringen werde als Verfahrensmangel geltend gemacht, daß die bloße Beschränkung des angefochtenen Bescheides auf eine Aufhebung des Bescheides der Beschwerdeführerin verfehlt erscheine, weil die Rechtsmittelbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 grundsätzlich im Sinne ihrer Rechtsauffassung in der Sache selbst zu entscheiden hätte. Schließlich habe es sich beim Zurückweisungsbescheid der Beschwerdeführerin insofern jedenfalls um eine Entscheidung in der Sache selbst gehandelt, als ein Befreiungsantrag wegen Nichterfüllung eines für die Befreiung gesetzlich vorgesehenen Tatbestandsmerkmales (Einhaltung einer bestimmten Frist für die Geltendmachung dieses Anspruches) im Ergebnis negativ erledigt worden sei. Es handle sich daher bei diesem Zurückweisungsbescheid der Beschwerdeführerin um nichts anderes als um die abschlägige Erledigung eines materiellen Antraglegehrens. Im übrigen berufe sich die belangte Behörde auf § 66 Abs. 4 AVG 1950. Diese Bestimmung sei jedoch eine verfahrensrechtliche Basis für eine Sachentscheidung der Rechtsmittelbehörde in dem Sinn, daß diese Behörde ihre Rechtsansicht an die Stelle derjenigen der Unterinstanz setze. Richtigerweise hätte sich die belangte Behörde, wenn sie den Fall an die Beschwerdeführerin zum Zweck der Fällung einer Sachentscheidung zurückverweisen gewollt habe, auf § 66 Abs. 2 AVG 1950 berufen müssen. In der Sache selbst übersehe die belangte Behörde bei ihrer Argumentation, daß innerhalb der Frist des Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz eindeutig ein dem materiellen Recht zuzuordnender Rechtsanspruch geltend zu machen sei. Diese Frist könne daher nicht bloß deshalb, weil das Recht, eine eigene freie Entscheidung für das Ausscheiden aus der Pflichtversicherung zu treffen, naturgemäß nur mittels eines entsprechenden Antrages realisiert werden können, als formell-rechtliche Frist qualifiziert werden. Folge man der Rechtsauffassung der belangten Behörde, so würde dies in letzter Konsequenz bedeuten, daß jede für die Geltendmachung bestimmter materieller Rechtsansprüche gesetzte Ausschlußfrist einzig und allein wegen der Notwendigkeit der Geltendmachung mittels Antrages bereits zu einer verfahrensrechtlichen Frist mit allen denkbaren rechtlichen Konsequenzen würde, insbesondere mit der Rechtsfolge des § 33 Abs. 3 AVG 1950. Hiebei übersehe die Beschwerdeführerin nicht, daß es - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt habe - Fristen gebe, die sowohl materiell-rechtlichen als auch prozessualen Charakter hätten. Gerade diese Möglichkeit eines Doppelcharakters einer Frist zeige aber, daß die diesbezügliche Rechtsanschauung nicht verallgemeinert werden könne. Vielmehr erscheine es im Interesse der Rechtssicherheit und einer möglichst klaren Abgrenzung zwischen materiell-rechtlichen und formell-rechtlichen Fristen erforderlich, in bezug auf Rechtsansprüche, die mittels eines entsprechenden Begehrens bei einer bestimmten Behörde geltend zu machen seien, je nachdem zu differenzieren, welche Rechtsnatur der jeweils geltend gemachte Rechtsanspruch aufweise. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin vermöge somit der bloße Umstand, daß das zur Realisierung eines bestimmten Rechtsanspruches erforderliche Begehren als solches eine Verfahrenshandlung darstelle, noch nicht der für dieses Begehren vorgesehenen Frist den Charakter einer prozessualen Frist zu verleihen. Es erscheine verfehlt, bloß deshalb, weil ein Parteibegehren auf Herbeiführung eines Bescheides über das betreffende materielle Begehren gerichtet sei bzw. zu einer Bescheiderteilung führe, bereits schlechthin den Charakter einer in diesem Zusammenhang von der Partei zu beachtenden Frist als Verfahrensfrist determinieren zu wollen. Die Tatsache der bescheidmäßigen Erledigung befristet geltend zu machender Ansprüche sage nämlich noch nichts darüber aus, welchem Rechtsbereich (materiell, prozessual oder allenfalls materiell und prozessual) die im Einzelfall zu beachtende Frist zuzurechnen sei. Im Gegenstand sei auf den Rechtscharakter der maßgeblichen Regelung des Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz hinzuweisen. Es handle sich dabei ihrem Wesen nach um eine Übergangsregelung zur 2. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz zwecks Hintanhaltung der durch diese Novelle mit Wirkung vom eingeführten Mehrfachversicherung in der Pensionsversicherung, soweit es sich um ein Zusammentreffen zwischen der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und jener nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz handle. Diese Übergangsbestimmung sehe eine Befreiung von der Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz bei Vorliegen eines genau umschriebenen Tatbestandes vor. Zu diesen Tatbestandsmerkmalen gehöre auch eine fristgerechte Antragsstellung. Hiebei habe sich der Gesetzgeber des Ausdruckes bedient: „... wenn der Antrag bis bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gestellt wird“. Diese Gesetzesformulierung in Verbindung mit der Tatsache, daß es sich vorliegend um eine Befreiungs-(Ausnahme-) bzw. Übergangsregelung handle, verbiete eine extensive Auslegung in dem Sinne, daß der offensichtliche Charakter der in diesem Zusammenhang vorgesehenen Fristsetzung als Statuierung einer materiellen Ausschlußfrist verändert werde, und zwar in Richtung auf eine prozessuale Frist mit der Rechtsfolge einer allenfalls noch nach dem möglichen Stellung des Befreiungsantrages bei der Beschwerdeführerin. Es gebe auch Fristen, bei denen eine Zuordnung zu den materiell-rechtlichen bzw. prozessualen. Fristen vorgenommen werden müsse. Bei dieser Zuordnung könne es aber nicht darauf ankommen, ob der geltend gemachte Anspruch bescheidmäßig zu erledigen sei, sondern nur darauf, welcher Art der erhobene Rechtsanspruch sei. Daß der im Einzelfall geltend gemachte Rechtsanspruch naturgemäß mittels eines Antrages zu realisieren sei, könne ebenfalls allein für sich genommen noch nichts darüber aussagen, ob es sich bei einer für die erfolgreiche Anspruchsrealisierung zu beachtenden Frist um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist handle oder nicht. Dies könne allein unter Bedachtnahme auf die jeweils maßgebende Rechtsvorschrift und die hiemit normierten Tatbestandskriterien beurteilt werden. Bei anderer Auslegung würde jeder im materiellen Recht begründete Rechtsanspruch, für dessen Geltendmachung eine Frist vorgesehen sei, von vornherein dem § 33 Abs.3 AVG 1950 unterliegen, was in dieser Allgemeinheit nicht behauptet werden könne.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß Art. III Abs. 2 erster Satz des Bundesgesetzes vom , mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz), BGBl. Nr. 586, sind Personen, die am , gemäß § 4 Abs. 3 Z. 2 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes in der an diesem Tag in Geltung gestandenen Fassung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommen waren, auf Antrag der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz zu befreien, wenn der Antrag bis bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gestellt wird.
Nach § 33 Abs. 3 AVG 1950 werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.
Da der gegenständliche an die Beschwerdeführerin gerichtete Antrag des Mitbeteiligten zwar (unbestritten) am zur Post gegeben wurde, aber erst am bei der Beschwerdeführerin einlangte, hängt seine Rechtzeitigkeit von der Anwendung des § 33 Abs. 3 AVG 1950 auf die Frist des Art. III Abs. 2 erster Satz der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz ab.
Unter die Bestimmung des § 33 Abs. 3 AVG 1950 fallen nach herrschender Auffassung nur verfahrensrechtliche Fristen (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsrechtes, S. 78; Ringhofer-Verwaltungsverfahrensgesetzt S. 41, Anm. 46a; Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1305 - 1312/79, Slg. N. F. Nr. 5079/A, und vom , Zl. 1789/62, Slg. N. F. Nr. 6045/A).
Entscheidend ist daher, ob nach der Textierung des Art. III Abs. 2 erster Satz der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz die dort festgesetzte Frist verfahrensrechtlicher oder materiell-rechtlicher Natur ist, d.h. ob nach ihrem Ablauf nur das Antragsrecht oder auch der materiell-rechtliche Anspruch auf Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz erlöschen soll (vgl. zu einer ähnlichen Problematik: Walter, Die Dreimonatsfrist des § 383 Abs. 2 ASVG - Eine kritische Betrachtung der Judikatur, SoSi 1962, S 318 ff).
Auch im Art. IV Abs. 1 letzter Satz der 21. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 6/1968, und im Art. II Abs. 19 vorletzter Satz der 23. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 17/69, werden, Antragsfristen festgelegt. Diese Gesetzesstellen lauten: „Ein solcher Antrag kann nur bis längstens bei sonstigem Ausschluß gestellt werden“ (Art. IV Abs. 1 letzter Satz der 21. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz) und „Die Anträge können nur bis bei sonstigem Ausschluß gestellt werden“ (Art. II Abs. 19 vorletzter Satz der 23. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz). Beide Bestimmungen legte der Verwaltungsgerichtshof dahin gehend aus, daß die dort jeweils festgesetzte Frist materiell-rechtlicher Natur ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2106/71, Slg. N. F. Nr. 8181/A).
Hingegen gebrauchte der Gesetzgeber im Art. III Abs. 2 erster Satz der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz die Wendung „bei sonstigem Ausschluß“ nicht. Das spricht eindeutig dafür, daß die Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung nicht zur Folge hat, daß der Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz als solcher mit Ablauf des erloschen ist. Somit bewirkt die - zu Art. IV Abs. 1 letzter Satz der 21. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und zu Art. II Abs.19 vorletzter Satz der 23. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterschiedliche - Formulierung des Art. III Abs. 2 der 3. Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, daß die in der letztgenannten Bestimmung -festgesetzte Frist eine verfahrensrechtliche ist. Die Wertung einer Frist als materiell-rechtliche muß nämlich vom Gesetzgeber unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden, weil sonst von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen ist.
Aus diesen Erwägungen gab die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dem Einspruch des Mitbeteiligten zu Recht Folge.
Was die in der Beschwerde aufgeworfene verfahrensrechtliche Frage nach der Art des Abspruches der belangten Behörde betrifft, so ist zunächst auf die maßgebenden Bestimmungen hinzuweisen.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.
Nach § 66 Abs. 4 hat die Berufungsbehörde außer dem im Absatz 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
In der vorliegenden Angelegenheit handelt es sich um die Beurteilung einer Rechtsfrage, nämlich der Rechtzeitigkeit des gegenständlichen Antrages des Mitbeteiligten. Der dafür maßgebende Sachverhalt wurde von der Beschwerdeführerin einwandfrei festgestellt. Somit lagen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG 1950 nicht vor, weshalb die belangte Behörde nicht diese Bestimmung anzuwenden, sondern nach § 66 Abs.4 AVG 1950 vorzugehen hatte, was richtigerweise auch erfolgte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 immer nur die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches im Bescheid der Unterbehörde gebildet hat (vgl. u. a. das Erkenntnis vom , Zl. 1683/68, Slg. N. F. Nr. 7548/A). Im Falle eines Rechtsmittels gegen einen. Bescheid, der einen Parteiantrag zurückgewiesen hat, darf die Rechtsmittelbehörde nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den zurückgewiesenen Antrag entscheiden (vgl. u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1843/50, Slg. N. F. Nr. 2066/A).
In der gegenständlichen Angelegenheit lag der belangten Behörde der Einspruch gegen einen Zurückweisungsbescheid der Beschwerdeführerin vor und daraus ergab sich als einziger Gegenstand der Prüfung durch die Einspruchsbehörde die Untersuchung und Entscheidung, ob die von der Beschwerdeführerin ausgesprochene Zurückweisung des Antrages des Mitbeteiligten dem Gesetz entsprochen hat oder ob es die Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen wäre, über diesen Antrag sachlich abzusprechen. Die belangte Behörde beachtete richtigerweise diese Schranke ihrer Tätigkeit und ging nicht so vor, als ob ihr eine Sachentscheidung der Beschwerdeführerin zur Überprüfung vorgelegen wäre. Damit wurde beachtet, daß im Gesetz für die meritorische Behandlung dieses Antrages, sofern er zulässig ist, ein zweistufiges Verfahren vorgesehen wird.
Aus allen diesen Erwägungen ist der angefochtene Bescheid nicht mit den der belangten Behörde von der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Rechtswidrigkeiten belastet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden muß.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | ASVGNov 21te Art4 Abs1 letzter Satz ASVGNov 23te Art2 Abs19 vorletzter Satz AVG Teil1 Abschn5 AVG §66 Abs4 GSVGNov 03te Art3 Abs2 Satz1 |
Sammlungsnummer | VwSlg 11006 A/1983 |
Schlagworte | Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1983:1982080070.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-60006